USA: Frauen an die Macht?
17. Januar 2020Die zwei Kandidaten des linken Lagers bei den Demokraten wollten ihr freundschaftliches Verhältnis bewahren, auch wenn sie im Kampf um die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat gegeneinander antreten würden. Bis letzte Woche hatten Bernie Sanders und Elizabeth Warren das ganz gut geschafft. Aber seit Anfang der Woche sieht es so aus, als sei es mit dem Frieden vorbei. Am Montag erfuhr die Öffentlichkeit von einer Unterhaltung zwischen den beiden Senatoren im Dezember 2018. Damals soll Sanders zu Warren gesagt haben, eine Frau könne die Präsidentschaftswahl im November 2020 nicht gewinnen.
Warren stand zu der Darstellung der Unterhaltung, auch in der Demokraten-Debatte am Dienstag, Sanders streitet ab, sich so geäußert zu haben. Direkt nach der Debatte ging Warren auf Sanders zu und sagte "Du hast mich gerade im landesweiten Fernsehen als Lügnerin bezeichnet." Sanders' Antwort: "Lass uns das nicht jetzt besprechen. Du hast mich einen Lügner genannt." Das Thema beschäftigt das Feld der demokratischen Präsidentschaftskandidaten auch Tage später noch.
Eine Präsidentin "liegt nicht außerhalb des Möglichen"
Egal, wer was gesagt hat – die Frage, ob eine Frau im Jahr 2020 in den USA Präsidentin werden kann, steht im Raum. "Frauen in der Politik sehen sich immer noch besonderen Hindernissen gegenüber, zum Beispiel der Frage, ob sie sympathisch genug sind", sagte Sheri Berman, Politikwissenschaftlerin am Barnard College in New York, im DW-Interview. Sie sehe aber keinen Grund, warum nicht eine Frau im Weißen Haus sitzen sollte. "Wir [US-Amerikaner] sind auch nicht sexistischer als andere Länder", in denen es schon weibliche Regierungschefs gebe.
"Es ist seltsam, dass wir über die Frage, ob Amerika bereit ist für eine Präsidentin, überhaupt diskutieren", sagt auch Marisha Kirtane vom Woman's National Democratic Club (WNDC), einer Organisation für Frauen, die die politischen Ansichten der Demokraten teilen, im DW-Interview. "Hillary Clinton hat 2016 drei Millionen mehr Stimmen bekommen als Trump. Es ist also nicht so, dass das außerhalb des Möglichen liegt."
Und doch – eine Frau als Commander-in-Chief ist für einige US-Amerikaner immer noch eine abwegige Vorstellung. In einer Umfrage der Zeitung "USA Today" vom September 2019 sagten zwar fast 90 Prozent der befragten demokratischen Wähler, sie hätten kein Problem mit einer US-Präsidentin. Aber nur 76 Prozent sagten, auch ihre Familienmitglieder seien der Idee offen gegenüber. Und nur 44 Prozent von ihnen glaubten, ihre Nachbarn hätten kein Problem mit einer Frau an der Spitze des Landes.
Ob die USA bereit sind für eine Präsidentin, sei "eine gute Frage", sagte Dr. Michael Cornfield, Politikwissenschaftler an der George Washington University, der DW. "Es gibt immer noch viele Vorurteile gegen Frauen, nicht nur in der Politik. Schauen Sie sich doch nur mal die Academy Award Nominierungen an." Trotz einiger hochgehandelter Anwärterinnen wurde auch dieses Jahr keine Frau für einen Oscar als beste Regisseurin nominiert.
Kann eine Frau gegen Donald Trump gewinnen?
Hillary Clinton hat die letzte Wahl gegen Trump verloren, wenn auch nur im Electoral College, dem Wahlsystem der USA, in dem jeder Bundesstaat vollständig an den Kandidaten geht, der dort die meisten Stimmen geholt hat. Schadet das den weiblichen Kandidaten der Demokraten für die diesjährige Präsidentschaftswahl? Nein, sagt Politikwissenschaftlerin Berman. "Die Wähler, die sich [unter Trump] am meisten von den Republikanern abgewendet haben, sind hochgebildete Frauen", so Berman. "Die brauchen die Demokraten jetzt. Warum sollte da die Person, die gegen Donald Trump ins Feld geschickt wird, nicht auch eine Frau sein?"
Sowohl Warren als auch Amy Klobuchar, die andere Kandidatin, die sich noch Chancen ausrechnen kann, hätten Vor- und Nachteile, sagt Berman weiter. Ihr Geschlecht spiele aber keine Rolle.
Auf die Frage, ob Warren oder Klobuchar eine Chance gegen Trump hätten, hat Kirtane vom WNDC eine kurze und klare Antwort: "Warum nicht?" Dann fügt sie noch hinzu, dass die USA zwar noch nie eine Präsidentin hatten. "Aber seit den Midterm-Wahlen 2018 haben wir mehr Frauen in Bundesstaatsparlamenten und im US-Kongress als je zuvor."
Unnötige Ablenkung oder cleverer Schachzug?
Bei den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern hat die Frage nach den Chancen einer Frau gegen Donald Trump auf jeden Fall für viel Wirbel gesorgt. Berman sagt, die hitzige Diskussion sei nicht sinnvoll für die Demokraten und würde nur von wichtigen Themen ablenken. Cornfield dagegen sieht das Ganze als cleveren Schachzug von Elizabeth Warren: "Sie wusste, dass sie sich irgendwie von Sanders abgrenzen muss, und in den politischen Fragen unterscheiden sich die beiden nur in Nuancen."
Ob die demokratische Nominierung an eine Frau geht, wird sich bei den Vorwahlen entscheiden, die am 3. Februar in Iowa beginnen und sich bis in den Juni ziehen. Und ob der Kandidat, oder die Kandidatin, gegen Präsident Donald Trump gewinnt, wird sich erst im Laufe des Wahlabends am 3. November zeigen. Bleibt also noch jede Menge Zeit für hitzige Grundsatzdiskussionen.