Ungleiche Lebensverhältnisse in Deutschland
18. Mai 2009Deutschland ist in der regionalen Verteilung von Besitz und Einkommen dreigeteilt. Dies geht aus dem "ersten Armutsatlas für Regionen in Deutschland" hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am Montag (18.05.2009) in Berlin vorstellte. Am ärmsten ist demnach der Osten, am wohlhabendsten sind die Menschen in den südlichen Bundesländern, dazwischen liegen die west- und nordwestlichen Bundesländer.
Die Sozialforscher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes erarbeiteten den Atlas auf der Basis der regionalen Armutsquoten aus den Jahren 2005 bis 2007, die vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden errechnet wurden. Die Auswirkungen der Wirschaftskrise spiegeln sich in den Zahlen daher noch nicht wider. Als arm gilt, wem weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen. Die Karten geben eine Gesamtübersicht zur regionalen Verteilung von Armut in Deutschland.
Größte Unterschiede zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg
Das ärmste Bundesland, gemessen an der Armutsgrenze der deutschen und europäischen Statistik, ist Mecklenburg-Vorpommern. Hier lebt jeder Vierte unterhalb der Armutsgrenze. Es folgen Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bremen und Thüringen. Die wenigsten Armen leben dagegen in Baden-Württemberg mit einer durchschnittlichen Armutsquote von zehn Prozent und in Bayern mit elf Prozent. Nordrhein-Westfalen liegt mit fast 15 Prozent im unteren Mittelfeld, im westdeutschen Vergleich allerdings im unteren Drittel. Bremen ist mit einer Armutsquote von rund 19 Prozent das ärmste Bundesland in Westdeutschland, gefolgt vom Saarland mit fast 17 Prozent.
Die in dem Atlas erstmals veröffentlichten regionalen Quoten reichen von 7,4 Prozent im Schwarzwald bis zu 27 Prozent in Vorpommern. Die Spannweite in Westdeutschland ist insgesamt höher als in Ostdeutschland. Im Westen liegt die Armutsquote zwischen zehn Prozent und rund 19 Prozent. Im Osten reicht sie von 17,5 Prozent in Berlin und Brandenburg bis rund 24 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Bundesweit lag die durchschnittliche Armutsquote im Jahr 2007 den Angaben zufolge bei 14,3 Prozent.
Gängige Ost-West-Unterscheidung "greift zu kurz"
"Mit diesem Atlas wird ein neues Kapitel der Armutsberichterstattung aufgeschlagen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Dr. Ulrich Schneider, am Montag bei der Vorstellung des Armutsatlas. "Die regionale Betrachtung der Armut führt uns erstmals vor Augen, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief zerrissenes Land ist." Man habe sich viel zu lange durch bundesweite Durchschnittsquoten blenden lassen, so Schneider. Der Atlas belege aber, dass die gängige statistische Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland in der Wirklichkeit viel zu kurz greife.
"Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor", bilanzierte Schneider. Wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweise wie die reichste, habe das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun.
Wohlfahrtsverband kritisiert sozial ungerechte Mittelverteilung
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands forderte eine gezielte Förderung von Regionen und übte in dem Zusammenhang auch Kritik am Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Die zehn Milliarden Bundesmittel für Investitionen in Bildung und kommunale Infrastruktur flössen zu einem Drittel in die drei Bundesländer, die mit Abstand die geringsten Armutsquoten aufwiesen, beklagte Schneider. Eine solche Mittelverteilung sei ökonomisch unvernünftig und sozial ungerecht.
Besonders von Armut bedroht sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erwerbslose Personen sowie Alleinerziehende und deren Kinder. (kis/wa/dpa/epd/kna/afp)