US-Regierung vorübergehend geschlossen
1. Oktober 2013Immer am 1. Oktober beginnt in den USA das neue Haushaltsjahr. Das bedeutet, dass US-Senat und Repräsentantenhaus bis spätestens 30. September den neuen Haushaltsplan beschließen müssen, in dem steht, wofür die US-Regierung Geld ausgeben darf und wie viel. Ohne diesen Haushaltsplan hat die US-Regierung praktisch keine Barmittel mehr zur Verfügung und muss ihre Arbeit teilweise einstellen. Was nicht unbedingt für die Grundversorgung und für die Sicherheit des Landes notwendig ist, kann nicht mehr finanziert werden.
Was passiert da eigentlich in den USA?
Dieser Fall ist nun eingetreten, Senat und Repräsentantenhaus konnten sich nicht auf einen neuen Haushalt einigen. Die öffentliche Verwaltung wurde am 1. Oktober um 0:00 Uhr auf Notprogramm umgeschaltet: 800.000 Bundesbeamte wurden in den unbezahlten Urlaub geschickt, viele Behörden und viele bundesstaatliche Einrichtungen wie beispielsweise die Nationalparks bleiben geschlossen. In der Bundeshauptstadt Washington werden selbst Müllabfuhr und Straßenreinigung den Betrieb einstellen. Armee, Polizei, Grenzschutz und Gefängnisse arbeiten weiter wie üblich. Auch Renten und Sozialhilfe werden weiter ausgezahlt. Wie lange das Notprogramm dauert, hängt davon ab, wann sich Senat und Repräsentantenhaus einigen.
Warum blockieren sich Senat und Repräsentantenhaus?
Im Senat, wo jeder Bundesstaat mit je zwei Senatoren vertreten ist, dominieren die Demokraten, im Repräsentantenhaus mit seinen 435 Abgeordenten dagegen haben die Republikaner die Mehrheit. Hauptproblem bei der Aufstellung des US-Haushalts ist die nach wie vor hohe Neuverschuldung von fast fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Gesamtschulden der USA liegen bei über 100 Prozent des BIP. Die Demokraten um Präsident Barack Obama wollen die Neuverschuldung durch moderate Kürzungen der Staatsausgaben und Steuererhöhungen in den Griff bekommen. Die Republikaner lehnen Steuererhöhungen grundsätzlich ab und fordern stattdessen tiefe Einschnitte bei den Ausgaben, vor allem bei den Sozial- und Gesundheitsprogrammen der Regierung.
Welche Rolle spielt die Gesundheitsreform "Obamacare"?
"Obamacare" ist ein neues Gesundheitssystem, das zum 1. Oktober in Kraft treten sollte. Im Kern ähnelt es dem, was wir in Europa schon lange haben: Jeder soll bei einer Krankenkasse versichert sein. Bislang sind in den USA rund 45 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, fast jeder fünfte Amerikaner ist unversichert. Mit "Obamacare" soll die Lücke kleiner werden, geschlossen wird sie nicht. Denn die Versicherung bleibt freiwillig, der Staat gibt allerdings Zuschüsse. Die Republikaner lehnen diese staatlich geförderte Krankenversicherung nicht nur ab, sie bekämpfen sie mit aller Kraft. "Obamacare" ist für sie ein staatlicher Angriff auf die Freiheit und Selbstbestimmung der US-Bürger. Deshalb haben die Republikaner im Abgeordnetenhaus den anstehenden Haushaltsplan als Geisel genommen, um die verhasste Gesundheitsreform zu stoppen. Sie wollen dem Haushalt nur zustimmen, wenn Obama seine "Obamacare" fürs erste aussetzt. Im Streit um Steuern und Verschuldung wäre ein Kompromiss vielleicht noch möglich gewesen, die Auseinandersetzung um "Obamacare" führte fast unweigerlich zum Shutdown.
Was hat die Teaparty mit dem Shutdown zu tun?
Die vor knapp fünf Jahren entstandene Teaparty-Bewegung hat im Kampf gegen "Obamacare" ihr wichtigstes Thema gefunden. Im Kern ist die Teaparty-Bewegung eine lose Ansammlung von Hardcore-Konservativen, Neoliberalen und christlichen Rechten, die das ursprüngliche Amerika verteidigen wollen, wie sie es sehen: Weiß, angelsächsisch, protestantisch und freiheitsliebend. Dass ein Farbiger wie Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten werden konnte, ist für sie mehr als nur ein demokratischer Sündenfall. "Obamacare" ist für viele Teaparty-Aktivisten der Knackpunkt, der aus ihrer Sicht den offenen Widerstand gegen die Regierung rechtfertigt, mit allen legalen Mitteln. In der republikanischen Basis hat die Teaparty inzwischen so weit Fuß gefasst, dass sie die Parteiführung vor sich hertreiben kann. Die Idee, "Obamacare" mit der Drohung des Shutdowns doch noch zu verhindern, kam offensichtlich von Abgeordneten, die der Teaparty nahestehen. Ebenso die Entschlossenheit, notfalls wirtschaftliche Probleme in Kauf zu nehmen, um die ihrer Meinung nach bedrohten bürgerlichen Freiheiten zu verteidigen.
Welche Folgen hat der Shutdown für die US-Wirtschaft?
Das hängt vor allem davon ab, wann die US-Regierung wieder in den Normalbetrieb zurückschalten kann. Wenn es nur um einige Tage geht, werden Industrie und Handel kaum Nachteile spüren. Der Verdienstausfall der beurlaubten Beamten wird allenfalls regionale Auswirkungen haben, beispielsweise in der Hauptstadt Washington. Wenn der Shutdown länger dauert, dann könnte es allerdings ernsthafte Konsequenzen für die Konjunktur haben. Vor allem Unternehmen, die von Staatsaufträgen leben, dürften Probleme bekommen. Experten rechnen damit, dass das US-Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2013 um 0,3 Prozent nachgeben könnte. Goldman-Sachs geht sogar von 0,9 Prozent aus. Kurz: Genaues weiß man nicht.
Was hat es mit der Schuldenobergrenze auf sich?
Bislang geht es beim Streit zwischen Senat und Repräsentantenhaus nur um den anstehenden Haushalt, also um die Frage von Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und um die Gesundheitsreform "Obamacare". Doch Mitte Oktober kommt ein wesentlich größeres und umstritteneres Problem dazu. Die in der Verfassung vorgeschriebene Schuldenobergrenze, bis zu der die Regierung Geld aufnehmen darf, wird in Kürze erreicht. Senat und Repräsentantenhaus müssen dann entweder die Neuverschuldung auf Null setzen - was derzeit utopisch ist - oder die Schuldenobergrenze anheben. Derzeit liegt sie bei 16,7 Billionen Dollar, das sind rund 12,5 Billionen Euro. Selbst wenn Senat und Repräsentantenhaus den aktuellen Konflikt beilegen, der nächste steht bereits vor der Tür.