Orban verliert Zweidrittelmehrheit
23. Februar 2015Die ungarische Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban hat ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament in Budapest verloren.
Bei einer Nachwahl in der westungarischen Stadt Veszprem errang der Oppositionskandidat Zoltan Kesz mit überraschend deutlichem Vorsprung das entscheidende Mandat, wie aus Angaben der Wahlbehörde hervorgeht.
Ein Votum mit Wirkung für das ganze Land
Nach Auszählung nahezu aller Stimmen lag Kesz mit 43 Prozent vor dem Fidesz-Kandidaten Lajos Nemedi, der 34 Prozent auf sich vereinen konnte. "Die Wähler in Veszprem haben die Erwartungen des ganzen Landes erfüllt und die Zweidrittel-Herrschaft des Fidesz beendet", sagte Kesz. Der neue Abgeordnete ist parteilos und wurde von linken und liberalen Oppositionsparteien unterstützt.
Erforderlich wurde die Nachwahl, weil der bisherige Mandatsträger Tibor Navracsics als EU-Kommissar nach Brüssel gegangen war. Mit ihrer Zweidrittelmehrheit hatte die seit 2010 regierende Fidesz-Partei eine neue Verfassung verabschiedet und zahlreiche Gesetze im Verfassungsrang geändert, darunter das Mediengesetz und die Wahlgesetze.
Navracsics und der unterlegene Nemedi gratulierten Kesz. "Der Wähler hat immer recht", sagte Navracsics im Fidesz-nahen Nachrichtensender Hir TV. In der Regierungspartei habe man nicht erwartet, dass das Veszpremer Mandat verloren gehen werde. Bei der Parlamentswahl im April 2014 hatte der jetzige EU-Kommissar das Direktmandat aus Veszprem noch mit 20 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen.
Kritik kommt von vielen Seiten
Kritiker werfen Regierungschef Orban autoritäre Tendenzen vor. Seine Anlehnung an das Russland von Präsident Wladimir Putin erregt bei den Bündnispartnern EU und NATO Argwohn. Zugleich hatten in den letzten Monaten Bürgerproteste Orbans Herrschaftsstil infrage gestellt.
Sicher ist: Ungarns Regierungschef hat mit der Zweidrittelmehrheit seiner Fidesz-Partei bereits unzählige Gesetze durch das Parlament gepaukt und die Gewaltenteilung faktisch ausgehebelt. Der wiederholt von der EU-Kommission gerügte Regierungschef ließ treue Gefolgsleute an die Spitze wichtiger Behörden und Gremien setzen, die Medien wurden faktisch einer staatlichen Zensur unterworfen. Vertrauensmänner Orbans ziehen inzwischen in vielen Behörden und Institutionen die Fäden.
haz/qu ( dpa, afp)