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US-Strategien am Hindukusch

Said Musa Samimy15. Juni 2004

Beim Treffen mit Präsident Bush drängte der afghanische Präsident Karsai auf weitere Unterstützung für das Land. Im Gegensatz zu früher ist Afghanistan für die USA auch nach dem Krieg weiter von großer Bedeutung.

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Stein auf Stein: schleppender Wiederaufbau in AfghanistanBild: AP


"Ich zünde meine amerikanischen Zigaretten mit sowjetischen Streichhölzern an." In diesem prägnanten Satz des einstigen Ministerpräsidenten Afghanistans, Mohammad Daud, spiegelt sich eine ganze Epoche: In den strategischen Überlegungen der USA hat Afghanistan erst nach dem Zweiten Weltkrieg und im Kontext des "Kalten Krieges" gegen die Sowjetunion eine Rolle gespielt. Obwohl sich beide Supermächte feindlich gegenüber standen und vor allem die Sowjetunion in Afghanistan intensiv engagiert war, bemühten sich beide Staaten friedlich um die Überwindung der ökonomischen Rückständigkeit des Landes am Hindukusch.

Chaos statt Koexistenz

Nach der sowjetischen Invasion im Dezember 1979 fiel Afghanistan in die Machtsphäre des Moskauer Imperiums. Mit politischer Solidarität, militärischer Hilfe für die Mujahedin und einer Finanzspritze von vier Milliarden Dollar unterstützten die USA den Widerstand der Afghanen gegen die sowjetische Besatzungsmacht. Nach zehn verlustreichen Jahren zogen die sowjetischen Truppen schließlich ab. Michael Gorbatschow bezeichnete Afghanistan als "blutende Wunde". Er war es auch, der nach langen Verhandlungen mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan für einen geordneten Rückzug sorgte. Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und dem abrupten Ende des Kalten Krieges ließ auch das Interesse der USA an Afghanistan merklich nach.

Die USA wollten sich lediglich den Zugang zu den Öl- und Gasquellen in den mittelasiatischen Republiken rund ums Kaspische Meer sichern – was dazu geführt hat, dass Washington das politische Feld internationalen Öl-Konzernen überlassen hat. Afghanistan wurde ohne Perspektive buchstäblich im Stich gelassen. Nach der Machtübernahme der Mujahedin 1992 versank das Land im Chaos. Mit stillschweigender Zustimmung der USA wurden die Taliban als "Ordnungsmacht" installiert und geduldet. Initiiert von Pakistan und unterstützt von Saudi-Arabien konnten die rückständigen Milizen ihre Machtsphäre am Hindukusch systematisch ausweiten. Mit der Rückkehr von Osama Bin Laden, dem Chef der El Kaida, aus seinem sudanesischen Exil nach Afghanistan wurde der fatale Fehler dieser Politik deutlich: Afghanistan entwickelte sich zur Brutstätte des internationalen Terrorismus.

Kampf dem Terror

Die Terroranschläge des 11. September 2001 in New York und Washington haben die politische Landschaft der internationalen Gemeinschaft und damit den strategischen Stellenwert Afghanistans grundlegend verändert. Die intensive Zusammenarbeit der Taliban-Milizen mit dem Terrornetz von El Kaida auf afghanischem Territorium bewirkte, dass die militärische Infrastruktur der Taliban und die Verstecke der El Kaida in afghanischen Schluchten und Steppen zur militärischen Zielscheibe der USA wurden.

Nach der Vertreibung der Taliban aus den afghanischen Städten und der Zerstörung der Verstecke des El-Kaida- Terrornetzes wurde mit aktivem Engagement der USA und mit Rückendeckung der internationalen Gemeinschaft ein neuer Friedensprozess eingeleitet. Hamid Karsai, Staatspräsident und Vertrauensmann der USA, ist für den geordneten Übergang zu einer demokratisch legitimierten Regierung verantwortlich. Darüber hinaus sind die USA mit über einer Milliarde US-Dollar am wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes beteiligt. 12.000 US-Soldaten sind am Hindukusch stationiert. Die Präsenz der US-Truppen ist jedoch umstritten. Skeptische "Nationaldemokraten" befürchten, dass Afghanistan ein militärischer Stützpunkt der USA werden könnte. Aber ohne die Unterstützung der USA und der internationalen Gemeinschaft würde Afghanistan über kurz oder lang wieder komplett im Chaos versinken.