1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Umsturz in Ägypten: Die wichtigsten Fragen im Überblick

Regina Mennig4. Juli 2013

Innerhalb von zwei Jahren haben die Ägypter mit Hilfe der Armee zwei Präsidenten gestürzt. Dazwischen beherrschten Proteste und Unruhen das Land. Ein Überblick über die Ereignisse seit der Revolution von 2011.

https://p.dw.com/p/19269
Flagge weht über einer Menge von Demonstranten in Alexandria (Foto: Ibrahim Ramadan / Anadolu Agency)
Anti-Mursi Proteste in Alexandria am 3. Juli 2013Bild: picture alliance/AA

Wann flammten die ersten massiven Unruhen in Ägypten auf?

Im Januar 2011 wird der Tahrir-Platz in Kairo zum Zentrum massiver Proteste gegen Korruption und soziale Ungleichheit in Ägypten - vor allem aber gegen das Regime von Präsident Husni Mubarak. Das brutale Eingreifen der Polizei hält die Menschen, überwiegend junge Ägypter, nicht davon ab, wochenlang zu demonstrieren. Am 11. Februar scheint eines der vorrangigen Ziele der Demonstranten erreicht zu sein: Über den Vize-Präsidenten Omar Suleiman lässt Mubarak nach fast 30 Jahren im Amt seinen Rücktritt verkünden. Die Macht übernimmt ein Oberster Militärrat unter Marschall Hussein Tantawi, der innerhalb von sechs Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten, ein Referendum darüber abhalten und eine neue Regierung wählen lassen will.

Hosni Mubarak (Foto: KHALED DESOUKI/AFP/Getty Images)
Wurde von den Demonstranten zum Rücktritt gebracht: Husni MubarakBild: K.Desouki/AFP/GettyImages

Was geschah in der Übergangsphase zwischen Mubarak und Mursi?

Die Zeit zwischen dem Sturz des alten Präsidenten Mubarak und der Wahl seines Nachfolgers Mohammed Mursi ist von ständigen Unruhen geprägt. Nachdem Teile der Bevölkerung die Rolle der Armee zunächst begrüßt haben, werden bald Vorwürfe laut, der Militärrat halte die bestehenden Herrschaftsstrukturen aufrecht und begehe zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Schon kurz nach der Machtübernahme durch das Militär versammeln sich wieder Tausende Menschen auf dem Tahrir-Platz - das Militär begegnet den Protesten mit Gewalt. Vor allem in den Tagen vor den Parlamentswahlen im November 2011 greift das Militär erneut hart gegen die Demonstranten durch.

Graffiti in Ägypten, das Mohammed Mursi zeigt (Foto: REUTERS/Khaled Abdullah)
Gewann die erste freie Präsidentschaftswahl in Ägypten: Mohammed MursiBild: Reuters

Aus den Parlamentswahlen geht die Muslimbruderschaft mit 40 Prozent der Stimmen als stärkste Partei hervor. Auch die ultrakonservativen Salafisten treten als politische Kraft in Erscheinung - ihnen gilt etwa jegliche Form von Unterhaltung als sündhaft, außerdem lehnen sie die Beteiligung von Frauen im öffentlichen und politischen Leben ab.

Wie entwickelte sich Mursis Amtszeit?

Am 12. Juni 2012 gewinnt Mohammed Mursi, der Spitzenkandidat der Muslimbruderschaft, mit 52 Prozent der Stimmen die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Ägypten. Beobachtern zufolge erklärt sich sein Wahlerfolg vor allem dadurch, dass sich die nicht-islamische Opposition nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen kann. Dazu kommt, dass die Muslimbruderschaft großen Rückhalt in der Bevölkerung hat, zuvor aber jahrzehntelang offiziell verboten war.

Von Beginn an ist Mursis Präsidentschaft geprägt vom Tauziehen mit dem Militär um die Macht im Staat. Im August 2012 setzt Mursi Verfassungszusätze außer Kraft, die seine Befugnisse zugunsten des Militärs eingeschränkt hätten. Im November 2012 erlässt er ein Dekret, das seine Weisungen immun gegenüber Anfechtungen durch das Verfassungsgericht machen sollte. Mursis Versuche, immer mehr Kompetenzen an sich zu ziehen, lassen Proteste aus Gesellschaft und Opposition immer lauter werden. Im Laufe seiner Amtzeit werfen Kritiker dem Präsidenten zunehmend vor, Staat und Gesellschaft zu islamisieren.

Ägyptens Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi und Mohammed Mursi (Foto: Reuters)
Ägyptens Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sissi und Mohammed MursiBild: Reuters

Was entfachte die neuen Proteste und Rücktrittsforderungen?

Mitte Juni, um den Jahrestag seines Amtsantritts, ernennt Mohammed Mursi sieben Muslimbrüder und ein Mitglied der ehemaligen Terrorgruppe Gamaa Islamija zu Provinzgouverneuren. Liberale Ägypter reagieren entsetzt, und im Laufe weniger Tage gehen immer mehr Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen Mursi. Die Massenproteste stehen am Ende einer bereits seit längerem laufenden Unterschriftenkampagne, mit der Mursi zum Rücktritt gezwungen werden soll. Die Initiatoren der Bewegung "Tamarud" (Rebellion) haben nach eigenen Angaben 22 Millionen Unterschriften gegen den Präsidenten gesammelt. Islamistische Politiker und Geistliche rufen die Ägypter auf, die legitime Führung im Land zu verteidigen. Doch mächtige Kräfte im Staat unterstützen die Forderungen der Demonstranten.

Demonstranten auf dem Tahrir-Platz (Foto: DW/Kristen McTighe)
Proteste gegen MursiBild: DW/K. McTighe

Welche Rolle spielt das Militär in Ägypten?

Die ägyptische Armee ist einer der wichtigsten Akteure auf der politischen Bühne im Land. Seit dem Ende der Monarchie im Jahr 1952 kommen alle Präsidenten vor Mursi aus den Reihen des Militärs: Mohammed Nagib, Gamal Abdel Nasser, Anwar al-Sadat und Husni Mubarak. Gleichwohl waren die Militärs ausschlaggebend etwa für Mubaraks Sturz - indem sie ein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz schließlich verweigert haben. Beim Sturz von Mohammed Mursi hat das ägyptische Militär nun einmal mehr seine Rolle behauptet und die Oberhand gewonnen. Es war General Abdel Fattah al-Sisi, Armeechef und Verteidigungsminister unter Mursi, der den Präsidenten vor ein Ultimatum stellte: Wenn er nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagiere, werde die Armee einschreiten. Und es war das Militär, das nun Mursis Festnahme verkündet und den Präsidenten des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, vorübergehend mit der Staatsführung betraut hat.

Anhänger der Muslimbrüder lässt sich weinend in die Arme von Umstehenden fallen (Foto: REUTERS/Khaled Abdullah)
Verzweiflung bei den Muslimbrüdern über den Sturz von MursiBild: Reuters