USA in Sorge wegen Griechenland
30. Juni 2015Barack Obama hat zum Telefonhörer gegriffen. In Gesprächen mit den französischen und deutschen Regierungschefs Hollande und Merkel wies der US-Präsident darauf hin, wie wichtig es sei, Griechenland in der Eurozone zu halten.
Sollte Griechenland diese Woche zahlungsunfähig werden, wird dies zwar - den meisten Berechnungen zufolge - die US-Wirtschaft nicht allzu schwer treffen. Allerdings ist der Dow Jones zu Beginn dieser Woche um zwei Prozent gefallen - es ist der größte Verlust seit zwei Jahren.
Axel Merk ist Präsident des in San Francisco ansässigen Unternehmens Merk Investments. Er glaubt, ein Zahlungsausfall könnte als heilsamer Weckruf an nachlässige Investoren dienen. Diese mussten bei Investitionen in Griechenland durch die Interventionspolitik der Zentralbanken in den vergangenen Jahren kein Risiko tragen.
"Das heißt, dass man den griechischen Zahlungsausfall mit der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 nicht vergleichen kann. Damals bestand die Gefahr, dass das Finanzsystem zusammenbrechen könnte", sagt Merk im Interview mit der Deutschen Welle. "Aber jetzt haben wir eine ganz andere Situation als im Jahr 2008 oder auch 2012 in der Eurozone."
Geringe ökonomische Auswirkungen der Krise auf die USA
Seit 2012 wurden in der Eurozone wichtige strukturelle Reformen umgesetzt. Den größten Teil der griechischen Schulden tragen nun supranationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die Europäische Union.
Darum bestehe nur ein geringes Risiko, dass der finanzielle Zusammenbruch Griechenlands die Eurozone durchbreche und dann über den Atlantik springe, so Merk. In den USA sorgt man sich aus anderen Gründen um Griechenland.
So hat sich das Land während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien als stabilisierende Kraft erwiesen. Ebenso ist es eine bedeutende Drehscheibe für Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und Syrien. Sollte Griechenland finanziell zusammenbrechen und die Eurozone verlassen, könnte eine zentrale strategische Transitregion instabil werden.
Sorgen wegen Russland
Ebenso sorgt man sich, dass sich Griechenland wegen finanzieller Unterstützung an Moskau wenden und so die westlichen Anstrengungen unterlaufen könnte, eine gemeinsame Front zu bilden gegen die russische Intervention in der Ukraine.
Wladimir Putin hat Griechenland bereits finanzielle Unterstützung im Austausch für eine durch Griechenland führende Gaspipeline angeboten. Bislang hat die Syriza-Regierung das Angebot noch nicht angenommen.
"Griechenland befindet sich in einer gefährlichen Nachbarschaft", sagt Douglas Rediker, US-Repräsentant beim IWF von 2010 bis 2012, im Gespräch mit der DW. "Einer der großen Vorzüge der Aufnahme Griechenlands in die EU und in die Eurozone war es, Griechenland näher an Kerneuropa zu binden."
Politisch hat Washington in dieser Krise nur eingeschränkte Möglichkeiten. Über ihre entscheidende Rolle beim IWF können die USA aber indirekten Einfluss in der Griechenland-Krise nehmen, analysiert Rediker. Washingtons Position ist mit dem IWF eng abgestimmt - beide verfolgen einen gemäßigten Austeritätskurs.
IWF ist Freund und Feind zugleich
"Der IWF hat sich deutlich für einen teilweisen Schuldenerlass durch die Europäer ausgesprochen", sagt Rediker. "Insofern ist der IWF für die griechische und die übrigen europäischen Regierungen Freund und Feind zugleich."
Vermutlich werden die USA aber auf Verlautbarungen verzichten, die es den Europäern schwerer machen könnten, die Krise auf ihrem Kontinent zu lösen.
"Sie sagen ein paar nette Worte, ansonsten schauen sie sich das Theater an", so umreißt Merk die amerikanische Rolle. "Natürlich haben die USA Interesse an einer stabilen europäischen Wirtschaft. Aber sie können nicht darüber entscheiden, wie die Griechen ihre Geschäfte führen wollen".