Deutsche Firmen in Russland verunsichert
12. Oktober 2018Verschärft die USA ihre Sanktionspolitik gegenüber Russland? Allein schon die Spekulation darüber wirkt sich negativ auf die Wirtschaft aus. "Diejenigen, die in Russland investieren wollten, halten sich derzeit zurück", sagte Alexej Knelz von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer der Deutschen Welle.
Derzeit haben selbst Experten Mühe, sich einen Überblick über bestehende oder sich anbahnende Sanktionsmaßnahmen zu verschaffen. Vereinfacht gesprochen stehen in den kommenden Wochen zwei Entscheidungen an. So diskutiert seit Anfang September der US-Kongress über die Verschärfung bestehender Sanktionen.
Moskau soll bestraft werden, weil es sich in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen eingemischt habe, was der Kreml in Abrede stellt. Ende Oktober kommt es in Washington wahrscheinlich zur Abstimmung zum "Defending American Security from Kremlin Aggression Act" (DASKAA). Bei einer Mehrheit könnten Sanktionen gegen russische Energieprojekte, Staatsanleihen und Banken verhängt werden.
Ausländische Investoren meiden Russland
Beim zweiten Sanktionspaket geht es vor allem um die Skripal-Affäre. Im vergangenen August hat der Kongress festgestellt, dass Russland für einen Chemiewaffen-Anschlag gegen ihren früheren Agenten Skripal verantwortlich sei. Der Kreml müsse nun beweisen, dass es nichts mit dem Attentat zu tun habe und über keine Chemiewaffen verfüge. Washington fordert, dass Moskau ausländische Inspektoren ins Land lässt. Präsident Wladimir Putin lehnt dies ab. Die Folge: Präsident Donald Trump kann Ende November weitere Sanktionen verhängen.
Kein Wunder, dass sich ausländischen Unternehmern derzeit mit weiteren Investitionen zurückhalten. Schwierig könnte es vor allem für Konzerne werden, die in Russland und in den USA aktiv sind - etwa Siemens. Das Russland-Geschäft des Konzerns ist 165 Jahre alt. Vor ihrem Hauptsitz in Moskau ist erst im Frühjahr ein Denkmal ihres ersten Niederlassungsleiters in der russischen Hauptstadt errichtet worden: Carl Siemens, ein jüngerer Bruder des Unternehmensgründers Ernst Werner Siemens.
Siemens verdient an der Modernisierung der veralteten russischen Kraftwerke, verkauft Elektro-Loks, liefert Kompressoren an die Rohstoffunternehmen, die diese für ihre Bohrlöcher benötigen. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 3000 Mitarbeiter in Russland. In den USA sind es mehrere zehntausend. Werden neue US-Sanktionen dazu führen, dass sich Siemens zwischen dem russischen und dem amerikanischen Markt entscheiden muss?
Das wirtschaftliche Risiko wächst
Aleksis Rodsjanko, Leiter der amerikanischen Auslandshandelskammer in Moskau, glaubt nicht, dass es so weit kommt. Allerdings rechnet auch er im Gespräch mit der DW mit schärferen Sanktionen gegen Moskau. Das wirtschaftliche Risiko für ausländische Firmen, sich in Russland zu engagieren, wächst. Unternehmen, die in Russland bereits aktiv seien, arbeiteten, so Rodsjanko, an Notfall-Plänen. Verträge würden neu formuliert oder ergänzt. Einige Investoren bereiteten sich darauf vor, Geschäfte gegebenenfalls nicht in Dollar, sondern in Euro abwickeln zu können.
Auch mehrere deutsche Firmen prüfen Verträge mit russischen Partnern und Zulieferern. Vor allem interessiert sie, ob bei der Produktion Unternehmen involviert sind, die ins Fadenkreuz amerikanischer Sanktionen kommen könnten, meint Alexej Knelz von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer. "Die Lage ist angespannt," sagt er. Dabei habe sich Russland gerade erst von der jüngsten Rezession erholt. Die deutsche Wirtschaft habe in Russland 2017 mehr als 1,6 Milliarden Euro investiert. Aber 2018 gingen die Investitionen zurück. "Das Geschäftsklima hat sich eingetrübt," sagt er.
Der Rubel und die Sanktionen
Uneinig sind sich die Experten darüber, welche Auswirkungen die US-Sanktionspolitik auf den Rubel haben wird. "Wenn er sich weiter abschwächt, wird die Produktion in Russland billiger", erklärt Knelz. Siemens spricht schon von der "Lokalisation der Produktion". Ob der Rubel tatsächlich schwächer wird? Rodsjanko ist sich da nicht so sicher. Schließlich seien die Öl- und Gaspreise weiterhin hoch, meint er. Russland exportiert vor allem Rohstoffe.
Die angespannten Beziehungen zwischen Washington und Moskau beschleunigen die Hinwendung des Kremls gen Asien, meint Rodsjanko. Ein Beispiel hierfür sei die LNG-Anlage zur Verflüssigung von Gas in Jamal, also im äußersten Norden Russlands. Ursprünglich sollten westliche Investoren das Milliardenprojekt finanzieren. Dann begann die Sanktionspolitik. "Statt des Westens sprangen die Chinesen ein", erklärt Rodsjanko.
Bislang gibt es keinerlei Hinweise, dass Russland sein Verhalten in der Ukraine oder in Syrien wegen der US-Sanktionen ändern wird. Das gelte auch für andere Länder, gegen die die USA Sanktionen verhängt habe, beobachtet Emma Ashford vom liberalen Washingtoner Thinktank CATO. "Langfristig betrachtet gilt: Je mehr Sanktionen wir [US-Amerikaner] verhängen, desto weniger effektiv sind sie", sagte sie der DW. Die Trump-Administration setze Sanktionen in größerem Umfang ein, kritisiert Ashford. Aber wirksam seien die nur selten.