USA erwägen völkerrechtlichen Drahtseilakt
2. Februar 2015Einem Bericht der "New York Times" zufolge könnte die Ukrainepolitik von USA und NATO vor einem Kurswechsel stehen. Demnach wird geprüft, ob man die ukrainischen Regierungstruppen künftig auch mit Waffenlieferungen im Kampf gegen die russischstämmigen Separatisten in der Ost-Ukraine unterstützt.
Wenn man einen umfassenden Ansatz zur Lösung des Konflikts diskutiere, müsse das laut einem Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums zumindest erwogen werden. Bisher beschränken sich Hilfslieferungen der USA auf "nicht-tödliche Unterstützung", also vor allem Nahrungsmittel und Medikamente.
UN-Sicherheitsrat muss zustimmen
Doch die nun erwogenen Waffenlieferungen wären völkerrechtlich nur schwer zu rechtfertigen, sagt der in Genf lebende US-Politologe Daniel Warner im DW-Gespräch: "In einen internen Konflikt dürfen ausländische Mächte nur eingreifen, wenn er eine Bedrohung für die internationale Sicherheit und den Frieden darstellt."
Nach internationalem Recht könnten USA oder Nato Waffenlieferungen nur dann legitimieren, wenn sie vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nachweisen, dass ein akuter Notfall vorliegt oder die nationale Regierung das Eingreifen ausdrücklich erbeten hat.
Eine zweite Möglichkeit bestünde laut Warner darin, die Ukrainekrise als internationalen Konflikt zu klassifizieren. Aber auch dann bräuchten USA und Nato die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. "Und die würde Russland als Veto-Macht natürlich verweigern."
Westen in der Beweispflicht
Um Waffenlieferungen an die ukrainischen Regierungstruppen international zumindest zu legitimieren, müssten die USA Beweise vorlegen, dass Russland seinerseits Waffen an die Separatisten liefert. "Dann könnte man mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel argumentieren", sagt Warner.
Dieser Beweis liegt aber bisher ebenso wenig vor wie der, dass westliche Länder aktiv in die ukrainische Innenpolitik eingegriffen hätten, wie Moskau behauptet. Beide Vorwürfe stehen seit Beginn der Ukrainekrise im Raum.
Die mutmaßliche Unterstützung der Separatisten aus Moskau ist ein Grund für die seit Monaten anhaltenden Wirtschaftssanktionen von EU, USA und weiteren Nato-Ländern gegen Russland.
Angesichts der unveränderten Lage hat die EU die Sanktionen gerade erst um weitere sechs Monate verlängert. In Kombination mit dem niedrigen Ölpreis leidet die russische Wirtschaft massiv unter den Handelseinschränkungen.
Merkel schließt deutsche Waffenlieferungen aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Montag (02.02.2014), dass sie deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine ausschließe und appellierte erneut an die Konfliktparteien, den Waffenstillstand widerherzustellen, wie er im Minsker Friedensplan vereinbart wurde. Der Konflikt könne nicht militärisch gelöst werden, so die Kanzlerin.
Doch auch eine diplomatische Lösung ist nicht in Sicht. Am vergangenen Wochenende wurden weitere Friedensgespräche in der weißrussischen Hauptstadt abgebrochen, nachdem es zu schweren Gefechten in der Ostukraine gekommen war.
Der bewaffnete Konflikt im Osten der Ukraine zwischen Regierungstruppen und Separatisten hat seit seinem Ausbruch im April 2014 mehr als 5000 Menschenleben gefordert. Rund 900.000 Menschen haben laut UN ihre Heimat verloren.