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"US-Einladung zum Tee" - internationale Pressestimmen

4. November 2010

In den internationalen Tageszeitungen wird der Ausgang der US-amerikanischen Kongresswahlen kontrovers diskutiert. Eine Auswahl.

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"Der Standard" aus Wien schreibt:

"Die Ironie ist, dass Obamas Präsidentschaft auf die schiefe Ebene geraten ist, weil er vieles richtig gemacht hat. Er hat ein enormes Konjunkturpaket geschnürt, die Autoindustrie umstrukturiert, die Wall Street gerettet, eine Gesundheitsreform durchgeboxt und auch versucht, im Klimaschutz etwas zu erreichen. Die Herzen - und vor allem die Brieftaschen - seiner Wähler hat er damit jedoch nicht erreicht."

Obama hat sich im Alltag verschlissen, meint die französische Zeitung "La Croix":

"Nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren hat sich Barack Obama tagtäglich mit der schlimmsten Wirtschaftskrise befassen müssen, die sein Land nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchgemacht hat. Er hat gerackert für eine Reform des wohltätigen, aber schlecht verstandenen Gesundheitssystems. Er hat sich im Afghanistankrieg verschlissen. Die tägliche Machtausübung hat die mobilisierenden Reden, die ihn zum Triumph geführt haben, letztlich verstummen lassen."

Obama muss sich nun ändern, folgert die niederländische Zeitung "de Volkskrant":

"Der Präsident hat den Eindruck erweckt, dass er sich weniger um die realen Belange der Bürger als um abstrakte Reformen kümmert, deren segensreiche Wirkung sich erst noch erweisen muss - siehe die Gesundheitsreform, die alles andere als populär ist. Er sieht den Staat als umfassenden Problemlöser, während viele Amerikaner Argwohn hegen gegen staatliche Zuständigkeiten. In Stil und Mentalität muss Obama das Blatt wenden, wenn er verhindern will, dass im Januar 2013 der Umzugsdienst vor der Tür steht."

Die Zeit ist reif für Obama, den Politiker, kommentiert die Pariser Zeitung "Le Figaro":

"Der Präsident hat den Republikanern die Hand entgegengestreckt - ein erster Schritt in Richtung auf die Mitte. Der Erfolg seines Unternehmens hängt von seiner Fähigkeit ab, die Opposition für seine Pläne zu gewinnen. Nach Obama, dem Kandidaten, und Obama, dem Volkstribun, muss nun Obama, der Politiker, die Szene betreten."

"De Standaard" aus Belgien schaut noch einmal kritisch auf den Wahlkampf zurück:

"Was immer Obama auch tat, ständig stieß er auf Sperren der Republikaner, deren Programm darin bestand, gegen alles zu sein, was vom Präsidenten und dessen Partei kam. Im Kongress, aber auch auf der Straße, in den Medien und im Internet erklärten sie Obama und seinen Mitstreitern den Krieg. Tag für Tag wurde die Öffentlichkeit mit einer Lawine von Lügen und Halbwahrheiten überschüttet."

Der rechtsliberale Mailänder "Corriere della Sera" beschäftigt sich indes mit den Konsequenzen des Sieges für die Republikaner:

"Es gilt, einen außerordentlichen, aber auch fragilen Triumph in Tagesarbeit umzusetzen. Vor dem Führer der Konservativen im Kongress liegt eine schwierige Aufgabe, und John Boehner, der wahre Sieger dieses Urnengangs, weiß das. Er muss mit dem Weißen Haus verhandeln, ohne zu viel nachzugeben, die eigene Agenda aufdrücken, die Demokraten in die Defensive zwingen, aber ohne das Parlament zu lähmen. Und er muss die frische Energie der "Tea Party"-Abgeordneten nutzen, sich dabei aber nicht von der Begeisterung jener Neulinge mitreißen lassen, die bereits von Revolutionärem sprechen. Eine heikle und wahrscheinlich auch "schmutzige" Arbeit erwartet Boehner."

Der Sieg der Republikaner ist eine Einladung zur Teestunde, schreibt die rechtsliberale dänische Zeitung "Jyllands-Posten". Weiter heißt es:

"Es wird fatale Folgen haben, wenn die Republikaner und die Bewegung hinter der Tea Party nicht konstruktiv und auf breiter Basis mit Präsident Barack Obama zusammenarbeiten. Dabei müssen sie auf dessen Resultaten aus den ersten zwei Amtsjahren aufbauen, statt sich weiter als Partei zu definieren, deren einzige Mission darin besteht, gegen Obama zu sein. Klar ist aber schon, dass es keinen grünen Tee geben wird. Denn die Republikaner sperren sich gegen alle Aktionen zum Stopp der globalen Klimaveränderung."

Die linksliberale Pariser Zeitung "Libération" kritisiert die Wähler:

"Es gibt eine grausame Ungerechtigkeit bei der Abstimmung der Amerikaner. Weil er eine verheerende Ausgangslage übernommen hat, muss Barack Obama eine schlimme Schlappe gegen die hinnehmen, die das Malheur geschaffen haben. Die von der Wall Street diktierte dogmatische Politik der Republikaner hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, die beinahe ähnliche Ausmaße wie die von 1929 hatte. Barack Obama wird bestraft, weil er versucht hat zu retten, was zu retten war, weil er sich aufdrängende Notmaßnahmen ergriffen hat und weil diese Maßnahmen noch nicht die Zeit hatten, Erfolge zu zeitigen. Doch die Menschen mögen ihre Retter nicht. Die Lektion reicht weit über die USA hinaus."

Abschließend der Kommentar der liberalen Turiner Zeitung "La Stampa", die einen Stillstand in der US-Politik prophezeit:

"Zunächst wird sich herzlich wenig ändern, denn das ganze System ist so entworfen worden, dass es dramatische Wechsel in dem Gleichgewicht zwischen Kongress, Weißem Haus und Justiz verhindert. Und sollte sich die neue republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus dazu entschließen, die umstrittenste Weichenstellung des Präsidenten, die Gesundheitsreform, jetzt kippen zu wollen, dann könnte Obama einfach ein Veto einlegen."

Zusammengefasst von Oliver Pieper.