US-Wahl: Deutschland hofft auf Biden
3. November 2020Der Tiefpunkt der transatlantischen Beziehungen in Donald Trumps Präsidentschaft? Peter Beyer muss nicht lange nachdenken. Im August 2018 sei der erreicht worden, als Donald Trump die Europäer als Feinde bezeichnete. "Da ist einfach eine Grenze überschritten worden", sagt Beyer, Transatlantikkoordinator der Bundesregierung und CDU-Bundestagsabgeordneter, der DW. "Das möchte man von niemandem hören und schon gar nicht vom US-Präsidenten."
Nur einer von vielen Momenten, in denen Präsident Trump durchblicken ließ, was er von Europa, von Deutschland oder von Bundeskanzlerin Angela Merkel hält. In den vier Jahren seiner Amtszeit habe sich zwischen Washington und Berlin viel verändert, sagt Beyer. Besonders, was den Kommunikationsstil angehe. "Wir waren eigentlich gewohnt, dass man Dinge miteinander abspricht. Da mussten wir viel lernen." Etwa, als Trump ankündigte, US-Truppen aus Deutschland anzuziehen. "Das haben wir durch einen Zeitungsartikel im Wall Street Journal erfahren und dann herrschte eine ganze Woche lang Schweigen", so Beyer. "Da kam nichts weiter."
Trump laut, Merkel leise
Auch das persönliche Verhältnis zwischen Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint gestört. Der Immobilienhändler und die Physikerin unterscheiden sich nicht nur im Stil - er laut, sie leise - auch politisch liegen sie meilenweit auseinander. Sei es beim Klimaschutz, beim Welthandel, der Flüchtlingspolitik oder zuletzt in der Corona-Krise. Selten dürfte man in Berlin einen Machtwechsel in Washington so herbeigesehnt haben wie derzeit.
Das gilt nicht nur für die politische Klasse. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey wünschen sich nur etwa 13 Prozent der Deutschen eine zweite Amtszeit von Präsident Trump. Allein die Anhänger der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) halten mehrheitlich zu Trump. Mehr als zwei Drittel von ihnen hoffen auf einen Sieg des Amtsinhabers. Doch die AfD-Anhänger sind eine Minderheit.
Die Fassade bröckelt
"Jeder vernünftige Mensch hofft auf einen Sieg Bidens am 3. November", sagt Johannes Kindler. Der 74-Jährige hat die goldenen Zeiten der deutsch-amerikanischen Freundschaft erlebt. Er war Regierungsberater im Bundeskanzleramt, als die US-Präsidenten noch Reagan, Bush und Clinton hießen. Heute ist er mit dem Fahrrad zur ehemaligen US-Siedlung in Bonn geradelt. Die Straßen sind hier breiter als im Rest der Stadt, benannt nach John F. Kennedy und Martin Luther King. Es gibt eine Kirche im nordamerikanischen Kolonialstil, ein Baseball- und ein Footballfeld. Nach dem Krieg residierten hier, in der damaligen Hauptstadt der Bundesrepublik, Offiziere und Botschaftsmitarbeiter. Aus der Besatzung wurde eine Beziehung.
Kindler spielte Tennis mit Freunden aus Übersee, war zu Gast im amerikanischen Club, einem Flachdachbau mit Blick auf den Rhein. Wenn er heute mit dem Fahrrad daran vorbeifährt, hat er ein Sinnbild für den Niedergang der deutsch-amerikanischen Beziehungen vor Augen. Das Gebäude, in dem einst John F. Kennedy und Ronald Reagan zu Gast waren, ist verfallen. Graffiti prangt an den Wänden, die Türen sind mit Holz verrammelt. 1999 gaben die Vereinigten Staaten die Siedlung in Bonn auf, Berlin war wieder Hauptstadt.
Deutschland ist gefordert – so, oder so
"Schlimmer geht's nimmer", sagt Kindler und meint damit nicht den Verfall des Gebäudes, sondern den aktuellen US-Präsidenten. Aber: "Was immer übersehen wird: die Beziehung der Völker ist zwischen den Menschen viel besser als zwischen den Regierungszentralen." Auch heute zählt Kindler noch viele US-Amerikaner zu seinen persönlichen Freunden. Ist also nur die Fassade eingerissen und das Fundament noch intakt?
"Ich habe die Sorge, dass auch das Fundament oder die Pfeiler dieser transatlantischen Brücke erodiert und angekratzt sind", sagt Peter Beyer von der CDU. Schließlich habe die Welt sich grundsätzlich verändert. "Das ist das, was wir vielleicht zu lange nicht sehen wollten, weil es anstrengend ist. Es war ja immer so bequem in den letzten Jahrzehnten, sich unter dem Schutzschirm der Amerikaner auszubreiten und hier ein gutes Leben zu führen. Das geht so nicht mehr". Unter einem Präsidenten Biden würde die Kommunikation mit Washington sich sicher verbessern. Doch auch er würde von den Deutschen mehr Eigenverantwortung einfordern, meint Beyer, etwa mit Blick auf die Verteidigungsausgaben. "Die Anforderungen der USA an uns würden mindestens ebenso hoch sein wie unter Donald Trump."
Green Deal mit Biden?
Das meint auch Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. "Die Konflikte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind europäische Konflikte. Auch mit einem demokratischen Präsidenten werden wir dafür in Zukunft selbst verantwortlich sein", sagt Brantner im Gespräch mit der DW. "Deshalb müssen wir unsere deutsche Außenpolitik endlich europäisch definieren. Wir müssen die europäischen Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen, damit wir überhaupt noch handlungsfähig sein können als Deutsche und Europäer." Bleibe Trump im Amt, dann gelte das umso mehr.
Bei einem Thema jedoch setzt Brantner voll auf Biden: beim Klimaschutz. Während Donald Trump den menschengemachten Klimawandel immer wieder in Zweifel zieht, will sein Herausforderer die USA bis 2050 klimaneutral machen. "Ich habe wirklich die Hoffnung, dass das Pariser Klimaschutzabkommen wieder gestärkt wird", so Brantner. "Dass man vielleicht sogar einen transatlantischen Green Deal auf die Beine gestellt bekommt, gemeinsam in Technologien investiert, gemeinsame Standards setzt mit Blick auf den CO2-Ausstoß."
Zurück in die Zukunft
Unter dem Motto "Wunderbar together" hat das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr die deutsch-amerikanische Freundschaft gefeiert. Und dabei viel zurückgeblickt. Denn die USA, das war mal eine Verheißung. Zur Zeit der Auswanderung als gelobtes Land für Millionen bettelarmer Deutscher. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorbild für Freiheit, Wohlstand und Fortschritt. 1990 als die Nation, die die deutsche Einheit ermöglichte. Ob auch die Zukunft wunderbare Gemeinsamkeiten bringt? Viel wird davon abhängen ob der nächste Mann im Weißen Haus Deutschland als Gegner sieht oder als Partner.