Umfangreiche Unterstützung für den Libanon
4. August 2021Präsident Emmanuel Macron hat zum Auftakt einer erneuten virtuellen Hilfskonferenz für den Libanon, zu der Frankreich eingeladen hat, weitreichende Hilfen für die notleidende libanesische Bevölkerung in Aussicht gestellt. Mit 100 Millionen Euro wolle Frankreich das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie den Ernährungs- und Agrarbereich fördern.
Der libanesischen Politik warf Macron Versagen auf allen Ebenen vor. Reformversprechen und Verpflichtungen seien nicht eingehalten worden und statt des Gemeinwohls verfolgten die Politiker Privatinteressen. Die andauernde Krise des Landes habe sich weiter verschlimmert. "Es wird keinen Blankoscheck für das politische System geben", warnte Macron. Hilfsgelder sollten direkt der Bevölkerung zu Gute kommen und ihr Einsatz überprüft werden.
Scharfe Kritik an der politischen Elite in Beirut
Die internationale Gemeinschaft stelle sich auf die Seite der Bevölkerung. Aber: "Der Libanon verdient etwas Besseres, als von internationaler Hilfe zu leben." Mit Blick auf die Aufarbeitung der Explosion forderte Macron von der libanesischen Politik Transparenz und Aufrichtigkeit. Zudem forderte der Präsident die politischen Entscheidungsträger im Libanon auf, die Hintergründe der Explosion aufzuklären. Dafür würden Frankreich und andere Länder "alle verfügbaren Informationen" zur Verfügung stellen.
Deutschland sagte rund 40 Millionen Euro zu, um die Menschen in Libanon, darunter auch syrische Flüchtlinge, zu unterstützen. Auch Außenminister Heiko Maas mahnte politische Reformen an und kritisierte die politische Elite des Landes. Die Krise sei zum Großteil menschengemacht, sagte er. "Die politischen Akteure Libanons sind ihrer Verantwortung und den berechtigten Erwartungen der libanesischen Bevölkerung nicht gerecht geworden." Weitere Unterstützung hänge von der Erstellung eines glaubwürdigen Reformprogrammes ab. Die deutschen Hilfsgelder sollen den Angaben nach für humanitäre Hilfe und eine Corona-Notfallinitiative der Vereinten Nationen ausgegeben werden.
Die Europäische Union will den Libanon mit 5,5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe im Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstützen, wie die EU-Kommission mitteilte. Die jetzt zugesagte Summe ergänzt für 2021 bereitgestellte Hilfsgelder im Umfang von 50 Millionen Euro. Begründet wurde die Zusatzspende mit hohen Corona-Infektionsraten im Libanon, während das nationale Gesundheitssystem vor dem Kollaps stehe und die Impfrate niedrig bleibe.
Von den USA kam die Zusage über zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von knapp 84 Millionen Euro (100 Millionen Dollar). Präsident Joe Biden drängte ebenfalls auf Reformen: "Keine Unterstützung von außen wird jemals ausreichen, wenn sich die libanesische Führung nicht dazu verpflichtet, die harte, aber notwendige Arbeit zur Reform der Wirtschaft und zur Korruptionsbekämpfung zu leisten", sagte er bei der Videokonferenz.
Die Geberkonferenz ist angesichts der humanitären Krise im Libanon bereits die dritte binnen drei Jahren auf Initiative der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.
Am 4. August 2020 war es auf dem Hafengelände von Beirut zu einer gewaltigen Detonation gekommen, die das Zentrum der Stadt verwüstete. Mehr als 190 Menschen wurden getötet und rund 6000 verletzt. Grund für die Explosion waren 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat, die jahrelang offenbar mit dem Wissen von Regierungsmitgliedern ungesichert im Hafen gelagert wurden. Niemand wurde bislang für die Katastrophe zur Verantwortung gezogen.
Seit dem Unglück hat sich die Wirtschaftskrise des kleinen Staates am Mittelmeer verschärft. Das Land steht am Rande des Staatsbankrotts. Nach Angaben der Weltbank leben mehr als die Hälfte der rund fünf Millionen Libanesinnen und Libanesen in Armut.
qu/uh (afp, dpa, epd, AA)