US-Katastrophenbehörde in der Kritik
6. September 2005Härter kann Kritik kaum sein: Die größte Zeitung im US-Staat Louisiana, die "Times-Picayune", druckte am Dienstag (6.9.2005) einen offenen Brief an US-Präsident George W. Bush, in dem der Präsident aufgefordert wird, alle Beamten der Federal Emergency Management Agency (FEMA) zu entlassen. Die zentrale Katastrophenbehörde wurde 1979 aus einer Reihe von verschiedenen Zivilschutzbehörden geschaffen. Ihre Aufgabe: die Vereinigten Staaten vor den Auswirkungen von Naturkatastrophen und einem Atomangriff zu schützen.
Bis 1992 führte die FEMA eher ein Schattendasein. Doch nachdem Hurrikan Andrew im selben Jahr verheerende Schäden in Florida angerichtet hatte, stellte der damalige Präsident Clinton den erfahrenen Katastrophenschützer James Witt an die Spitze der Behörde. Mit dem vergleichsweise bescheidenen Etat von 20 Millionen Dollar wandelte Witt die Behörde in ein Präventionszentrum um und förderte Projekte wie die Erdbebensicherung von Häusern und Schulen an der stark gefährdeten Westküste der USA.
Schlecht vorbereitet
Mit dem Amtsantritt von Präsident Bush im Jahr 2001 wurden diese Projekte eingestellt. Nach den Terroranschlägen vom September 2001 musste die FEMA neue Prioritäten setzen. Künftig sollte sich die Behörde vor allem mit dem Schutz der Bevölkerung vor Terrorangriffen mit biologischen und chemischen Waffen kümmern. Mit der Schaffung des Heimatschutzministeriums im Jahr 2003 verlor die FEMA den Status einer unabhängigen Behörde und wurde in die das neue Superministerium eingegliedert, der direkte Zugang zum Präsidenten ging verloren.
Die Maßnahme erwies sich beim Krisenmanagement von Katrina als Fehlkonstruktion, glaubt beispielsweise Bill Clinton. "Es gibt jetzt niemanden, der das Katastrophenmanagement zentral koordiniert, der alle Ressourcen bündelt", klagt der ehemalige Präsident. Mit dem Heimatschutzministerium sei vor allem an eine Wiederholung des 11. September oder an andere Terroranschläge gedacht worden. "Aber eine Naturkatastrophe ist etwas ganz anderes. Ich denke, so wie es früher organisiert war, ist es besser gewesen und wir sollten das noch einmal überdenken." Nothelfer hatten schon Wochen vor dem Hurrikan "Katrina" kritisiert, dass sie mehr für den Einsatz bei Terroranschlägen als für Naturkatastrophen ausgebildet und ausgerüstet seien.
Tödliche Fehlentscheidungen
Jede Menge Kritik gibt es auch an Mike Brown, der 1993 von Bush zum Chef der FEMA ernannt wurde. Nach dem Katrina-Desaster machte er folgenschwere Fehler: Er entschied sich für Busse zur massenhaften Evakuierung der Sturmflüchtlinge aus New Orleans, obwohl die halbstaatliche Eisenbahngesellschaft AMTRAK längst ihre viel größeren Züge angeboten hatte. Von den tausenden verzweifelten Flüchtlingen vor dem "Convention Center" in New Orleans erfuhr Brown erst aus dem Fernsehen.
Kritiker sehen in dem zurückhaltenden 50-Jährigen eine Fehlbesetzung, nicht zuletzt, weil er sein ganzes Leben lang als Rechtsanwalt gearbeitet habe und nichts vom Katastrophenschutz verstehe. Brown wehrt sich. "Ich habe als Rechtsberater der FEMA begonnen", sagt Brown. "Ich habe die Aktivitäten in der FEMA-Zentrale während der Terroranschläge des 11. September koordiniert und danach bei 146 Einzelkatastrophen, darunter die Waldbrände in Kalifornien, die Tornados im Mittleren Westen und die vier Hurrikane im vergangenen Jahr. Ich kenne mich mit Katastrophen aus."
Das scheint auch Präsident Bush so zu sehen. Bei seinem ersten Besuch im Katastrophengebiet letzten Freitag lobte der Präsident seinen obersten Krisenmanager mit den Worten "Brownie, Du machst einen ganz phantastischen Job."