UN: Russische Söldner kämpfen für Haftar
7. Mai 2020Ein vertraulicher Bericht eines UN-Expertengremiums ergab nach Aussagen von Diplomaten, dass Paramilitärs der russischen Sicherheitsfirma Gruppe Wagner an den Kämpfen gegen die Einheitsregierung in Tripolis teilnehmen, die von den Vereinten Nationen anerkannt wird.
"Das Gremium hat die Gegenwart privater Militärkräfte von Wagner in Libyen seit Oktober 2018 identifiziert", heißt es demnach in dem Bericht. Die Gruppe Wagner versuche in dem nordafrikanischen Land Einfluss zu gewinnen. Die Söldnertruppe stelle zudem technische Unterstützung, Spezialisten zur Luftraumüberwachung, Know How für elektronische Abwehrmaßnahmen sowie Scharfschützen. Ihr Einsatz habe Kampfkraft der Truppen des mächtigen Generals Chalifa Haftar "effektiv verstärkt".
Bis zu 1200 Söldner in Libyen
Die Zahl der in Libyen aktiven Wagner-Söldner konnten die UN-Experten nicht unabhängig überprüfen, schätzten sie aber auf zwischen 800 und 1200. Die UN-Beobachter gehen von 122 Wagner-Leuten aus, die direkt in Kämpfe verwickelt gewesen seien. 39 von diesen gehörten zu einer Scharfschützen-Einheit. Auch seien von 2018 bis 2019 Dutzende Flüge von Moskau in den Osten Libyens identifiziert worden, die entweder von der Firma selbst oder in ihrem Auftrag ausgeführt wurden - trotz eines geltenden UN-Waffenembargos für Libyen.
Die Gruppe Wagner ist eine private Sicherheitsfirma, der eine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt wird. Tausende ihrer Mitarbeiter sollen in Konfliktgebieten außerhalb Russlands von Syrien über die Ukraine bis hin zur zentralafrikanischen Republik im Einsatz sein. Drei russische Journalisten, die 2018 in der Zentralafrikanischen Republik über den angeblichen Einsatz von Söldnern aus ihrer Heimat recherchierten, waren bei ihrer Arbeit getötet worden. Die Hintergründe der Tat und die Machenschaften der Gruppe Wagner blieben dabei unklar. Ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Außenministeriums sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe sei ein "Instrument der Kreml-Politik" in Libyen.
Auch syrische Milizen präsent
Dem Bericht zufolge, der am 24. April dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, kämpfen auch syrische Milizionäre an Haftars Seite in Libyen. Es sei unklar, wer sie ausbilde oder finanziere, erklärten die Experten. Eine private syrische Fluggesellschaft habe jedoch seit Jahresbeginn mit mindestens 33 Flügen knapp 2000 Kämpfer nach Libyen gebracht.
Seit einem von der NATO unterstützten Umsturz 2011 und dem Tod des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi ist das nordafrikanische Land im Chaos versunken. Die Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen liefern sich seit mehr als einem Jahr heftige Kämpfe mit den Einheiten Haftars rund um die Hauptstadt Tripolis. Keine der beiden Seiten konnte bislang langfristige Erfolge verbuchen. Die Einheitsregierung ist schwach. Haftar kontrolliert einen Großteil des Ostens und Südens des Landes. Längst ist der Krieg auch zu einem Stellvertreter-Konflikt geworden: Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, Haftar unter anderem von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Frankreich und Russland.
Berliner Libyen-Konferenz
Bei einer internationalen Konferenz im Januar in Berlin waren Schritte zur Deeskalation in Libyen vereinbart worden. So verpflichteten sich die in den Konflikt verwickelten ausländischen Staaten, die Konfliktparteien nicht weiter zu unterstützen und das bestehende Waffenembargo einzuhalten. Es gelangen seither aber weiterhin Waffen ins Land, auch wird weiter gekämpft.
Der Kreml selbst hatte sich vor einigen Tagen noch beschwichtigend angesichts einer neuen Eskalation bei den Kämpfen um Tripolis gezeigt. "Moskau ist nach wie vor davon überzeugt, dass eine Lösung nur auf dem Weg einer politischen und diplomatischen Verständigung aller Parteien erreicht werden kann", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. "Wir glauben, dass es keine Alternativen dazu gibt, das Problem zu lösen." Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte, er glaube nicht, dass Russland Einfluss auf Haftar habe.
Im Februar hatte die Türkei verkündet, protürkische Syrer kämpften auf Seiten der Einheitsregierung in Libyen. Im Dezember hatte ein UN-Bericht zudem die Präsenz bewaffneter Gruppen aus dem Sudan und Tschad aufgelistet.
kle/sti (afp, dpa)