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UNO unter Beschuss

Udo Bauer14. Dezember 2004

Die US-Regierung verschärft die Gangart in ihrer Kampagne gegen UNO-Chef Kofi Annan und Nuklear-Wächter al-Baradei. Immer mehr schmutzige Tricks werden bekannt.

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Udo Bauer

Unter UN-Diplomaten ist es ein offenes Geheimnis: Wer nicht abgehört wird, der ist nicht wichtig! Jeder weiß, dass Big Brother (sprich: einer der vielen US-Geheimdienste) mithört und verhält sich entsprechend vorsichtig. Deshalb war auch der Chef der Wiener Atomenergiebehörde IAEO, Mohammed al-Baradei, nicht überrascht, als die "Washington Post" am Sonntag (12.12.) über einen US-Lauschangriff auf ihn berichtete.

Der Ägypter, der seit 1997 der UN-Unterorganisation vorsteht, weiß schon lange, dass er von Washington zum Abschuss freigegeben ist. Spätestens seit er die amerikanischen Behauptungen, Saddam Hussein verfüge über ein Nuklearprogramm, als unwahr entlarvt hatte, ist er bei den "Bushmännern" unten durch. Obwohl er mit seiner Analyse recht hatte und die Amerikaner mit ihrer unrecht. Ist doch egal, sagt sich Joe Durchschnitts-Republikaner, wir müssen nach vorne schauen. Und beim Blick nach vorne gilt es für die US-Regierung, eine dritte Amtszeit des 62-jährigen Karrierediplomaten auf Teufel komm raus zu verhindern. Die Frage ist nur mit welchem Argument, denn al-Baradei ist beim Rest der Welt als ehrlicher Makler hochgeschätzt.

Der Zweck heiligt die Mittel

Also muss man etwas finden beziehungsweise "hören", was das Zeug zum Skandal hat. Eine Bemerkung, die den Ägypter als Gesinnungsgenossen des Teheraner Mullahregimes entlarvt käme geradezu wie gerufen - ein kleiner Vertuschungsversuch in Sachen iranisches Nuklearprogramm, oder eine kleine Vertraulichkeit zwischen Moslems oder so etwas. Aber nichts in diesem Sinne Verwertbares haben die Geheimdienste finden können. In der "Washington Post" haben drei anonyme Regierungsbeamte mal ganz locker aus dem nachrichtendienstlichen Nähkästchen geplaudert. Niemand regt sich über die Abhöraktion an sich auf. Wenn’s gegen den Erzfeind Iran geht, dann heiligt der Zweck scheinbar jedes Mittel. Wenn’s gegen die UNO geht, dann auch.

Die UNO ist aus der Sicht konservativer Amerikaner nichts als die Heimstatt des Anti-Amerikanismus mitten im Herzen Manhattans. Die UNO als Inbegriff des Multilateralismus ist schon fast so etwas wie der natürliche Feind der Bush-Regierung. Die UNO solle sich zum Teufel scheren, fordert beispielsweise die konservative Organisation "MoveAmericaForward.org". Sie gibt in einer Presseerklärung vom 13. Dezember an, 50.000 Unterschriften in nur zwei Wochen gesammelt zu haben für die Forderung, die UNO aus Amerika zu verbannen. Der aktuelle Aufhänger (aber beileibe nicht der einzige Grund für diese Forderung) ist der Skandal um das Öl-für-Lebensmittel-Programm der UNO. Die Weltorganisation, so heißt es auf der Webseite der Organisation, sei "die größte Quelle für die Terrorfinanzierung".

Anklage ohne Fakten

Viel weiß die Öffentlichkeit noch nicht über diesen Korruptionsskandal, bei dem es um illegale Deals mit Saddams Öl ging. Kofi Annans Sohn Kojo soll von einem solchen Geschäft profitiert haben, heißt es, bewiesen ist bisher nichts. Das hat allerdings Norm Coleman, einen republikanischen US-Senator aus Minnesota, nicht daran gehindert, schon Anfang Dezember den Rücktritt des Generalsekretärs zu fordern. Unerwähnt ließ der Senator dabei die Tatsache, dass die Amerikaner im UN-Sicherheitsrat vor dem Irakkrieg fast jedes einzelne Öl-für-Lebensmittel-Geschäft von ihren Geheimdiensten bzw. Ministerien überprüfen ließen.

Kofi Annan ist also, wenn überhaupt, dann nur indirekt verantwortlich. Acht lange Tage hat die US-Regierung nach Colemans Rücktrittsforderung gewartet, bis sie ihren UN-Botschafter Danforth sagen ließ, dass Annan bleiben soll. Nicht gerade ein überzeugender Vertrauensbeweis. Wenn seine Sicht der Welt nicht geteilt wird, dann lässt George Bush es zu, dass die UNO und ihre handelnden Personen in Misskredit gebracht werden.