Umstrittene Kunstaktion beim Höcke-Haus
23. November 2017Eines ist der Künstlergruppe "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) zweifellos gelungen: Sie haben mit ihrem Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses von Björn Höcke von der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen für Aufmerksamkeit gesorgt.
Alle großen deutschsprachigen Medien haben berichtet. Reaktionen gab es auch von zahlreichen Politikern, Publizisten und Vertretern der Zivilgesellschaft. Die Reaktionen sind konträr – von bewundernd zustimmend bis vollkommen ablehnend.
Mit der Aktion reagiert das ZPS auf Äußerungen Höckes Anfang des Jahres in Dresden. Der thüringische AfD-Landeschef hatte unter anderem mit Blick auf das Berliner Holocaust-Mahnmal gesagt: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Das ZPS sagt dazu auf seiner Internetseite: "Die Zivilgesellschaft finanziert dieses Mahnmal. Das bedeutet: Wir können die grotesken Forderungen zur Geschichtspolitik nicht länger auf sich beruhen lassen."
Zustimmung für die umstrittene Künstleraktion in dem Dorf Bornhagen im Eichsfeld kam von der Mitinitiatorin des Berliner Holocaust-Mahnmals, Lea Rosh, die es eine "wunderbare Idee" nannte und so kurz vor der Weihnachtszeit eine "herrliche Bestrafung" für Höcke. Die thüringische Grünen-Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich gratulierte dem ZPS auf Twitter zu seiner Aktion:
Instrumentalisierung der Opfer
Allerdings mehren sich auch die kritischen Stimmen. Die Journalisten Philip Meinhold und Hanning Voigts kritisierten auf Twitter, mit dem Mahnmal habe das "Zentrum für politische Schönheit" die Opfer des Holocaust für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert.
Dem entgegnete der Publizist Andreas Kemper, ebenfalls auf Twitter, ein Holocaust-Mahnmal werde nicht instrumentalisiert, wenn es genutzt werde, um "auf die Nazi-Verstrickungen von Höcke aufmerksam zu machen".
Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, sagte dem Mitteldeutschen Rundfunk, dass er zwar Proteste gegen Björn Höcke begrüße, allerdings seien sie vor Höckes Privathaus fehl am Platz. Die Aktion sei "gut gemeint, aber schlecht gemacht".
Die Künstlergruppe gab auf seiner Internetseite an, Höcke zuvor über mehrere Monate hinweg beobachtet zu haben. Sie fordert Höcke auf, vor dem Mahnmal auf die Knie zu gehen. Sollte er dies nicht tun, so verkünden es die Künstler auf Facebook, "könnten wir uns gezwungen sehen zu verraten, was er am Führergeburtstag so getrieben hat".
Aktion womöglich strafrechtlich relevant
Besonders die Konzentration auf Höckes Privatleben erregt Kritik. Der AfD-Politiker ist verheiratet und hat vier Kinder. In einer Erklärung des AfD-Bundesvorstands heißt es: "Tatsächlich handelt es sich um einen Angriff auf die Menschenwürde und den offenkundigen Versuch, die private Existenz der Familie zu zerstören."
Der Präsident des Thüringer Landtags, Christian Carius (CDU), sieht sogar Parallelen zu autoritären Regierungen: "Das Abhören und Ausspionieren von Abgeordneten und ihren Familien gleicht den Zersetzungsmethoden der Staatssicherheit". Er forderte die rot-rot-grüne Landesregierung auf, dafür zu sorgen, "dass die Überwachung sofort beendet und die erforderlichen Ermittlungen eingeleitet werden". Es sei ein "unverzichtbares Wesensmerkmal unserer freiheitlichen Demokratie", dass aller politischen Gegensätze zum Trotz die Privatsphäre von Politikern nicht zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung werde. "Sippenhaft gibt es nur in totalitären Systemen".
In der "tageszeitung" hingegen kommentiert die Journalistin Dinah Riese, dass der Wohnort der Öffentlichkeit spätestens seit 2015 bekannt sei, vor allem durch Interviews, in denen Höcke das Haus selbst detailreich beschrieben habe. Für Riese gehe es um die Frage "ob wir als Gesellschaft die unsägliche Diskussion, wie Höcke und Konsorten sie führen wollen, aussitzen und somit zulassen – oder ob wir etwas entgegensetzen".
Adrian Kreye hingegen kommentiert in der "Süddeutschen Zeitung", das "Zentrum für politische Schönheit" habe der AfD ein politisches Geschenk bereitet. Björn Höcke könne sich nun als Verfolgter "linker Gesinnungshetze" stilisieren und öffentlich darüber nachdenken, ob er bei Neuwahlen nicht doch für den Bundestag kandidieren sollte.
Das "Zentrum für politische Schönheit" ist bekannt für seine oft umstrittenen Inszenierungen. 2014 montierten die Aktivisten aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik 14 Gedenkkreuze für Maueropfer am Spreeufer ab, später brachten sie sie wieder zurück.
Von der Polizei hieß es am Mittwoch, dass sie prüfen müsse, ob das Handeln des ZPS - insbesondere die vorgebliche Beobachtung Höckes - strafrechtlich relevant sei.