Unklare Rolle Al-Kaidas im Iran
2. Mai 2013Die beiden in Kanada festgenommenen Terror-Verdächtigen - ein Palästinenser und ein Tunesier - sollen nach Angaben der kanadischen Polizei Unterstützung durch Al-Kaida-Mitglieder im Iran gehabt haben. Eine Beteiligung der iranischen Führung wurde dabei nicht unterstellt. Von iranischer Seite wurde die Behauptung umgehend als "wirklich lächerlich" (Außenminister Ali Akbar Salehi) und "haltlos" (Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast) zurückgewiesen. Der Iran habe weder politisch noch ideologisch eine Verbindung zu extremistischen Gruppen, schon gar nicht zu Al-Kaida, betonte Mehmanparast. Auch der Sprecher der iranischen UN-Mission, Miryousefi, weist "jegliche Verbindung Irans zu dieser Geschichte mit Entschiedenheit zurück." Al-Kaida habe "keine Möglichkeit, Aktivitäten im Iran durchzuführen, noch Operationen im Ausland vom Iran aus zu leiten", so der Sprecher.
Amerikanische Terrorismus-Experten wie Seth G. Jones von der Rand Corporation sind anderer Meinung. "Beweise für eine Partnerschaft zwischen Iran und dem Terrornetzwerk sind reichlich vorhanden", schreibt Jones in einem Beitrag für die Zeitschrift "Foreign Affairs". Er bezieht sich unter anderem auf Dokumente über Sanktionen des US-Finanzministeriums gegen Al-Kaida-Mitglieder im Iran.
Flucht aus Afghanistan
US-Nahostexperten weisen darauf hin, dass es nach dem Einmarsch der USA 2001 in Afghanistan nicht nur Fluchtbewegungen nach Pakistan gab. Mehrere hundert Al-Kaida-Mitglieder und ihre Familien sollen in den Iran geflohen sein. Viele seien ausgewiesen, andere unter Hausarrest gestellt worden.
"2009 und 2010 haben die Iraner den Hausarrest einiger Al-Kaida-Aktivisten gelockert. Allerdings unter der Voraussetzung, dass sie vom Iran aus keine Terroranschläge planen durften, erst recht nicht gegen den Iran selbst, und dass sie sich unverdächtig verhalten mussten", schreibt Jones. Solange Al-Kaida diese Spielregeln einhielt, hätten ihre Mitglieder im Iran gewisse Freiheiten genossen, Spenden zu sammeln oder mit der Zentrale in Pakistan und anderen Schwesterorganisation Kontakt aufzunehmen. Außerdem habe der Iran Al-Kaida-Kämpfern die Durchreise erlaubt.
Letzteres bestätigt auch der ehemalige Chef der Anti-Terrorabteilung des britischen Geheimdienstes, Richard Barrett, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Iran von den Reisen zwischen Irak und Pakistan keine Kenntnisse hatte." Eine aktive Zusammenarbeit oder eine strategische Allianz hält er jedoch für unwahrscheinlich. Der Iranexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Walter Posch, geht sogar noch weiter. "Al-Kaida-Elemente im Iran haben keine Handlungsfreiheit, schon gar nicht auf Feldern, die iranische Interessen berühren", sagt Posch gegenüber der Deutschen Welle. Er beschreibt das Verhältnis Teherans zu Al-Kaida als "Feindschaft", und daran werde sich auch nichts ändern.
Streitpunkt Syrien
Der schiitische Iran und die militant-sunnitische Al-Kaida haben des Öfteren ihre gegenseitige Ablehnung bekundet. Durch die Ereignisse in Syrien, wo zunehmend radikal-islamistische Gruppen wie Al-Kaida in den Kampf gegen das Regime Assads eingreifen, wird der Gegensatz verschärft. Anfang April griff der als Nachfolger Bin Ladens geltende Eiman al-Sawahiri in einer Audiobotschaft den Iran wegen seiner Unterstützung für Assad an. Der Iran habe sein wahres Gesicht gezeigt, so Sawahiri.
Was auch gegen autonome Aktivitäten von Al-Kaida im Iran spricht, ist die fehlende Basis in der Bevölkerung. Lange Zeit führte die Rebellengruppe Dschundullah ("Brigade Gottes") vor allem in der mehrheitlich sunnitischen Provinz Sistan und Belutschistan, die an Pakistan und Afghanistan grenzt, einen bewaffneten Kampf gegen Teheran. Die Organisation wurde von staatlicher Seite als Statthalter von Al-Kaida bezeichnet und bekämpft. "Elemente, die einer Organisation wie der Al-Kaida nahe stehen, müssten Belutschen sein", sagt Iran-Kenner Posch. "Deren radikalste Organisation, die Dschundullah, wurde aber besiegt und zerschlagen." Auch der iranische Belutschistan-Kenner Abdul-Sattar Doshoki glaubt nicht an Aktivitäten der Al-Kaida in der Provinz: "Dafür sind die iranischen Sicherheitskräfte nach den bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Dschundullah zu wachsam", sagte er gegenüber der Deutschen Welle.