UN-Klimakonferenz einigt sich auf Abschlusserklärung
20. November 2022Die Weltklimakonferenz hat sich erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern geeinigt. In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die rund 200 Staaten am frühen Sonntagmorgen außerdem ihre frühere Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt.
Damit bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Umweltschützer zurück, die ein Ende der Abhängigkeit von schmutzigen Energieträgern als zwingend betrachten. Der neue Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern - etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung.
Konkrete Summen werden nicht genannt
Die Frage hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Scharm el-Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde. In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll. Dies soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Auf diese Eingrenzung hatte besonders die EU gepocht.
In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.
Die Konferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmer ans Rote Meer gereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht zum Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen folgte am frühen Sonntagmorgen schließlich der Durchbruch.
Der Präsident der UN-Klimakonferenz Samih Schukri bezeichnete die zweiwöchigen Verhandlungen als mühsam. "Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet", so Schukri zum Ende der Konferenz. "Jegliche Ausrutscher, die es gegeben haben mag, waren nicht beabsichtigt."
Guterres: "Notwendiges Signal"
Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um. UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. "Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist eine dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen", sagte Guterres.
Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte "verletzlichen Staaten" aber Vorrang ein.
Guterres warf der UN-Klimakonferenz vor, zentrale Ziele verfehlt zu haben. Es sei dort nicht gelungen, die "drastischen Emissionssenkungen" auf den Weg zu bringen, die notwendig seien, um die Erderwärmung einzudämmen, sagte der UN-Generalsekretär in Scharm el-Scheich. "Unser Planet ist in der Notaufnahme", unterstrich Guterres die Dramatik der Lage. "Wir müssen die Emissionen drastisch verringern und dies anzugehen hat die Klimakonferenz versäumt."
Baerbock: "Neues Kapitel in der Klimapolitik"
Außenministerin Annalena Baerbock zog eine durchwachsene Bilanz der UN-Klimakonferenz. "Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander", sagte Baerbock zum Abschluss der Beratungen. Positiv wertete sie, dass besonders mit dem Beschluss für einen Fonds zum Ausgleich für klimabedingte Schäden "ein Durchbruch bei der Klimagerechtigkeit" geschafft worden sei. Damit schlage die Konferenz "ein neues Kapitel in der Klimapolitik" auf. Es sei auch verankert worden, "dass die Hilfe sich auf die verwundbarsten Länder konzentriert".
Frustrierend sei aber, "dass aufgrund der Blockade von einigen großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert wurden". Die Welt verliere dadurch "kostbare Zeit, Richtung 1,5-Grad-Pfad zu kommen".
Timmermans übt scharfe Kritik
EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans übte scharfe Kritik an der Vereinbarung. "Dies ist das entscheidende Jahrzehnt, aber was uns vorliegt, ist kein ausreichender Schritt nach vorne für die Menschen und den Planeten", sagte Timmermans, der auch Klimakommissar der Europäischen Union ist, in Scharm el-Scheich. Die Vereinbarung nimmt nach seiner Auffassung große Emittenten nicht in die Pflicht, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase stärker und schneller zu reduzieren. "Wir werden nicht aufhören, für mehr zu kämpfen", stellte Timmermans klar.
Bei der drängenden Eindämmung der Erderwärmung stellen Umweltorganisationen der Konferenz ein ungenügendes Zeugnis aus. Das "deprimierende Ergebnis" gehe darin nicht über die Klimakonferenz im vergangenen Jahr hinaus, kritisierte Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam Deutschland: "Schwer enttäuscht muss man darüber sein, dass die zwingend notwendige Abkehr von allen fossilen Energien im Abschlusstext nicht vorkommt - obwohl zahlreiche Länder genau das gefordert hatten."
2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.
Lob und Tadel von Greenpeace
Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichszahlungen, mahnte aber an: "Nun müssen die Verursacher der Klimakrise zu ihrer Verantwortung stehen und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen." Gerächt habe sich allerdings, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern seit Jahren die zugesagten Hilfszahlungen bisher schuldig geblieben sind.
Eigentlich sollten Letztere mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich unterstützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständliches Misstrauen ausgelöst, so Kaiser. "Hätten insbesondere die USA ihre Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besseren Verhandlungsposition gewesen, auch China und andere Schwellenländer schon jetzt zur Einzahlung in den Fonds zu verpflichten. Am Ende dieser Klimakonferenz klebt somit ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde."
haz/nob/ww (dpa, rtr, afp)