Wettrennen
11. November 2013Business As Usual ist noch Zukunftsmusik. Doch für die Geschäftswelt auf beiden Seiten des Verhandlungstischs hörte es sich gut an, was US-Präsident Barack Obama zu sagen hatte: Washington könne dem Iran eine moderate Lockerung der Sanktionen in Aussicht stellen, so der Präsident, der sogleich einschränkte: Die Sanktionsarchitektur bleibe bestehen. Solange, bis sicher sei, dass der Iran sich auch an die Spielregeln halte. "Wir können es testen und brauchen derweil noch keine Sanktionen abbauen", so Obama.
Doch gerade das wäre nötig - und zwar je eher desto besser - meint der Direktor der unabhängigen Organisation National Iranian American Council, Trita Parsi: "Die größte Gefahr ist, dass der Westen die Sanktionen zu langsam lockert", so der Gründer der Organisation, die die Interessen der in den USA lebenden Iraner vertritt. "Dadurch bekämen die Iraner den Eindruck, dass der Westen seine Versprechen nicht erfüllt. Und das könnte die Verhandlungen zum Scheitern bringen."
Auch Geschäftsleute scharren bereits mit den Füßen. "Soweit ich weiß, streckt der Iran bereits seine Fühler in der amerikanischen Geschäftswelt aus", so der Iranexperte des Nahost-Instituts in Washington, Alex Vatanka. "Die Hoffnung ist, dass die amerikanischen Lobbyisten dann die iranischen Offerten den Regierungsvertretern nahebringen und damit argumentieren, dass die Sanktionen aufgehoben werden müssen, damit der Handel beginnen kann."
Harte Strafen
Die Strafen, die Washington gegen den Iran verhängt hat, währen bereits zum Teil seit über 30 Jahren. Wegen angeblicher Unterstützung von Terroristen und dem Streben nach Massenvernichtungswaffen ließ Präsident Bill Clinton 1995 ein Handelsembargo folgen. Unter Obama wurden die Handelssperren verschärft. Seit 2011 gelten etwa US-Sanktionen gegen die petrochemische Industrie.
Nun nehmen die Bosse amerikanischer Ölgiganten nach US-Medienberichten wieder Tuchfühlung auf. Den Berichten zufolge trafen sie Irans Ölminister Bijan Zanganeh am Rande der jüngsten UN-Vollversammlung in New York. Die Aufnahme der Ölförderung im Iran wollen sie nicht den europäischen Konzernen Shell oder Total überlassen. Zanganeh seinerseits schätzt, dass eine Lockerung der Sanktionen seinem Land allein durch Ölexporte knapp 55 Milliarden Dollar einbringen kann.
Der iranische Markt, meint Experte Vatanka, sei nicht nur für Öl- und Gaskonzerne sehr lukrativ. Geld könne zum Beispiel auch in der Flugzeug- oder Telekommunikations-Industrie gemacht werden. Oder mit vielen westlichen Konsumgütern, die die Iraner begierig aufnehmen würden, Autos etwa.
So bringt sich auch General Motors bereits in Startposition. Wie der französische "Figaro" berichtete, will der Autobauer aus Detroit mit dem iranischen Fahrzeugkonzern Khodro kooperieren. Damit würde er das französische Unternehmen Renault aus dem Markt drängen. Die Logik in Teheran spielt den US-Firmen in die Hände, meint Vatanka. Zwar würden "große Firmen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Italien immer einen Fuß im Iran haben", so Vatanka, doch Teherans Priorität ist es zunächst, so viele amerikanische Firmen wie möglich zurück ins Land zu bringen. Vor allem ziele der Iran auf solche Firmen, die dort bereits vor der Revolution 1979 Handel in großem Stil betrieben haben. "Die Hoffnung ist, dass diese Firmen, die im Iran Geld verdienen können, in Washington ein Gegengewicht zu den Lobbyverbänden darstellen, die gegen den Iran arbeiten", so Vatanka.
Das Wettrennen beginnt
Nicht nur bei den Autos hat das Wettrennen begonnen. Mit knapp 80 Millionen Menschen bietet der Iran den größten Konsumentenmarkt im Nahen Osten. Europäer wie Amerikaner positionieren sich bereits, um ihre Anteile an dem Milliardenkuchen zu sichern, der winkt, sollten die Sanktionen eines Tages tatsächlich fallen. Doch die Europäer könnten den Kürzeren ziehen, denn sie haben den Iran enttäuscht, meint Vatanka.
Der Iran habe das Gefühl, sich in der Vergangenheit die Finger verbrannt zu haben, "weil sie dachten, es gäbe einen Unterschied im Handel mit den Europäern oder den Amerikanern. Sie fühlen, dass die Europäer ihnen unter der Führung der Amerikaner den Rücken zugekehrt und keinen eigenen Weg eingeschlagen haben", sagt Vatanka. "Also ist die Frage in Teheran: Warum sollen wir glauben, dass die Europäer uns nutzen, wenn die einzige Macht, die uns politisch oder in Atomfragen oder anderweitig nutzt, die USA sind?"
Ob das tatsächlich so ist, muss sich noch herausstellen. Im US-Kongress mehren sich bereits die Stimmen, die die Sanktionsschrauben gegen den Iran weiter anziehen wollen. Das, so warnt nicht nur das Weiße Haus, würde alle Chancen auf eine Einigung im Atomstreit zunichtemachen.