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Berlin wird weiter belauscht

14. Januar 2014

Steht das Geheimdienstabkommen zwischen Deutschland und den USA kurz vor dem Scheitern? Medienberichten zufolge Ja. Washington will deutsche Politiker weiterhin überwachen. Kompromisse sind nicht in Sicht.

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Yes-we-scan-Plakate bei einer Demonstration gegen das Programm Prism (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die wegen der NSA-Affäre gestarteten Verhandlungen über ein Geheimdienstabkommen zwischen Deutschland und den USA stehen einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" und des Senders "Norddeutscher Rundfunk" (NDR) zufolge kurz vor dem Aus. Die Bundesregierung habe kaum noch Hoffnungen auf eine substanzielle Vereinbarung, berichteten beide Medien. "Wir kriegen nichts", zitierte das Blatt aus deutschen Verhandlungskreisen. Demnach verweigern die USA sogar die Zusage, künftig keine deutschen Regierungsmitglieder und politischen Amtsträger mehr abzuhören.

USA wollen Berlin weiter ausspionieren

In den vergangenen Monaten hatte das Weiße Haus die deutschen Hoffnungen auf ein weitreichendes No-Spy-Abkommen bereits gedämpft. Vertreter der Regierung von Präsident Barack Obama ließen durchblicken, dass die US-Geheimdienste ein gegenseitiges Überwachungsverbot nicht ernsthaft in Erwägung zögen. Die "New York Times" berichtete dann im Dezember, Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice habe Berlin wissen lassen, dass Washington auf keinen Fall einen Präzedenzfall schaffen wolle. Wenn Deutschland eine Sonderbehandlung durch die NSA bekäme, werde dies auch bei anderen Staaten Begehrlichkeiten wecken.

Laut "Süddeutscher Zeitung" und NDR sind die US-Geheimdienste offenbar zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Demnach weigern sich die USA beispielsweise weiterhin mitzuteilen, seit wann das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgespäht wurde. Washington gebe auch keine Auskunft darüber, ob weitere deutsche Spitzenpolitiker abgehört wurden oder abgehört werden. Forderungen des Verfassungsschutzes, deutschen Experten Zutritt zu einer vermuteten Abhörstation von US-Geheimdiensten im Obergeschoss der Botschaft am Pariser Platz in Berlin zu gewähren, lehnen die USA demnach ab.

Washington am längeren Hebel

Beim Bundesnachrichtendienst (BND), der mit den Verhandlungen beauftragt ist, herrsche große Enttäuschung. BND-Präsident Gerhard Schindler soll intern erklärt haben, bei diesem Stand lieber auf ein Abkommen zu verzichten, als es zu unterzeichnen. Nach ersten positiven Signalen habe Berlin eigentlich mit einem schnellen Abschluss der Verhandlungen gerechnet, schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Mit der US-Seite seien im August mündlich "Zusicherungen" verabredet worden, nach denen es "keine gegenseitige Spionage, keine wirtschaftsbezogene Ausspähung und keine Verletzung des jeweiligen nationalen Rechts" geben dürfe. "Die Amerikaner haben uns belogen", zitierte die Zeitung einen ranghohen deutschen Beamten.

Die Regierung in Berlin wollte den Bericht nicht kommentieren. "Die Bundesregierung ist in Gesprächen mit den US-Partnern, um die Zusammenarbeit unserer Dienste auf eine neue Grundlage zu stellen", sagte eine Sprecherin. Diese vertraulichen Gespräche dauerten an. In der vergangenen Woche hatte Präsident Obama nach monatelanger offizieller Funkstille Kanzlerin Merkel angerufen und die Kanzlerin nach Washington eingeladen. Merkel nahm die Einladung an. Im Kanzleramt hofft man den Medienberichten zufolge, "in den nächsten drei Monaten" doch noch ein Abkommen "hinzubekommen".

Folgen der Snowden-Enthüllungen

Anders als Deutschland hat Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy nun erklärt, er halte die bisherigen Erläuterungen der USA zu den Spähprogrammen des Geheimdienstes NSA für ausreichend. Sein Land habe eine "zufriedenstellende" Erklärung erhalten, sagte Rajoy nach einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington. Die Regierungen beider Länder hätten sich in dieser Angelegenheit "vollständig" beraten.

Für die einen ein Verräter, für die anderen ein Held

Seit Juni kamen durch die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden eine Reihe von Spähaktivitäten der NSA und verbündeter Geheimdienste ans Licht. So hörte die NSA nicht nur Merkel und andere Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, sondern spionierte massenhaft E-Mails und Telefonate auch von völlig unverdächtigen Bürgern rund um die Welt aus. Vor allem in Deutschland löste das Ausmaß der NSA-Überwachung Empörung aus.

nis/mak (dpa, afp)