Bei den Liberalen geht`s ums Ganze
16. September 2013Die Freie Demokratische Partei (FDP) verärgert mit ihrem Werben um die Zweitstimme von Unionswählern zunehmend ihren Regierungspartner. "Wir haben keine Stimme zu verschenken", erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin und fügte hinzu: "Wer will, dass Angela Merkel unsere Bundeskanzlerin bleibt, der muss mit beiden Stimmen CDU wählen". Damit wies Gröhe die Kampagne der FDP zurück, die durch Leihstimmen von Unions-Wählern ihren Einzug in den Bundestag sichern und eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition ermöglichen will. Der Spitzenkandidat der Freidemokraten, Rainer Brüderle, hatte zuvor in Berlin erklärt: "Wer Merkel haben will, wählt FDP". Parteichef Rösler sagte, die Parteiführung habe die Bundestagskandidaten angeschrieben und vorgeschlagen, dass diese vor Ort Absprachen mit dem jeweiligen Unionskandidaten treffen: Erststimme für die Union, Zweitstimme für die FDP. Eine entsprechende Vereinbarung mit der CDU im Bonner Wahlkreis von Bundesaußenminister Guido Westerwelle könne als Beispiel für die ganze Partei dienen.
Union will kein Risiko eingehen
Die Entscheidung über solche Absprachen liege bei den Kandidaten vor Ort im Wahlkreis. Mit der Erststimme wird der siegreiche Wahlkreiskandidat direkt in den Bundestag gewählt. Die restlichen Mandate werden entsprechend dem Anteil an Zweitstimmen ("Parteistimmen") auf die Parteien verteilt, die über fünf Prozent Wählerstimmen erhalten. Erringt eine Partei mehr Direktmandate, als ihr durch den Zweitstimmenanteil zustehen, dann bekommen andere Parteien Ausgleichsmandate.
In der Vergangenheit hatten die Liberalen bereits einige Male mit Hilfe sogenannter "Leihstimmen" von Union oder SPD die 5-Prozent-Hürde in den Bundestag genommen und waren zum kleineren Regierungspartner geworden.
Die Union steht jedoch noch unter dem Eindruck der verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen im Januar dieses Jahres, als viele Unionswähler mit ihrer Zweitstimme die Freidemokraten mit sensationellen 9,9 Prozent in den Landtag gehievt hatten. Der Grund: Die Union konnte die "Leihgabe" an die FDP bei den Zweitstimmen ("Parteistimmen") nicht durch ausreichend viele Erststimmen für ihre Direktkandidaten ausgleichen, so dass zum Schluss ein Mandat fehlte. Bei der bevorstehenden Bundestagswahl will die Union dieses Risiko nicht eingehen.
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel erteilte einer Wahlkampfhilfe zugunsten der FDP denn auch eine klare Absage. "Wir haben keine Stimme zu verschenken", sagte die Kanzlerin bei einem Wahlkampfauftritt im niedersächsischen Duderstadt. "Beide Stimmen für die CDU, das ist das Motto." Zugleich betonte sie, dass sie die Koalition mit den Liberalen nach dem 22. September fortsetzen wolle.
Jugendsünden belasten Grüne
Für die Grünen wird wenige Tage vor der Wahl nicht nur das unbefriedigende Abschneiden in Bayern (8,6 Prozent) zum Problem, sondern auch ein Kapitel aus der Vergangenheit. Spitzenkandidat Jürgen Trittin steht in der Kritik, weil er vor mehr als 30 Jahren die presserechtliche Verantwortung für das Kommunalwahlprogramm einer grünen Gruppierung trug. Darin wurde gefordert, dass einvernehmlicher Sex zwischen Erwachsenen und Kindern straffrei bleiben solle. Die Grünen haben den Göttinger Parteiforscher Franz Walter beauftragt, die Haltung der Partei in ihrer Anfangszeit zur Pädophilie zu untersuchen. Trittin sprach von Fehlern, die inzwischen längst korrigiert seien. Aus den Reihen von CDU und CSU gibt es vereinzelte Forderungen, Trittin solle von seiner Spitzenkandidatur zurücktreten. Die Dokumente zu Trittin seien letzte Woche gefunden worden, sagte Parteiforscher Walter: "Hätten wir sie zurückgehalten bis nach der Bundestagswahl, hätte man uns womöglich Vertuschung vorgeworfen". Die Debatte um die Haltung der Grünen zur Pädophilie hatte im März dieses Jahres mit Vorwüfen gegen den Europa-Politiker Daniel Cohn-Bendit begonnen.