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Politik

USA drohen Strafgerichtshof mit Sanktionen

12. Juni 2020

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag will wegen möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan auch gegen US-Sicherheitskräfte ermitteln. Die US-Regierung läuft dagegen Sturm und verschärft nun die Gangart.

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Eingang des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Belgien
Neue Zielscheibe für Donald Trump: der Internationale Strafgerichtshof in Den HaagBild: picture-alliance/AP Photo/P. Dejong

Die US-Regierung will Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag bei Ermittlungen gegen US-Sicherheitskräfte mit Sanktionen belegen. US-Präsident Donald Trump genehmigte eine Verfügung, wonach der Besitz der Betroffenen in den USA eingefroren werden kann. Das Weiße Haus teilte mit, der Präsident habe auch die Ausweitung der Visabeschränkungen gegen Mitarbeiter des Strafgerichtshofs und deren Angehörige genehmigt. Die Handlungen des Gerichts stellten einen Angriff auf die Rechte der Amerikaner dar und bedrohten die nationale Sicherheit. Die Vereinigten Staaten würden jede notwendige Maßnahme ergreifen, um Bürger und Verbündete vor ungerechtfertigter Verfolgung zu schützen. Es gebe zudem Hinweise auf "Korruption und Fehlverhalten auf den höchsten Ebenen" der Staatsanwaltschaft des IStGH.

Außenminister Mike Pompeo ergänzte, die Strafmaßnahmen könnten auf die Familienmitglieder der Mitarbeiter ausgeweitet werden. "Wir können und wollen nicht dabei zusehen, wie unsere Leute von einem korrupten Gericht bedroht werden." Pompeo betonte, er habe eine "Botschaft an enge Verbündete auf der ganzen Welt: Eure Leute könnten als nächstes dran sein, besonders die von NATO-Staaten, die Terrorismus in Afghanistan an unserer Seite bekämpft haben".

Justizminister William Barr sagte, bei dem Gericht handele es sich "um wenig mehr als ein politisches Werkzeug". Gegner der USA wie Russland hätten den Strafgerichtshof "manipuliert". Verteidigungsminister Mark Esper erklärte, es liege in der Verantwortung der US-Justiz, gegen Soldaten vorzugehen. US-Soldaten würden "niemals vor dem Internationalen Strafgerichtshof erscheinen".

Ermittlungen seit März erlaubt

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte im März gegen den erbitterten Widerstand der USA den Weg für Ermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan freigemacht.

Die jüngsten Drohungen der USA verurteilte das Gericht scharf und bezeichnete es als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Trotz "Drohungen und Zwangsmaßnahmen" bleibe das Gericht fest entschlossen, sein Mandat unabhängig und unparteiisch auszuführen, erklärte der Gerichtshof. Auch
das UN-Menschenrechtsbüro in Genf kritisierte die USA. Das Gericht müsse ohne Beeinflussung, Druck und Drohung arbeiten können. Die Vereinten Nationen stünden voll hinter dem Gerichtshof. Opfer von Menschenrechtsverletzungen hätten ein Recht auf die Wahrheit. 

Chef-Staatsanwältin Fatou Bensouda hatte beantragt, Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einleiten zu können. Konkret geht es um Vorwürfe gegen die radikalislamischen Taliban und afghanische Regierungstruppen, aber auch um mögliche Verbrechen ausländischer Militärs, insbesondere von US-Soldaten und Angehörigen des US-Geheimdienstes CIA. Zu etwaigen Kriegsverbrechen in geheimen Gefangenen-Einrichtungen der US-Streitkräfte außerhalb von Afghanistan darf die Anklage ebenfalls ermitteln. 

USA lehnen Gerichtshof seit Jahren ab

Das Gericht verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. 123 Staaten haben den Grundlagenvertrag des Gerichtes ratifiziert, die sogenannten römischen Statuten. Die USA sind kein Vertragsstaat des Gerichtshofs und lehnen diesen schon seit Jahren strikt ab.

Die US-Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr mit Gegenmaßnahmen gedroht. Sie hat der Chefanklägerin Bensouda wegen des Streits bereits ihr Visum für das Land entzogen. Die Ermittlungen in Sachen Afghanistan haben inzwischen begonnen. Es gibt aber noch keine konkreten Verdachtsfälle oder Anklagen. Ermittlungen beim Weltstrafgericht ziehen sich in der Regel über Jahre hin. Es ist nicht abzusehen, ob sie in diesem Fall auch zu Haftbefehlen oder einem Prozess führen werden.

Niederlande Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag | Fatou Bensouda
Die Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Fatou BensoudaBild: Getty Images/AFP/E. Plevier

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begrüßte Trumps Schritt. "Dieses Gericht ist politisiert und besessen davon, Jagd auf Israel und die Vereinigten Staaten sowie andere demokratische Staaten zu machen, die Menschenrechte respektieren, ist aber blind gegenüber den schlimmsten Menschenrechts-Verbrechern der Welt, darunter das terroristische Regime in Iran", sagte Netanjahu.

Angriff auf "Herrschaft des Rechts" 

Eine Antwort aus Den Haag kam prompt: Der Internationale Strafgerichtshof prangerte die Strafandrohung aus den USA als Angriff auf die "Herrschaft des Rechts" an. Diese Drohung stelle den "inakzeptablen" Versuch dar, sich in die Arbeit des Gerichts einzumischen, erklärte der IStGH. Das Vorgehen des US-Präsidenten sei auch ein Angriff auf die Interessen von Opfern von Gräueltaten, für welche das Haager Tribunal oft "die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit" verkörpere.

Die Vereinten Nationen zeigten sich von dem Vorgehen der US-Regierung "besorgt". Die Sache werde sehr genau beobachtet, sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres in New York.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte in Brüssel, die Androhung von Sanktionen sei "Anlass für ernsthafte Besorgnis", da die Europäische Union ein "standfester Unterstützer" des Gerichtshofes sei. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte, Trumps Drohung zeige "Geringschätzung für die internationale Rechtsstaatlichkeit". Damit werde "Opfern schwerer Verbrechen in Afghanistan, Israel oder den Palästinensergebieten Gerechtigkeit verwehrt".

kle/cw (dpa, afp, rtr)

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