USA Militärhilfe
8. April 2011Der Jemen war in den vergangenen Jahren eines der Haupt-Operationsgebiete der amerikanischen Terrorismusbekämpfung auf der arabischen Halbinsel. Präsident Ali Abdallah Saleh gilt als einer der wichtigsten Verbündeten der USA. Er hat sein Land für CIA-Aktivitäten bis hin zu US-Militärschlägen gegen mutmaßliche Terroristen bereitwillig geöffnet - vorausgesetzt die Militärhilfe für sein Land floss reichlich. Nun ist sein Land in Aufruhr. Seit Beginn der Unruhen im Jemen sind mehr als 120 Menschen bei Protesten ums Leben gekommen. Immer wieder schießen Scharfschützen des Regimes auf unbewaffnete Demonstranten. Saleh weigert sich, die Macht abzugeben.
Umdenken in Washington
US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte noch vor wenigen Wochen apodiktisch erklärt, niemand solle sich in die inneren Angelegenheiten des Jemen einmischen. Doch am Dienstag dieser Woche (05.04.2011) verurteilte Präsidentensprecher Jay Carney "den Einsatz von Gewalt durch die jemenitische Regierung gegen Demonstranten in Sanaa, Taes und Hodeida" auf das Schärfste. Als Verbündeter im Anti-Terrorkampf hat Saleh offenbar ausgedient. Carney wörtlich: "Unsere Position in der Zusammenarbeit mit der Regierung des Jemen in der Terrorismusbekämpfung lässt sich nicht an einer Person festmachen. Das sollte auch nicht so sein. Wir sind natürlich besorgt, dass die politischen Unruhen von der Al Kaida und anderen Gruppen insofern ausgenutzt werden, indem sie das Machtvakuum zu füllen versuchen." Washington besteht auf einem politischen Dialog und in den Worten des Präsidentensprechers darauf, dass der politische Wandel "jetzt beginnt."
Keine neue Militärhilfe
Dass man Saleh in Washington inzwischen hat fallen lassen, wird auch dadurch deutlich, dass im Entwurf für den Verteidigungshaushalt keine Militärhilfe mehr für den Jemen vorgesehen ist. Noch im Haushaltsjahr 2010 hatte das Pentagon 150 Millionen US-Dollar für Training und Ausrüstung der jemenitischen Sicherheitskräfte zur Verfügung gestellt. 2009 hatte die Regierung in Washington das arabische Land mit 67 Millionen Dollar unterstützt. Der Jemen war nach dem vereitelten Attentat auf ein Passagierflugzeug auf dem Weg nach Detroit an Weihnachten 2009 verstärkt ins Blickfeld der Terrorfahnder geraten. In Europa hatten knapp verhinderte Anschläge mit Paketbomben aus dem Jemen an Bord von Frachtflugzeugen im Oktober 2010 für zusätzliche Aufregung gesorgt. Vor dem Hintergrund der politischen Unruhen im Jemen sorgen sich nicht nur die USA, dass mit dem Machtverlust Salehs und der politischen Fragmentierung des Landes auch die Terrorgefahr erneut wachsen könnte.
Terrorbekämpfung einmal anders
Der Terrorspezialist und Buchautor Jeremy Scahill hat den Jemen kürzlich bereist. Er hält das rein militärische Vorgehen der USA vor Ort für den eigentlichen Fehler: "Natürlich ist es Besorgnis erregend, wenn Flugzeugattentate vor dort ausgehen. Aber dadurch entsteht noch keine strategische Bedrohung für die USA. Die Obama-Regierung hat allerdings im Jemen, bildlich gesprochen, einen Hammer eingesetzt, wo ein Skalpell angemessen gewesen wäre."
Die US-Regierung hat in der Vergangenheit sogar Tomahawk Raketen eingesetzt, um mutmaßliche Terrorziele auszuschalten. Dabei sollen auch Zivilisten getötet worden sein. Scahill hält dabei die Präsenz von Al Kaida im Jemen für überschätzt: "Auf der ganzen arabischen Halbinsel dürfte es kaum mehr als 300 bis 600 harte Al Kaida-Mitglieder geben."
Der Jemen ist eines der ärmsten Länder in dieser Region. Die Wasserreserven des Landes werden bald aufgebraucht sein. Deshalb stellen Sicherheitsexperten den rein militärischen Charakter der Anti-Terrorbekämpfung im Jemen verstarkt in Frage.
Fragile staatliche Strukturen begünstigen Terror
Für Fawaz Gerges, Nahostspezialist von der London School of Economics, ist der Jemen gerade wegen seiner unterentwickelten Strukturen und seiner fragilen politischen Lage zum Rückzugsgebiet für Terroristen geworden: "Al Kaida konnte im Jemen wegen der vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen, ethnischen und politischen Spaltungen Fuß fassen. Al Kaida ist dabei noch das kleinste der Probleme des Jemen: Das Land scheint auseinander zu fallen."
Bisher haben vor allem die Stämme im Süden des Jemen Al Kaida Schutz geboten. Das geschah weniger aus ideologischer Überzeugung, sondern war Teil ihrer Auseinandersetzung mit der Zentralregierung in Sanaa, sagt Gerges. Könnte man sie vom Nutzen einer Kooperation überzeugen, gäbe es die Terrorgruppe dort seiner Ansicht nach nicht mehr. Überlegungen, die man in Washington bei den Planungen für eine Post-Saleh-Zeit im Jemen nun offenbar stärker berücksichtigen will.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Matthias von Hein/tko