US-Amerikanerin Tricia Tuttle wird neue Berlinale-Chefin
12. Dezember 2023Das könnte man einen Coup nennen, denn Tricia Tuttle hatten wohl nur wenige auf dem Schirm für die Nachfolge der Berlinale-Leitung. Dabei ist die 53-jährige US-Amerikanerin in der Filmbranche keine Unbekannte. Bis 2022 hat sie zehn Jahre lang - fünf davon als Stellvertreterin - das BFI London Film Festival und das LGBTQIA+-Festival BFI Flare geleitet. Und das mit großem Erfolg: Die Zuschauerzahlen wuchsen um 76 Prozent, und ihr großes Ziel, Frauen in der Filmindustrie sichtbarer zu machen, hat sie mehr als erfüllt. Unter ihrer Leitung wuchs die Zahl an Filmen von Regisseurinnen auf im Schnitt 50 Prozent. Dagegen sehen die großen A-Festivals in Cannes oder Venedig ganz schön alt aus.
Tricia Tuttle nennt sich selbst einen "gierigen Filmfan". Sie studierte Film und Fernsehen an britischen Universitäten und arbeitete viele Jahre lang in Filminstitutionen und auch als Journalistin, bis sie 2013 zum BFI London Film Festival stieß. Dessen Leitung gab sie im Frühjahr diesen Jahres auf, und ist seitdem verantwortlich für die Abteilung Spielfilmregie an der National Film and Television School in London, einer der renommiertesten Filmhochschulen der Welt. Ein kurzes Intermezzo also, wenn sie im Frühjahr 2024 die Berlinale-Intendanz übernimmt.
"Happy" Team gleich erfolgreiche Berlinale
In den 90er Jahren war Tricia Tuttle in North Carolina, wo sie herkommt, übrigens Gitarristin und Sängerin der Indie-Rock-Band June und sagte damals in einem Interview: "Ohne eine kreative Atmosphäre könnten wir das nicht machen". Ein positives Arbeitsumfeld war ihr also schon immer wichtig, und so betont sie bei der Vorstellung als neue Intendantin, wie wichtig ihr ein zufriedenes Team sei. Nur wenn auch das Team "happy" sei, werde die Berlinale erfolgreich sein.
Wie es weiter geht mit dem krisengeschüttelten Festival, das zuletzt wegen massiver Sparvorgaben etliche Kürzungen im Programm vornehmen musste? Dazu will sich Tuttle, die im April 2024 ihr neues Amt antritt, auch erst dann äußern.
Mehr Geld als Willkommensgeschenk
Sie liebe an den Berliner Filmfestspielen den Glamour, den politischen Anspruch und das Provokante, sagte sie. Und dass sie sich des großen kulturellen Erbes der Berlinale bewusst sei, auf der Werke von Siodmak, Lumet, Ang Lee oder Paul Thomas Anderson uraufgeführt wurden - ein Who is Who der Filmgeschichte. Sie freue sich auf Berlin, diese "lebendige, widerborstige, diverse Stadt".
Immerhin wird Tuttle zum Jobantritt auch ein finanzielles Versprechen gegeben: Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, kündigte an, dass der Bund der Berlinale voraussichtlich dauerhaft 1,5 Millionen mehr zur Verfügung stellen will, und auch das Land Berlin will seine Mittel deutlich anheben. Ein schönes Willkommensgeschenk für Tricia Tuttle, die damit deutlich besser aufgestellt wäre als das alte Team. Und dann vielleicht auch ihr wichtigstes Ziel erreicht, sich nämlich leidenschaftlich dafür einzusetzen, dass die Menschen wieder zurück ins Kino kommen.