Hohe Zahl ziviler Opfer im Irak
19. Januar 2016Die aktuellen Zahlen haben das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und die UN-Unterstützungsmission im Irak in Genf vorgelegt. Die Daten stammen aus dem Zeitraum von Januar 2014 bis zum vergangenen Oktober. Neben mindestens 18.802 Toten verzeichneten die Vereinten Nationen auch 36.245 Menschen, die bei den kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak verletzt wurden. Zudem seien 3,2 Millionen Iraker vor Terror und Gewalt aus ihren Heimatregionen geflohen. Die UN machen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) für systematische Gewalt und massive Menschenrechtsverstöße bis hin zum möglichen Völkermord verantwortlich.
Der Bericht der Vereinten Nationen wirkt wie ein Kaleidoskop des Grauens: Zivilisten seien gezielt verschleppt und getötet worden, oftmals auf brutalste Art und Weise. Augenzeugen, auf deren Angaben der UN-Bericht beruht, hätten geschildert, wie Zivilisten geköpft, lebendig verbrannt, mit Bulldozern überfahren oder von Gebäudedächern in den Tod gestürzt worden seien. Zu den Opfern gehörten neben mutmaßlichen Gegnern des IS auch ehemalige Regierungsangestellte, Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten. Die UN berichten auch von Massengräbern. In einem seien 377 Leichen identifiziert worden.
Entführt, indoktriniert, versklavt
Die Vereinten Nationen haben zudem Hinweise, dass Kindersoldaten ermordet wurden. Es gebe Anzeichen, dass allein in der IS-Hochburg Mossul zwischen 800 und 900 Kinder entführt wurden, um sie religiös zu indoktrinieren und zu Kämpfern auszubilden.
Weiterer Vorwurf: Der IS soll etwa 3500 Zivilisten als Sklaven missbrauchen, in erster Linie Frauen und Kinder. Die meisten von ihnen seien Jesiden, vielen der IS-Sklaven würden aber auch anderen ethnischen und religiösen Minderheiten angehören. Das Vorgehen des IS gegen die irakische Volksgruppe der Jesiden könnte nach Einschätzung der UN als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar als versuchter Völkermord gewertet werden.
Vorwürfe gegen die irakische Armee
Die UN erheben auch Vorwürfe gegen die irakische Armee und gegen mit ihr verbündete Milizen. Mutmaßliche IS-Terroristen seien ohne Prozess getötet, andere verschleppt worden. Zudem ergreife die Armee Maßnahmen, die es Zivilisten immer wieder unmöglich machen, dem Terror zu entfliehen. Flüchtlinge seien teils verhaftet, teils in unsichere Regionen zurückgeschickt worden.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, warnt: Die tatsächliche Zahl der Toten könnte die bisher ermittelte noch weit übersteigen. Zudem seien diejenigen nicht erfasst worden, die an Hunger oder fehlender medizinischer Versorgung gestorben seien. "Der Bericht zeigt, welches Leid die Zivilisten im Irak ertragen müssen und wovor sie nach Europa und in andere Regionen fliehen", so Al-Hussein. In ihrer Heimat stünden die irakischen Flüchtlinge blankem Horror gegenüber.
Der IS war im Sommer 2014 im Irak in die Gebiete der Jesiden eingedrungen und hatte Tausende Menschen getötet und gefangengenommen. Die Extremisten bezeichnen die Jesiden als Teufelsanbeter. Die Gewalt gegen die Minderheit war der Anstoß für die USA, in den Konflikt einzugreifen.
AR/djo (AP/epd/dpa/Reuters)