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Politik

UNICEF beklagt "Kindheit im Wartezustand"

21. März 2017

Monatelanges Ausharren in Gemeinschaftsunterkünften, kein Zugang zu Bildung und kaum Privatsphäre: Eine Studie des UN-Kinderhilfswerks kritisiert die oft schlechten Bedingungen für Kinder in deutschen Flüchtlingsheimen.

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Deutschland Flüchtlinge Kinder vor Flüchtlingsunterkunft
Kinder sitzen vor einer Flüchtlingsunterkunft in Walgast, Mecklenburg-Vorpommern (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

"Der Ausnahmezustand" gehe für viele Kinder und Jugendliche nach der Flucht weiter, beklagte der Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, Christian Schneider, bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Sie verbrächten Monate oder sogar Jahre in Unterkünften, die nicht sicher seien, unter schlechten hygienischen Bedingungen, auf engem Raum ohne Privatsphäre und ohne Schul- oder Kitabesuch. "Ihr Alltag ist oft durch Tristesse und Warten gekennzeichnet", so Schneider. Dabei wünschten sich geflüchtete Familien "nichts sehnlicher, als anzukommen und neu zu beginnen."

Langes Ausharren in Gemeinschaftsunterkünften

Der UNICEF-Geschäftsführer stellte dazu die Studie "Kindheit im Wartezustand" des Bundesfachverbandes unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vor. Sie beleuchtet die Lebenssituation der rund 350.000 Kinder und Jugendlichen, die in den vergangenen zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind. Dazu befragte der Verband bundesweit 447 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter von Flüchtlingseinrichtungen sowie Flüchtlingsfamilien. Die Studie sei nicht repräsentativ, aber eine aussagekräftige Momentaufnahme, so Schneider.

Bei der Befragung stellten die Autoren der Studie fest, dass mehr als jeder fünfte Minderjährige über ein halbes Jahr lang in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen musste.

Ein Drittel der befragten Mitarbeiter gab die Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften mit ein bis drei Jahren an. Problematisch ist laut der Studie vor allem eine gemeinsame Unterbringung von Familien zusammen mit alleinstehenden Männern. Eine Nigerianerin berichtete den Autoren, sie habe das Gefühl, ihre siebenjährige Tochter "ständig beschützen zu müssen", seitdem sie das Badezimmer mit drei jungen Männern teilen müssten.

Eine andere Mutter berichtete: "Es gibt einige im Heim, die Kinder angefasst haben." Ihre Kinder dürften deshalb nicht mehr draußen spielen. Rund 22 Prozent der Befragten gaben an, dass Kinder in ihrer Einrichtung schon Zeuge von Gewalt geworden seien; zehn Prozent, dass die Minderjährigen selbst Opfer von Gewalt wurden. Die Dunkelziffer dürfte laut Bericht deutlich höher liegen.

Unterschiedliche Situationen

Die Studie sagt aber auch, dass die Bedingungen sehr unterschiedlich sind. Es gebe viele Positivbeispiele, so Adam Naber vom Bundesfachverband. Alle Kinder hätten das gleiche Recht auf Schutz und Förderung. Für viele hänge dennoch der Zugang zu Kita und Schule, die zügige medizinische Versorgung oder die Verweildauer in den Unterkünften vom Zufall ihres Aufenthalts im jeweiligen Bundesland oder ihrer Herkunft ab.

Kritik übte Naber an einer weiteren Ausweitung der Verweildauer in Not- und Gemeinschaftsunterkünften. Familien aus sicheren Herkunftsländern könnten schon jetzt unbefristet in solchen Unterkünften untergebracht werden.

rk/as (dpa, kna, afp)