UN-Experte: Assange Opfer "psychischer Folter"
31. Mai 2019Der in Großbritannien inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach UN-Angaben Opfer "psychischer Folter". Der 47-Jährige sei in einem "extrem feindseligen und willkürlichen Umfeld" über viele Jahre "grausamer, inhumaner oder entwürdigender Behandlung" ausgesetzt gewesen, erklärte der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer. Assange weise "alle typischen Symptome" auf wie etwa "extremen Stress, chronische Angst und ein starkes psychisches Trauma". Insgesamt sei die Gesundheit des Australiers "schwer beeinträchtigt", sodass er nicht imstande sei, sich einem Gerichtsverfahren zu stellen, sagte der Melzer weiter. Er hatte Assange am 9. Mai zusammen mit zwei Medizinern im Gefängnis in London besucht.
Dämonisierung und Schauprozess
Melzer warf zudem den USA, Großbritannien, Ecuador und Schweden "gemeinschaftliche Verfolgung" Assanges vor. Sie hätten den Wikileaks-Gründer "isoliert, dämonisiert und misshandelt". Melzer nannte jedoch keine Namen beschuldigter Personen. Außerdem äußerte er die Befürchtung, in den USA könne es zu weiterer psychischer Folter sowie einem politisch motivierten Schauprozess kommen.
Der britische Außenminister Jeremy Hunt widersprach Melzers Darstellung auf Twitter und forderte den UN-Sonderberichterstatter auf, sich nicht mit "aufrührerischen Beschuldigungen" in die Rechtsprechung britischer Gerichte einzumischen.
Haftbefehl in Europa, Spionagevorwürfe in den USA
Mit Verweis auf den schlechten Gesundheitszustand Assanges hatte ein Gericht in London dessen Anhörung zum Auslieferungsgesuch der USA auf Juni verschoben. Derzeit sitzt Assange eine fast einjährige Gefängnisstrafe ab, zu der er im Mai wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verurteilt worden war. Das Urteil dazu war ergangen, weil Assange vor sieben Jahren vor der britischen Justiz in die ecuadorianische Botschaft in London geflohen war.
Die britischen Behörden hatten ihn gesucht, weil gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen aus Schweden vorlag. Als die ecuadorianische Botschaft Assanges Asylstatus am 11. Mai aufhob, nahm die britische Polizei den Australier fest. Die schwedische Staatsanwaltschaft hat inzwischen einen neuen europäischen Haftbefehl beantragt, nachdem die Anwältin des mutmaßlichen Opfers die Wiederaufnahme der Ermittlungen wegen Vergewaltigung beantragt hatte.
Der Australier Assange ist außerdem in den USA wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente und Verstößen gegen das Anti-Spionage-Gesetz angeklagt. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Er soll mit der Whistleblowerin Chelsea Manning zusammengearbeitet haben, die Assanges Enthüllungsplattform Wikileaks hunderttausende geheime Militärdokumente zugespielt hatte. Assange kündigte an, sich mit allen juristischen Mitteln gegen die Vorwürfe zu wehren.