Vargas: "Komisch, so ein junger Trainer"
21. April 2016DW: Sie sind der einzige südamerikanische Fußballer, der in allen vier großen europäischen Ligen aktiv war: in der Premier League, der italienischen Seria A, der spanischen Primera Division und jetzt in der Bundesliga. Was unterscheidet den deutschen Fußball von anderen großen Ligen?
Eduardo Vargas: Ich denke, dass jede europäische Liga anders ist. Die italienische Liga, die Bundesliga und die englische Liga, verglichen mit der spanischen, sind sehr unterschiedlich. Deutscher Fußball ist sehr dynamisch, die Spiele enden normalerweise mit vielen Toren. Der deutsche Fußball ist sehr offensiv. Die Abwehr der Mannschaften kommt manchmal schlecht weg.
Würden Sie denn sagen, dass Stürmer es einfacher in der Bundesliga als in anderen Ligen haben?
Ich denke schon. Obwohl wir Stürmer in Hoffenheim auch hart arbeiten müssen, wenn es ums Verteidigen geht. Manchmal finde ich es sehr schwer, einen Gegenspieler zu verteidigen, weil ich keine Kraft mehr habe.
Sie sind schon seit neun Monaten in Hoffenheim. Würden Sie sagen, dass Sie ein bisschen deutsch geworden sind? Sprechen Sie zum Beispiel schon Deutsch?
Die Wahrheit ist, dass ich kein Deutsch sprechen kann. Aber ich verstehe schon einige Dinge. Vor allem ein paar Worte, die im Training sehr oft eingesetzt werden. Ich habe auch Cesar, einen Mitarbeiter des Vereins, der immer nah dran ist, um für mich alles bei den Spielen und Trainings zu übersetzen. Das hilft mir sehr.
In welcher Sprache kommunizieren Sie mit Ihren Kollegen und Mitspielern?
Manche sprechen mit mir auf Englisch. Kevin Kuranyi spricht sowohl Portugiesisch als auch Spanisch. Er hilft mir sehr, wenn ich mit den Kollegen kommunizieren will.
Trotz der sprachlichen Schwierigkeiten, haben Sie Freunde in Hoffenheim gefunden?
Ja, ich habe Freunde. Ich habe eine engere Beziehung zu Joelinton und Kuranyi, also zu denjenigen, die Portugiesisch und Spanisch sprechen. Ich habe aber auch Beziehung zu anderen Kollegen. Irgendwie verstehen wir uns.
Woher kommt Ihrer Spitzname, "Turboman"?
Den hat ein Berichterstatter aus Chile erfunden. Bei einem Finale packte ich den Ball im Mittelfeld, lief mit ihm und machte ein Tor. Und so rief der Reporter mich "Turboman“. Der Spitzname ist bis heute geblieben.
Sie haben fast eine Million Follower auf Instagram. Sie sind sehr aktiv auf diesem sozialen Netzwerk. Warum finden Sie es so interessant?
Ja, Instagram ist das soziale Netzwerk, das ich am meisten benutze. Ich habe auch einen Twitter-Account, aber die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, wie man Twitter gut verwenden kann. Instagram ist viel einfacher und auf Facebook habe ich nur Freunde und Familienangehörige. Auf Instagram veröffentliche ich Fotos aus meinem Alltag, mit meiner Tochter, meiner Frau und meinen Freunden.
Ihr Debüt in der ersten chilenischen Liga fand vor zehn Jahren statt, im Jahre 2006 mit dem Verein Cobreloa. Danach spielten Sie für Universidad de Chile, mit dem Sie den einzigen internationalen Titel dieses Vereins gewann. Sie haben auch die Copa Sudamericana 2011 und die Copa America mit Chile gewonnen. Welche ist die unvergesslichste Erinnerung Ihrer Karriere?
Der unvergesslichste Moment der Copa Sudamericana ist das erste Tor, das ich machte. Ich bekam den Ball und schlug ihn mit dem linken Fuß ins Tor. Das werde ich nie im Leben vergessen. Und als der Schiedsrichter abpfiff und wir alle uns umarmten, das werde ich auch nie im Leben vergessen. In der Copa America war ein von Alexis im Finale verwandelter Elfmeter der Höhepunkt. Ich war schon ausgewechselt worden und saß auf der Bank. Ich wollte nicht hingucken. Ich werde es nie vergessen, als Alexis das entscheidende Tor machte. Wir alle weinten, weil es der bisher einzige Titel ist, den Chile gewonnen hat. Für uns war das Größte, das wir als Team erreicht haben. Alle diese Erinnerungen bewegen mich heute noch.
Sie sind der fünftbeste Scorer in der Geschichte Ihrer Nationalmannschaft. Und Sie sind 26 Jahre alt, also Sie können der beste Scorer werden. Ihr Tor-Durschnitt in der Nationalmannschaft ist wirklich gut. Ihre Zahlen sehen bei den Vereinen aber anders aus. Wie kommt das?
Es ist wahr: Ich treffe immer, wenn ich mit meiner Nationalmannschaft spiele. Aber ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil ich mich gut mit meinen chilenischen Kollegen verstehen kann, weil wir die gleiche Sprache sprechen oder weil wir uns sehr gut kennen. Manchmal fange ich an, darüber nachzudenken, warum ich nicht die gleichen Tore in Europa mache. Aber ich arbeite jeden Tag sehr hart, um diese Situation zu verändern. In der Bundesliga, zum Beispiel, habe ich schon fünfmal die Latte getroffen. Ich habe also auch Pech gehabt. Wenn ich diese fünf Tore gemacht hätte, würde man nicht so über mich reden. Ich versuche jeden Tag hart zu arbeiten, um das Beste aus jedem Spiel zu machen, egal auf welcher Position ich spielen muss.
Bisher haben Sie 23 Spiele für Hoffenheim bestritten, 65 Minuten im Durchschnitt. Wenn Sie diese fünf mehr Tore gemacht hätten, wären Sie zufriedener mit Ihrer Leistung?
Ja, natürlich. Ein Stürmer lebt von Toren. Bisher ist mir mein Spiel leider nicht gelungen, aber, wie gesagt, ich arbeite täglich daran. In jedem Spiel versuche ich alles zu geben und der Mannschaft zu helfen.
Fühlen Sie mehr Druck, wenn Sie kein Tor machen?
Ja, immer.
Wie ist die Beziehung mit so einen jungen Trainer wie Julian Nagelsmann? Er ist nur zwei Jahre älter als Sie…
Es ist sehr komisch. Es ist das erste Mal, dass ich so einen jungen Trainer habe. Aber gut, er ist eine sehr gute Person und auch ein sehr guter Trainer. Er hat das Team nach vorne gebracht. Wir spielen jetzt besser. Und er hat sich mir gegenüber immer sehr gut verhalten.
Von Ihren anderen Trainern, die Sie bisher hatten - Jorge Sampaoli, Rafa Benitez und jetzt Juan Antonio Pizzi in der Nationalmannschaft - was hat Sie am meisten als Fußballer geprägt?
Mit Rafa Benitez habe ich nur trainiert. Er hat mich nie in einem Spiel geführt, weil ich Neapel verlassen wollte. Sampaoli war derjenige, der mich am meisten motiviert hat. Als ich bei Universidad de Chile spielte, hat er mich beim ersten Spiel nicht mitgenommen, weil ich so lustlos trainiert hatte. Dann sprach er mit mir und sagte mir gehörig seine Meinung. Er sagte zu mir, dass ich ein sehr guter Spieler sei und dass ich die Gelegenheit nicht verpassen solle, Profi zu werden. Ich denke, das hat mich richtig motiviert.
Wenn Sie die Spieler oder den Verein auswählen dürften, mit denen Sie in der Zukunft spielen könnten, welche würden Sie dann aussuchen?
Jeder möchte für Barcelona oder Real Madrid spielen. Aber ich glaube, dass ich mich für Barcelona entscheiden würde. Barcelona ist ja der populärste Verein der Welt. Ich würde gerne mit Messi, Neymar oder Bravo spielen. Sie sind alle enorme Fußballer.
Kürzlich sagten Sie, dass Sie gerne mehr spielen würden. Was ist, wenn Sie in Hoffenheim nicht mehr Einsatzminuten bekommen? Werden Sie versuchen, Hoffenheim zu verlassen oder werden Sie probieren, diese Situation im Training zu ändern?
Ich glaube, ich sollte abwarten und gucken, was die nächste Saison bringen wird. Wir haben noch ein Paar Spiele, bevor diese Saison zu Ende geht. Mal sehen, ob der Trainer mir mehr Chancen gibt oder nicht. Und wenn ich eine bessere Option für das nächste Jahr bekommen sollte, dann würde ich sie noch mit meiner Familie besprechen.
Eduardo Vargas, geboren im November 1989 in Santiago de Chile, spielt seit Sommer 2015 für die TSG 1899 Hoffenheim in der Fußball-Bundesliga. Zuvor war er in Europa für den SSC Neapel, den FC Valencia und die Queens Park Rangers aktiv. Der Angreifer gewann vor seinem Wechsel mit der Nationalelf Chiles die Copa America und war dabei mit vier Treffern (gemeinsam mit dem Ex-HSV- und Bayern-Profi Paolo Guerrero aus Peru) bester Torschütze.