UNO tief in der Korruptions-Krise
8. September 2005
Inkompetenz, Korruption, Schlamperei, Nachlässigkeit bis in die Führungsspitze: Was die Untersuchungskommission des früheren US-Notenbankchefs Paul Volcker herausgefunden hat, ist Zunder für die US-Regierung, denen die UNO schon lange ein Dorn im Auge ist.
Korruptionsvorwürfe bekräftigt
Die Ermittler haben zum wiederholten Mal vernichtende Kritik am Irak-Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel" der UNO vorgebracht und die UN-Führungsriege, mit Generalsekretär Kofi Annan an der Spitze, dafür verantwortlich gemacht. Das Programm sollte es dem Regime von Saddam Hussein ermöglichen, trotz der nach dem Golfkrieg 1991 verhängten Sanktionen begrenzte Mengen Öl zu exportieren, um Lebensmittel und Medikamente für die Bevölkerung zu erwerben.
Korrupte Beamte ermöglichten jedoch den Verkauf von mehr Öl zu höheren Preisen, als bewilligt worden war. Die Kommission erklärte in ihrem am Mittwoch (7.9.) in New York veröffentlichten Bericht, ein fehlender Ethik-Kodex bei den UN habe es Saddam Hussein ermöglicht, die Weltorganisation um 10,2 Milliarden Dollar zu prellen. Die UN hätten zudem zugelassen, dass der Irak außerhalb des Hilfsprogramms von 1997 bis 2003 für 8,4 Milliarden Dollar Öl verkauft habe.
Führungsschwäche
Die von Annan beauftragte Volcker-Kommission hatte zudem bei ihren einjährigen Nachforschungen "illegales, unethisches und korruptes Verhalten" auf Seiten der UN gefunden. Kofi Annan, seine Stellvertreterin Louise Frechette und der Weltsicherheitsrat hätten nach 1996 klare Hinweise auf Korruption und Verschwendung ignoriert, heißt es. Demnach hatte Annan im Verlauf der Jahre die Kontrolle über den größten humanitären Einsatz in der UN-Geschichte verloren.
"Insgesamt entsprach die Führung des Generalsekretärs nicht den Ansprüchen, die die UN-Organisation erfüllen sollte", konstatiert der Bericht. Allerdings war der UN-Apparat - laut Bericht - durch das schwierige Hilfsprogramm für Millionen Hunger leidende Iraker auch überfordert. Der Sicherheitsrat und sein Sanktionskomitee, dessen Führung zum Schluss kurzfristig in deutschen Händen lag, unternahmen ebenfalls nichts gegen die zu Tage tretenden Unregelmäßigkeiten.
Internationaler Skandal
Kritisiert wird in dem Bericht auch Annans Vorgänger Boutros Boutros-Ghali. Der Irak soll 1996 versucht haben, ihn zu bestechen. Es gebe aber keinen Beweis dafür, dass Boutros-Ghali das Geld jemals erhalten habe oder überhaupt von diesen Absichten etwas bemerkt habe.
Die Volcker-Kommission nahm zudem mehrere Schweizer Firmen ins Visier, darunter die Genfer Unternehmen AMEP, SGS und Cotecna. Die Untersuchungskommission beschuldigt den früheren Leiter des Hilfsprogramms, Benon Sevan, rund 150.000 Dollar (heute 97.000 Euro) an Schmiergeldern erhalten zu haben. Diese Summe sei ihm über einen Zwischenmann von der Firma African Middle East Petroleum (AMEP) auf ein Konto in New York überwiesen worden. Die beiden ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und Frankreich werden wegen ihrer Ölgeschäfte mit Bagdad abgemahnt.
Reue und Reformvorschläge
"Der Bericht geht sehr kritisch mit mir persönlich um, ich nehme die Kritik an", sagte Kofi Annan. Die Ergebnisse des Untersuchungsberichts "sind äußerst peinlich für uns alle". Damit sich ein derartiger Skandal nicht wiederholt, fordert die Volcker-Kommission Reformen in vier Schlüsselbereichen: (1) Für derartige UN-Programme soll künftig ein oberster Aufsichtsbeamter zuständig sein, der Personalentscheidungen auf der Basis von Qualifikationen und nicht aus politischen Erwägungen fällt. (2) Sämtliche Entscheidungen müssten von unabhängigen Revisoren überprüft werden. (3) Die Koordination zwischen den verschiedenen UN-Agenturen müsse verbessert werden. (4) Der Sicherheitsrat müsse über die UN-Programme, die er zu autorisieren habe, besser informiert sein.
Die UN bräuchten in der Verwaltung eine stärkere Führung als bisher, fordert der Bericht. Dazu sei eine Verwaltungsreform und die Schaffung verlässlicherer Kontrollmechanismen dringend erforderlich. Der neue US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, sagte: "Wir müssen die UN in einer Art und Weise reformieren, die einen weiteren Öl-für-Lebensmittel-Skandal vorbeugt." Davon hänge die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen ab. (arn)