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Unsicherheit vor den Wahlen in Nigeria

Julia Hahn27. März 2015

Nach sechs Wochen Aufschub und inmitten von Terror und Gewalt entscheiden die Nigerianer am Samstag über einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Die Stimmung am Tag vor den Wahlen ist äußerst angespannt.

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Nigeria Wahl 2015 Soldat bewacht Wahlzettel (Foto: AP)
Ein Soldat bewacht Wahlzettel in LagosBild: picture-alliance/AP Photo/Alamba

Die Angst vor Anschlägen und Ausschreitungen ist groß in Nigeria - einen Tag vor den Wahlen. "Überall sind Sicherheitskräfte unterwegs", sagt Ben Shemang, der für die DW aus der Hauptstadt Abuja berichtet. "Sie können jederzeit Autos anhalten und durchsuchen, es gibt viele Straßensperren, an denen Leute überprüft werden." Armeechef Kenneth Minimah habe gewarnt: Jeder, der Schwierigkeiten mache und die Demokratie gefährde, werde hart bestraft.

Am Samstag (28.03.2015) wählt Afrikas bevölkerungsreichste Nation ein neues Parlament und einen neuen Staatschef. Die Bedingungen sind alles andere als günstig: Im Nordosten tobt der Kampf gegen die Islamistengruppe Boko Haram und Anführer Abubakar Shekau hat mit neuem Terror gedroht. Die Wahlen bezeichnet er als "unislamisch". Sie sollten ursprünglich am 14. Februar stattfinden, waren aus Sicherheitsgründen aber um sechs Wochen verschoben worden. Erst Mitte dieser Woche sorgten Berichte über eine neue Massenentführung durch Boko Haram für Entsetzen: In der inzwischen von Soldaten aus dem Tschad und Niger befreiten Stadt Damasak sollen die Extremisten hunderte Menschen verschleppt haben.

Nigeria Wahl 2015 Straßenszene (Foto: AFP)
Wahlen in Nigeria - frei und fair?Bild: Plaucheur/AFP/Getty Images

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Politisch tobt der Kampf zwischen den beiden Favoriten für das Präsidentenamt: Amtsinhaber Goodluck Jonathan und Ex-Diktator Muhammadu Buhari. "Das wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Mal sehen die Umfragen Jonathan knapp vorn, mal Buhari. Es gibt bislang einfach keinen klaren Trend", sagt DW-Korrespondent Ben Shemang.

Der ehemalige Militärherrscher Buhari, der sich 1983 an die Macht putschte, ist ein Muslim aus dem Norden des Landes. Auch im überwiegend christlichen Süden hat der 72-Jährige zahlreiche Anhänger gewonnen, weil er versprach, gegen die weitverbreitete Korruption vorzugehen. Präsident Jonathan, 52 Jahre alt, ein Christ aus dem Niger-Delta, stand zuletzt immer wieder in der Kritik, nicht genug zu tun im Kampf gegen den Terror. Trotzdem rechnet er fest mit einer Wiederwahl.

Beide Kandidaten haben angekündigt, das Ergebnis anzuerkennen - egal, wie es ausfällt. "Kein politischer Eifer kann Gewalt oder das Vergießen des Blutes unserer Bürger rechtfertigen", sagte Jonathan in einer landesweit übertragenen Ansprache. Die Erinnerung an die letzten Wahlen 2011 stimmt viele skeptisch: Damals gab es schwere Ausschreitungen, nachdem das Ergebnis bekannt gegeben wurde. Mehr als tausend Menschen sollen ums Leben gekommen sein.

Viele Nigerianer sind optimistisch, dass es dieses Mal friedlich bleibt. "Es sind mehr Polizisten und Soldaten auf den Straßen unterwegs, die Sicherheitslage ist besser", sagt der Kunsthändler Sunday Luka in der Hauptstadt Abuja dem DW-Korrespondenten Jan-Philipp Scholz. Taxifahrer James Godspower ist derselben Meinung: "Ich glaube nicht, dass es zu Gewalt kommen wird. Es wird alles einen geregelten Gang gehen."

"Friedensvereinbarung" der Kontrahenten

Am Donnerstag hatte Jonathan mit Herausforderer Buhari eine gemeinsame "Friedensvereinbarung" erneuert. Diese hatten beide bereits am 14. Januar gemeinsam mit anderen Politikern unterzeichnet und sich zu einem Wahlkampf verpflichtet, der über Themen geführt wird - nicht über religiöse Hetze oder ethnische Profilierung. In dem jetzt unterzeichneten gemeinsamen Statement heißt es: "Wir rufen all unsere Mitbürger und unsere Anhänger auf, auf Gewalt oder andere Handlungen zu verzichten, die unsere gemeinsame Vision von freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen gefährden."

Nigeria Goodluck Jonathan Abdulsalami Abubakar Muhammadu Buhari (Foto: DW/Ubale Musa, Abuja Nigeria )
Goodluck Jonathan (links) und Muhammadu BuhariBild: DW/Ubale Musa

Appelle an das Zusammengehörigkeitsgefühl eines Volkes, das tief gespalten und zerrissen ist. Etwa 150.000 Menschen sind vor der Gewalt von Boko Haram in die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger geflohen. Über eine Millionen Menschen haben sich aus dem Nordosten in andere Landesteile gerettet. Viele dieser Binnenflüchtlinge haben sich auf den Heimweg gemacht, um an den Wahlen teilnehmen zu können. "Wir können Boko Haram nicht entkommen, wenn wir nicht an den Wahlen teilnehmen und die richtige Person wählen", sagte Alh Modu Lawan im Gespräch mit DW-Reporter Muhammad Al-Amin. Der 28-Jährige hat einen Angriff der Islamisten auf die Stadt Dambua im Bundesstaat Borno überlebt, floh ins benachbarte Gombe und will jetzt zurückkehren.

Nigeria Soldaten in Diffa (Foto: Reuters)
Militäraktion in Diffa, an der Grenze zu NigerBild: Reuters/J. Penney

So wie er haben viele Binnenflüchtlinge Angst, dass genau sie ein leichtes Ziel für neue Abschläge vor und während den Wahlen sein könnten - auch wenn das Militär von Erfolgen und Rückeroberungen berichtet. Immer häufiger greift Boko Haram auch Bushaltestellen oder belebte Märkte an. Flüchtlinge, die nicht heimkehren und in Camps leben, könnten dort wählen, hatte die nationale Wahlkommission versichert. Aber auch in den Lagern haben die Menschen Angst.

Wahlbeobachter aus der ganzen Welt

Wie frei, fair und sicher die Wahlen ablaufen - das überprüfen internationale Wahlbeobachter im Land. Die Europäische Union (EU) hat Personal geschickt, die Afrikanischen Union (AU), die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, dazu kommen zivilgesellschaftliche Organisationen aus Nigeria. Auch die US-amerikanische National Democratic Institute (NDI) ist am Wochenende im Einsatz. "Das ist eine riesige Herausforderung", sagte Christopher Fomunyoh, Chef der NDI-Wahlbeobachtermission in Nigeria, der DW. Fast 69 Millionen Menschen haben sich für die Abstimmung registriert, es gibt mehr als 120.000 Wahllokale. Nicht alle werden die Beobachter im Blick haben können.

Nigeria Wahlen Christoph Fomunyoh
Christopher Fomunyoh, Chef der NDI-WahlbeobachtermissionBild: NDI

Seit Ende der Militärregierung 1999 war in Nigeria noch keine Wahl so hart umkämpft und so umstritten. Die Sorgen sind groß, dass Freiheit und Fairness auf der Strecke bleiben. "Wir gehen ganz offen an die Wahlen heran, unabhängig und neutral. Wir werden abwarten und sehen, was passiert", sagt Fomunyoh. "Natürlich hoffen wir, dass es friedliche Wahlen werden, dass letztlich die Stimmen der Nigerianer klar und deutlich gehört werden und dass die Kandidaten das Ergebnis akzeptieren."