UN-Klimakonferenz
6. November 2006Die Debatte ist beendet - die Fakten liegen auf dem Tisch: Der Klimawandel hat schon begonnen. Allenfalls das Ausmaß der Erderwärmung ist noch zu beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Bericht des Klimagremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Mehrere Hundert Wissenschaftler aus aller Welt haben den aktuellen Stand der Forschung zusammengetragen - und das Ergebnis ist niederschmetternd. "Global gesehen erwarten wir eine Temperatur-Zunahme von zweieinhalb bis vier Grad Celsius - je nach Szenario", sagt Martin Claußen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, der auf deutscher Seite an der Studie mitgearbeitet hat. "Für Deutschland würde das - im Falle einer starken Zunahme von Treibhausgas-Emissionen - eine Temperaturerhöhung von drei Grad Celsius bedeuten."
Drei Grad und die Folgen
Drei Grad Celsius: das klingt wenig, doch die Folgen wären verheerend. Eine britische Studie - vorgestellt vergangene Woche (30.10.) vom einstigen Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern - beschreibt eine dramatische Weltwirtschaftskrise und eine globale Depression. Doch noch sei Zeit zu Handeln, sagt der Wirtschaftswissenschaftler - und verspricht Profit und Jobs: "Wir können Wachstum haben und trotzdem die Umwelt schonen. Wir können neue Märkte erschließen, mit Hunderten Millionen Umsatz. Ökonomisch gesagt: Anpassung sichert uns die Gewinne. Ein 'Weiter so' verhindert Wirtschaftswachstum."
Die jüngste Datensammlung der Vereinten Nationen (Greenhouse Gas Data GHG 2006) zeigt: Der Ausstoß von Treibhausgasen hat in den Industrieländern ungeachtet der Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls wieder zugenommen. Entsprechend umreißt Yvo de Boer, Chef des UN-Klimasekretariats, die Ziele für die Konferenz von Nairobi: "Einer der wichtigsten Bereiche, die wir diskutieren werden, ist die Zukunft der Klimaschutz-Politik. Die Länder haben auf der UN-Klimakonferenz vor einem Jahr in Montreal einen großen Schritt getan im Kampf gegen den Klimawandel", sagt de Boer. "Denn wir haben zwei wichtige Dinge in die Wege geleitet: Erstens wurde das Kyoto-Protokoll endlich in Kraft gesetzt und zweitens wurden neue Verhandlungen über ein Abkommen nach 2012 vereinbart, wenn das jetzige Kyoto-Protokoll ausläuft."
Schwellenländer einbinden
Wichtig wird es auch sein, Schwellenländer wie Indien, China, Brasilien und Südafrika in den Prozess einzubinden. Deren Schadstoffausstoß wächst derzeit rasant - Reduktionsziele aber gibt es nicht. Ebenso wichtig ist der Einbeziehung der Entwicklungsländer. Sie tragen am wenigsten zum Klimawandel bei, wären aber am meisten betroffen. "Die Entwicklungs- und Schwellenländer dieser Welt sagen zu Recht: Wir sind nicht dafür verantwortlich, das ist eure Verantwortung in den Industriestaaten", sagt der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel. "Also helft uns bitte, eine Anpassungsstrategie zu finden, wie wir unsere Menschen schützen."
Ein erstes Instrument im Rahmen des Kyoto-Protokolls ist ein "Mechanismus für saubere Entwicklung" (Clean Development Mechanism, CDM). Der ermöglicht es Industrieländern, in nachhaltige Projekte in Entwicklungsländern zu investieren. Im Gegenzug werden handelbare Emissionsrechte erworben. Doch dies und die Verpflichtungen aus dem bis 2012 geltenden Kyoto-Protokoll reichen bei weitem nicht aus. Sigmar Gabriel: "Bis 2012 gibt es jetzt eine Verpflichtung, in Deutschland zum Beispiel 21 Prozent der Treibhausgase abzubauen, das schaffen wir auch, aber das wird nicht reichen. Danach werden wir auf 30, 40 und mehr Prozent gehen müssen."
"Bevor es zu spät ist"
Nach gängiger Meinung müssen die Industriestaaten zur Mitte des Jahrhunderts ihre Emissionen sogar um bis zu 80 Prozent verringern. Denn in der Hoffnung auf Wohlstand entstehen in Asien, aber auch in Afrika Tausende neuer Fabriken und Kraftwerke. Milliarden von Menschen wollen ihr erstes Auto kaufen. Für langwierige Prozeduren - beim Kyoto-Protokoll lagen zwischen Beschluss und In-Kraft-Treten acht Jahre - ist keine Zeit mehr.
Handeln ist gefragt, so wie es der Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, seit einiger Zeit tut: "Wir müssen einfach alles in unserer Macht stehende tun, um die Erderwärmung zu stoppen bevor es zu spät ist", sagt Schwarzenegger. "Für mich ist dabei am aufregendsten, dass wir Vorreiter für andere Staaten sind, die uns folgen werden. Schließlich wird uns auch die US-Bundesregierung folgen."
Das Problem: In Nairobi wird zwei Wochen lang darüber geredet, wie und mit welchem Mandat man ab 2007 über ein neues Kyoto-Protokoll reden sollte. Dieses Spiel auf Zeit hilft vielleicht denen, die beim Klimaschutz gerne auf die Bremse treten, wie die USA oder die Ölförderländer. Der Klimawandel schreitet unterdessen weiter voran.