"USA werden nicht weniger protektionistisch"
7. November 2018Deutsche Welle: US-Präsident Trump hat in der Handelspolitik bisher auf Konfrontation gesetzt und per Dekret Zölle verhängt - auf Stahl und Aluminium-Importe aus Europa, vor allem aber gegen chinesische Waren. Wird das Wahlergebnis daran etwas ändern können?
Dennis Snower: Trump wird nicht so uneingeschränkt handeln können. Die Demokraten können das blockieren, weil sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass die USA weniger protektionistisch werden. Denn die Demokraten sind den Republikanern in der Handelspolitik bisher gefolgt und daher ist meines Erachtens nach keine große Liberalisierung zu erwarten.
Die Europäer und insbesondere die Deutschen fürchten ja immer noch, dass Trump europäische Autos mit Strafzöllen belegen könnte. Wird das durch die neuen Mehrheitsverhältnisse nun weniger wahrscheinlich?
Vielleicht, aber nicht unbedingt. Trump hat bisher immer unplausible Sachen angekündigt und dann auch getan. Und daher ist, glaube ich, seine Drohung ernst zu nehmen. Die Demokraten werden intern entscheiden müssen, in welche Richtung sie gehen. Mehr nach innen gerichtet oder nach außen aufgeschlossen. Beide Strömungen gibt es in der Demokratischen Partei und sie ist sich derzeit uneinig.
Trump hat ja einige Länder unter Druck gesetzt, um bestehende Handelsabkommen neu zu verhandeln, etwa Mexiko und Kanada. Kann er diesen Kurs unter den neuen Mehrheitsverhältnissen weiterführen?
Er kann ihn auf jeden Fall weiterführen. Amerika nutzt jetzt seine Macht aus, um andere Länder in die Enge zu treiben. Und weil Amerika ein wichtiger Handelspartner für viele Länder ist, gelingt das auch. Es entspricht natürlich nicht dem Status einer Weltmacht, die auch ordnend für die Weltwirtschaft auftreten soll. Aber Trump scheint nicht viel von dieser Verantwortung zu halten. Und die Demokraten in ihrer jetzigen Stimmung scheinen sich auch viel mehr mit sich selbst und Amerika zu befassen, als der Stellung Amerikas in der Außenwelt viel Bedeutung beizumessen.
Steigende Staatsschulden in Boomphase "sind unerhört"
Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus entscheiden ja nicht zuletzt über den amerikanischen Bundeshaushalt und damit auch über Steuern und andere Mittel, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Die US-Wirtschaft wächst derzeit sehr stark. Wird das so bleiben?
Das wird wahrscheinlich nicht so bleiben. Die Demokraten werden verhindern, dass die Wirtschaft in dieser Weise angekurbelt wird, also hauptsächlich durch Steuersenkungen für Unternehmen. Sie werden auch nicht den Kurs mitmachen, dass besonders reiche Menschen mehr begünstigt werden als die Armen. Das bedeutet, dass es Unstimmigkeiten geben wird und daraus lässt sich wenig schließen.
Trump wird es nicht so einfach haben, mit seinem Modell weiterzumachen. Sein Modell war auf jeden Fall nicht nachhaltig. Daher ist in den Köpfen der Investoren, und ich glaube auch in den Köpfen der Konsumenten, zweierlei los: Kurzfristig brummt die Wirtschaft, das muss man ausnutzen. Aber auf lange Sicht ist diese Entwicklung einfach nicht nachhaltig. Es ist unerhört, dass die Staatsschulden steigen, in einer Zeit, in der die Wirtschaft wirklich Gas gibt. Das dürfte nicht sein und kann langfristig nicht so weiter gehen.
Deswegen werden die mittel- bis längerfristigen Sorgen steigen. Bei den Einbrüchen am Aktienmarkt, die wir vor kurzem gesehen haben, hat man diese Sorgen wahrgenommen. Ich glaube, dass Trump seine Politik nicht in dieser Weise weiterführen wird. Die riesigen Sorgen über die langfristige Nachhaltigkeit der amerikanischen Wirtschaft werden etwas abnehmen. Trotzdem bleibt die Unsicherheit sehr groß.
Zusammengefasst: Wird Präsident Trump nun zwangsweise etwas gemäßigter auftreten oder macht er im Ton einfach weiter wie bisher?
Ich bin überzeugt: Er wird im Ton so weitermachen wie bisher. Ich glaube nicht, dass er seine Politik ändern wird. Es wird einfach zu größeren Konflikten kommen und die Demokraten und Republikaner werden sich gegenseitig beschuldigen, dass nichts weitergeht. Daher sollte die Welt derzeit nicht davon ausgehen, dass Amerika als größte wirtschaftliche Macht Ordnung in die Weltwirtschaft bringt.
Das Interview führte Andreas Becker.
Der US-Ökonom Dennis Snower ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.