Eine Odyssee ohne Rückkehr
29. August 2018Spanien steht in der aktuellen Flüchtlingskrise vor großen Herausforderungen: Einerseits müssen die Behörden den Migranten, die in ihren Gewässern in Seenot geraten, volle Unterstützung gewähren. Andererseits müssen sie der Öffentlichkeit und auch den Parteien, die Fremdenfeindlichkeit für ihre politischen Zwecke nutzen wollen, deutlich machen, dass es sich nicht um Millionen Afrikaner handelt, die gerade versuchen das Mittelmeer Richtung Spanien zu überqueren. Die Lage sei fern davon kritisch zu sein, betont die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex.
Starker Anstieg
Allerdings sorgen die steigenden Flüchtlingszahlen aus einem ganz anderen Land in Spanien derzeit für Sorgenfalten. "Seit drei Jahren sind die meisten Menschen, die Schutz in Spanien suchen, Staatsbürger Venezuelas. Im Jahre 2016 wurden 4200 Asylanträge registriert, im Jahre 2017 waren es schon 10.600, und in diesem Jahr wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt schon 12.700 Anträge auf Asyl gestellt", berichtet María Jesús Vega, Sprecherin des UNHCR in Spanien im Gespräch mit der DW. An zweiter Stelle stehen kolumbianische Asylsuchende mit 5078 Anträgen, gefolgt von Syrern mit 1574 Anträgen, so das im spanischen Innenministerium angesiedelte Amt für Asyl und Flüchtlinge (OAR).
Die Tatsache, dass im Jahre 2015 nur 600 Venezolaner Zuflucht in Spanien gesucht haben, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr sich die Lebensbedingungen im südamerikanischen Land verschlechtert haben", sagt María Jesús Vega. Der jüngste Bericht des Europäischen Amts für Asylhilfe (EASO) belegt, dass 2014 - ein Jahr nach der Übernahme der Präsidentschaft Venezuelas durch Nicolás Maduro - nur hundert Venezolaner in der gesamten Europäischen Union Asyl beantragt haben. Im Jahr 2017 stieg diese Zahl auf 12.020. Aus historischen, sprachlichen, kulturellen und familiären Gründen ist Spanien von allen EU-Ländern das bevorzugte Ziel für all diejenigen, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um der "Bolivarischen Revolution" zu entfliehen.
Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR schätzt, dass sich 2,3 Millionen Venezolaner außerhalb ihres Heimatlandes befinden und dass etwa 1,6 Millionen von ihnen erst seit 2015 Venezuela verlassen haben. Der in Barcelona lebende venezolanische Soziologe Tomás Páez Bravo, Autor des Buches "Die Stimme der venezolanischen Diaspora" (2015), geht jedoch von 3,3 Millionen venezolanischen Flüchtlingen aus. Er wirft dem venezolanischen Amt für Statistik vor, entsprechende Zahlen unter Verschluss zu halten, um das Problem der Massenflucht herunterzuspielen.
Asylantrag fast immer abgelehnt
"Die spanische Kommission für Flüchtlingshilfe (CEAR) gibt an, dass nur 1500 der 10.600 im letzten Jahr von Venezolanern gestellten Asylanträge ernsthaft geprüft und das von diesen 1500 Anträgen nur 15 positiv beschieden wurden. Der Umstand, dass die Prüfungen nicht mit dem Anstieg Schritt halten können und dass die Zahl der Ablehnungen so hoch ist, hat dazu geführt, dass der Aufenthaltsstatus vieler Venezolaner in Spanien illegal ist", erklärt der Soziologe Páez Bravo. Die Sprecherin des UNHCR María Jesús Vega beklagt, dass laut Europäischem Statistikamt Eurostat in Spanien bis April 2018 mehr als 17.700 Asylanträge von Venezolanern noch nicht endgültig entschieden waren. "Das spanische Innenministerium hat zugegeben, dass es mehr Ressourcen bereitstellen muss, um die Asylverfahren zu beschleunigen", fügt Vega hinzu.
Ihrer Ansicht nach liege der Migrationsstrom aus Venezuela für Spanien im verkraftbaren Bereich, betont die Sprecherin des UNHCR, dennoch ist die Situation für Tausende Venezolaner im Land weiterhin im Ungewissen. Páez Bravo führt die schleppenden Asylverfahren in Spanien auf übertrieben paragrafenfixierte Beamte und eine Unkenntnis der Realität in Venezuela zurück und beklagt: "Weder die Bürger noch die Politiker scheinen sich darüber im Klaren zu sein, was in Venezuela gerade geschieht. Und die Bürokraten verstehen nicht, dass es abseits der politisch Verfolgten auch Venezolaner gibt, die dem Mangel an Nahrungsmittel und Medikamenten entfliehen wollen".