Raketenabwehrsystem
17. März 2007DW-WORLD.DE: Die Amerikaner wollen in der Nähe von Trokavec eine Radaranlage als Teil des US-Raketenschildes aufstellen. Wie ist die Stimmung in ihrem Dorf?
Jan Neoral: Die Leute sprechen sich natürlich gegen den Aufbau dieses Radars aus, weil sie aus verschiedenen Gründen Angst haben. Sie fürchten, dass sich das Radar negativ auf die Natur und die Menschen auswirkt. Sie haben Angst, dass sie zum Umzug gezwungen sein werden, wenn das Radar gebaut wird und feststeht, dass es einen schädlichen Einfluss auf die Bevölkerung hat. Auch auf amerikanischen Internetseiten wird ja vor unzulässigen Strahlungen dieses Radargerätes gewarnt.
Wie erklären Sie es sich, dass die tschechische Regierung eine Zustimmung zum US-Plan angekündigt hat?
Wir halten unsere Regierung für total unverantwortlich. Die amerikanische Regierung hat die tschechische Regierung erst in der vergangenen Woche darum gebeten, den Aufbau der Radaranlage zu ermöglichen. Und gleich am nächsten Tag hat die Regierung zugestimmt - ohne dass sie irgendwelche Informationen darüber gehabt hätte! Das ist unverantwortlich, weil unsere Regierung gar nicht weiß, ob das Radar schädlich ist. Trotzdem hat sie gleich gesagt: Ja, natürlich, baut es ruhig hier. Jetzt holen wir alle möglichen Informationen ein und fahnden danach, wie viel Megawatt die Anlage ausstrahlt usw. Wir haben herausgefunden, dass in Aserbaidschan eine ähnliche, russische Radaranlage steht. Dort haben die Menschen große Gesundheitsprobleme!
Ein russischer General hat bereits gedroht, russische Raketen auf Tschechien auszurichten, wenn das Radarsystem hier aufgebaut wird. Wie ernst ist die Drohung zu nehmen?
Wir fürchten uns bereits davor, dass das Radarsystem und damit Trokavec Zielscheibe für terroristische Raketen oder Terrorgruppen wird. Und jetzt müssen wir uns nach den Äußerungen des russischen Generals sogar davor fürchten, dass auch russische Raketen auf uns gerichtet sein werden. Das zeigt, wie groß die Bedrohung eines neuen Kalten Krieges ist! Das ist einer der Gründe, warum wir das System nicht wollen.
Man muss sich fragen, warum die USA die Standortfrage des Raketenabwehrsystems nicht der NATO vorgelegt haben, deren Mitglied wir ja beide sind. Warum verhandeln die USA selbständig mit der Tschechischen Republik? Weil sie glaube ich wissen, dass das bei der NATO nicht durchkommen würde. Die NATO ist dagegen, England, Deutschland und Norwegen sind dagegen, eine Menge Länder stimmen dem nicht zu.
Am Samstag findet in Trokavec ein Referendum über die Aufstellung des Raketenschildes statt. Laut tschechischem Gesetz dürfen Sie nicht fragen, ob die Leute für oder gegen den Bau der Radaranlage sind. Wie lautet also die Frage, die Sie den Bürgern stellen?
Wir dürfen nur nach etwas fragen, was die unabhängige Verwaltung der Gemeinde Trokavec betrifft. Also fragen wir die Leute, ob sie damit einverstanden sind, dass der Gemeinderat alle gesetzlichen Mittel nutzt, die ihm zur Verfügung stehen, um gegen den Aufbau der amerikanischen Radaranlage vorzugehen.
Ihre Gemeinde hat 98 Einwohner, davon sind 88 stimmberechtigt - kann das Referendum da nicht nur symbolischen Wert haben?
Nein, weil sich weitere Gemeinden überlegen, ein Referendum abzuhalten. Ich weiß schon von acht oder neun anderen Dörfern, die ein Referendum ausgerufen haben, auch wenn sie noch kein konkretes Datum festgelegt haben. Es haben auch schon einige Parlamentsabgeordnete gesagt, dass man sich anschauen muss, wie die Referenden in den Dörfern um das Militärgebiet ausfallen. Das heißt, unsere Stimme wird stärker, und die Regierung wird sich danach richten müssen, was die Leute wollen. Sonst könnte es passieren, dass niemand dieser Regierung bei den nächsten Wahlen seine Stimme gibt!
Wie viel Prozent der Gesamtbevölkerung teilen Ihre Skepsis denn?
Nach den letzten Umfragen sind 71 Prozent der tschechischen Bevölkerung gegen das Radarsystem.
Wie stehen die Chancen für ein landesweites Referendum?
Gut, weil die Sozialdemokraten unter ihrem Vorsitzenden und ehemaligen Premierminister Jiří Paroubek gegen das Radarsystem sind. Sie haben im Parlament schon 106 Stimmen gesammelt - gegenüber 84 Befürwortern des Radarsystems. Da kann die Regierung sagen, was sie will - wichtig ist, was das Parlament sagt. Also wir kämpfen weiter, und die Chancen stehen gut, dass das Radarsystem nicht durchgesetzt wird.