US-Repräsentantenhaus billigt Klima- und Sozialpaket
13. August 2022Die Kongresskammer der Vereinigten Staaten stimmte mit 220 zu 207 Stimmen für die Verabschiedung des Paketes. Alle Stimmen für das Gesetz kamen von den Demokraten von US-Präsident Joe Biden, alle Stimmen dagegen stammten aus den Reihen der Republikaner. "Es ist ein überwältigender Sieg für Amerikas Familien", erklärte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, kurz vor der Abstimmung und bezeichnete das Gesetz als "ein solides Kostensenkungspaket, das die Zeit überdauert und sicherstellt, dass unsere Familien gut leben und unser Planet überleben wird".
Nun muss Präsident Biden das Gesetz noch mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Er kündigte nach dem Votum an, das Gesetz kommende Woche unterzeichnen zu wollen. "Heute hat das amerikanische Volk gewonnen", schrieb der Politiker der Demokratischen Partei auf Twitter. "Familien werden niedrigere Preise für verschreibungspflichtige Medikamente, niedrigere Gesundheitskosten und niedrigere Energiekosten sehen."
Das Gesetz sieht unter anderem rund 370 Milliarden Dollar (359 Milliarden Euro) für Energiesicherheit und Klimaschutz vor. Damit setzt es die größte Investition in den Kampf gegen die Erderwärmung in der US-Geschichte in Gang. Zur Bekämpfung des Klimawandels werden eine Senkung von CO2-Emissionen und eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien angestrebt. Beschlossen sind nun auch 64 Milliarden Dollar (62 Milliarden Euro) für das Gesundheitswesen. Die staatliche Krankenkasse Medicare soll zudem das Recht bekommen, mit der Pharmaindustrie die Preise bestimmter verschreibungspflichtiger Medikamente auszuhandeln, was zu niedrigeren Preisen führen soll. 2025 soll die Zuzahlung von Patienten für Medikamente auf 2000 Dollar pro Jahr begrenzt werden. Zusätzlich dürften für Millionen Amerikaner die Beiträge für die Krankenversicherung sinken.
Mehreinnahmen sollen Inflation bremsen
Die Neuregelung soll zudem neue Steuereinnahmen von rund 740 Milliarden Dollar erbringen. Haupteinnahmequelle ist eine Mindeststeuer von 15 Prozent für große Unternehmen. Steuerschlupflöcher für Firmen und besonders Reiche sollen geschlossen werden. Die US-Regierung geht davon aus, dass durch die Mehreinnahmen das staatliche Defizit um mehr als 300 Milliarden Dollar verringert werden kann. Das soll auch die Inflation bremsen, die im Juli bei 8,5 Prozent lag. Das Gesetz trägt deswegen den Namen Inflation Reduction Act, auf Deutsch etwa: Gesetz zur Reduzierung der Inflation.
Biden hatte ursprünglich ein deutlich größeres Klima- und Sozialpaket angestrebt, seine Pläne aber angesichts von parteiinternem Widerstand deutlich zusammenstreichen müssen. Das nun beschlossene Gesetz soll Biden helfen, seine ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.
Hauchdünne Mehrheit im Senat
Das Gesetzespaket erhielt am letzten Sonntag im Senat 51 von insgesamt 101 Stimmen, wobei Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag gab. Demokraten und Republikaner stellen je 50 Senatoren. Die Republikaner hatten das Vorhaben entschieden bekämpft, auch in den Reihen der Demokraten gab es lange Zeit Widerstand dagegen. Der Abstimmung war eine 27-stündige Debatte im Senat vorausgegangen.
Wenige Monate vor den Kongress-Zwischenwahlen am 8. November ist die Verabschiedung des Gesetzes im Repräsentantenhaus auch in seiner abgespeckten Version ein großer Erfolg für den Präsidenten und seine Demokraten. Der Demokratischen Partei droht der Verlust ihrer Mehrheit in beiden Kongresskammern an die Republikaner. Viele Demokraten - und ihre Wähler - waren in den vergangenen Monaten frustriert darüber, dass große Teile von Bidens Reformagenda nicht vorankamen.
Baerbock hofft auf Signalwirkung
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock lobte die Entscheidung des Kongresses und erklärte: "Das größte Klimainvestitionsprogramm in der US-Geschichte wird einen spürbaren Beitrag zur Senkung der globalen Treibhausgasemissionen und zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens leisten." Es sei für die internationalen Klimaverhandlungen ein wichtiges Signal, "dass die USA als weltweit zweitgrößter Emittent ihrem Klimaziel einen entscheidenden Schritt näherkommen. Damit können wir viel glaubwürdiger auch auf andere große Emittenten zugehen, damit sie ihren CO2-Ausstoß so schnell wie möglich reduzieren."
Baerbock sagte allerdings auch, die Zeit dränge. Es sei bedauerlich, dass das Gesetzespaket die US-Administration auch zur Fortführung von Öl- und Gasausbeutung vor US-Küsten verpflichte, bevor weitere Investitionen in erneuerbare Energien getätigt würden, und dass es keine Erhöhung des US-Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung enthalte. "Als stärkste Wirtschaftsmächte müssen wir alle unseren Beitrag zur Klimafinanzierung leisten, damit wir eine Chance haben, die Klimakrise zu bewältigen." Denn viele Länder der Welt würden die grüne Transition ihrer Wirtschaft nur mit internationalen Investitionen schaffen.
kle/se (afp, rtr, dpa)