Vatikan lässt Knochen untersuchen
20. Juli 2019Die Suche nach Emanuela Orlandi geht weiter. Fahnder verfolgen jetzt eine mögliche Spur, die auf den deutschen Friedhof des Kirchenstaates führt. Der Vatikan hatte bereits Mitte Juli die Gräber zweier adeliger Frauen öffnen lassen: von Sophie von Hohenlohe (gestorben 1836) und Herzogin Charlotte Friederike zu Mecklenburg (gestorben 1840). Doch überraschenderweise waren die beiden Gräber komplett leer. Wenig später wurden Beinhäuser mit Knochenresten auf dem Friedhof des deutschen Priesterkollegs Campo Santo Teutonico entdeckt. Hier sind Geistliche und Adelige aus dem deutschsprachigen Raum und Flandern bestattet. Am Samstag sind die Beinhäuser geöffnet worden. Die jetzigen Untersuchungen sollen also zeigen, ob die gefundenen menschlichen Überreste dort von den beiden adeligen Frauen sind oder gar von Emanuela Orlandi.
Familie der Vermissten setzt Vatikan unter Druck
Vatikansprecher Alessandro Gisotti teilte mit, die Funde aus den Gebeinkammern sollen nach international anerkannten Protokollen analysiert werden. Die Dauer der Arbeiten sei nicht absehbar, so Gisotti. Der Vatikansprecher betonte, die neuerlichen Ermittlungen demonstrierten die Hilfsbereitschaft des Vatikan "selbst auf der Grundlage lediglich eines anonymen Hinweises".
Pietro Orlandi, Bruder der Vermissten, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er sei von einem namentlich bekannten Informanten aus dem Vatikan zu den Nachforschungen ermuntert worden. Zu dem aktuellen Termin fanden sich mehrere Unterstützer der Familie Orlandi vor dem Vatikan ein. Sie forderten "Wahrheit und Gerechtigkeit für Emanuela". Einer der Aktivisten, Sandro Masetti Zannini, sprach von einem "Klima der Scheinheiligkeit" im Vatikan. Es handle sich um ein schmutziges Spiel, das auf dem Rücken eines 15-jährigen Mädchens ausgetragen werde.
Wilde Spekulationen
Emanuela Orlandi, Tochter eines Vatikanangestellten, war am 22. Juni 1983 vom Musikunterricht nicht nach Hause zurückgekehrt. Spekuliert wurde unter anderem über einen Versuch, die Freilassung des Papst-Attentäters Ali Agca zu erzwingen, über eine Erpressung der Vatikanbank durch eine römische Mafia-Organisation oder vatikanische Sex- und Drogenparties, deren Opfer Emanuela geworden sei.
Ein neuerlicher Verdacht von Orlandi-Sympathisanten, der Vatikan wisse mehr, als er zugeben wolle, entzündete sich an einer Aussage von Papst Franziskus gegenüber dem Bruder, Emanuela sei im Himmel. "Wenn er wirklich weiß, dass sie tot ist, muss er auch wissen, wie das passiert ist", sagte Pietro Orlandi im September 2017 einer italienischen Zeitung.
nob/AR (dpa, afp, kna)