UN prüfen Menschenrechtsverstöße in Nordkorea
22. März 2013Die Entscheidung fiel einstimmig aus: Alle 47 Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates in Genf stimmten am Donnerstag (21.03.2013) dafür, den "systematischen, weitverbreiteten und schweren Menschenrechtsverstößen in der Demokratischen Volksrepublik Korea" nachzugehen. So steht es in dem Resolutionsentwurf, den Japan und die Europäische Union mit Unterstützung anderer westlicher Staaten vorgelegt hatten. Erstmals wird damit eine Kommission eingesetzt, die gezielt Informationen über alltägliche Menschenrechtsverletzungen in der abgeschotteten Diktatur sammeln und auswerten soll. Das Mandat für das dreiköpfige Untersuchungsteam läuft über ein Jahr.
Erst vor kurzem hatte der UN-Sonderberichterstatter für Nordkorea, Marzuki Darusman, dem Kim-Jong-Un-Regime vorgeworfen, die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung ständig mit Füßen zu treten. Besonders alarmierend seien die Zustände in den berüchtigten Gefangenenlagern, wo UN-Schätzungen zufolge bis zu 200.000 Menschen einsitzen. Darusman selbst konnte Nordkorea bislang allerdings noch nicht bereisen. Sein Bericht stützt sich vor allem auf die Angaben von nordkoreanischen Flüchtlingen.
"Positives Signal aus Genf"
Für Rajiv Narayan, Nordkorea-Experte bei Amnesty International, ist das eindeutige Votum des UN-Menschenrechtsrates dennoch ein Erfolg. "Die Mitglieder des Gremiums haben damit ein klares Signal an die nordkoreanische Führung gesendet." Wer Menschenrechtsverletzungen begehe, werde dafür zur Verantwortung gezogen. Der Vorstoß der Vereinten Nationen sei ein wichtiges und ermutigendes Zeichen.
An die Adresse Nordkoreas sendet Narayan eine klare Botschaft. "Wir appellieren dringend an die Regierung, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und den Mitgliedern uneingeschränkten Zugang zu gewähren." Ob diese Worte in Pjöngjang allerdings Gehör finden, ist fraglich. Der nordkoreanische UN-Botschafter jedenfalls schmetterte umgehend sämtliche Vorwürfe ab. Die Resolution sei ein gefälschtes und verzerrtes Dokument voller politischer Beschimpfungen, kritisierte Pyong Se-so. Darüber hinaus warf er den Vereinten Nationen vor, das Image Nordkoreas bewusst zu beschmutzen. Tatsächlich habe sein Land "in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte eines der besten Systeme der Welt."
Dramatische Zahlen
Die Realität sieht anders aus: Millionen Menschen in dem verarmten und gleichzeitig militärisch hochgerüsteten Land hätten tagtäglich unter den umfassenden Repressionen des Regimes zu leiden, so Rajiv Narayan von Amnesty International. Beispielsweise soll der hungernden Bevölkerung gezielt Nahrung vorenthalten werden. Einer in der vergangenen Woche veröffentlichten UN-Studie zufolge ist jedes vierte Kind im Land chronisch unterernährt. Und von den insgesamt gut 24 Millionen Einwohnern benötigen rund 2,8 Millionen regelmäßige Nahrungsmittelhilfen.
Besonders besorgniserregend seien die Zustände in den berüchtigten Gefangenenlagern. "Selbst Kinder werden dort festgehalten und zu harter körperlicher Arbeit gezwungen. Folter und Misshandlung sind an der Tagesordnung", so Narayan weiter. Was tatsächlich genau hinter den Mauern und Elektrozäunen der nordkoreanischen Straflager passiert, darüber gibt es nur spärliche Informationen. Denn es gibt kaum jemanden, der aus eigener Erfahrung darüber berichten kann.
Die erschütternde Lebensgeschichte des Shin Dong-hyuk
Einer der wenigen ist Shin Dong-hyuk. Seine Lebensgeschichte ist das derzeit wohl bekannteste nordkoreanische Flüchtlingsschicksal. Shin wird im sogenannten Lager 14 geboren, wächst dort auf. Mit 22 Jahren schafft er es zu entkommen und sich ins Ausland abzusetzen. Seine grausame Lebensgeschichte erscheint als Dokumentarfilm und als Buch: "Flucht aus Lager 14". Darin wird der brutale Alltag im Lager schonungslos geschildert: "Die Wärter schickten ihn wieder zurück in seine Zelle. Am Morgen des dritten Tages betraten ein Vernehmer sowie drei Wärter Shins Zelle. Sie legten ihm Fußfesseln an, befestigten ein Seil an einem Haken an der Decke und hängten ihn mit dem Kopf nach unten daran auf. Dann verließen sie die Zelle und verschlossen die Tür - alles, ohne ein Wort zu verlieren."
Nordkorea-Experten werten den Erfahrungsbericht als authentisch. Die Lagerinsassen sind der Willkür des Wachpersonals schutzlos ausgeliefert, müssen schon bei kleinsten Vergehen drakonische Strafen befürchten. Um Informationen aus ihnen herauszupressen oder Mithäftlinge zu denunzieren, werden sie gefoltert. So auch Shin, der die Fluchtpläne seiner eigenen Mutter verrät und im Alter von 14 Jahren mitansehen muss, wie sie hingerichtet wird. “Ein Becken mit glühender Holzkohle wurde gebracht und unter Shins Rücken geschoben. Einer der Helfer nahm einen Blasebalg und fachte die Glut an. Mittels der Winde wurde Shin abgesenkt. "Lasst ihn immer weiter herunter, bis er redet", befahl der Chef.” Seit 2005 lebt Shin Dong-hyuk mittlerweile in Freiheit – dort angekommen ist er allerdings bis heute nicht. Zu sehr ist er in seiner eigenen Vergangenheit gefangen. Shin möchte deshalb zurück dorthin, wo sein Leben geprägt und zerstört wurde: zurück nach Nordkorea.