1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Opposition mobilisiert die Massen

1. Dezember 2013

Weit mehr als 200.000 Ukrainer haben bei Protesten in Kiew den Rücktritt von Präsident Janukowitsch gefordert. Im Regierungsviertel kam es zu Auseinandersetzungen, zahlreiche Menschen wurden verletzt.

https://p.dw.com/p/1ARHB
Demonstranten und Polizisten stehen sich in Kiew bei den Protesten gegenüber (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Kiewer ignorieren Demonstrationsverbot

Die Opposition hatte für diesen Sonntag zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen. In ukrainischen Hauptstadt Kiew riefen die Demonstranten in Sprechchören immer wieder "Revolution" und schwenkten EU-Fahnen als Forderung für einen Westkurs ihres Landes. Sie forderten den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch und verlangten außerdem Aufklärung über einen brutalen Polizeieinsatz gegen EU-Befürworter vom Samstag.

Eskalation im Regierungsviertel

Die Polizei hatte sich bei den neuen Protesten nach Berichten von Augenzeugen zunächst zurückgehalten. Als maskierte Demonstranten allerdings im Regierungsviertel in Kiew versuchten, mit einem Traktor Polizeiabsperrungen vor dem Präsidentensitz zu überwinden, eskalierte die Lage. Wie die Polizei mitteilte, hätten "Gruppen von Provokateuren" zudem "Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit, Steine und Feuerwerkskörper" in Richtung der Sicherheitskräfte geworfen. Die Polizei setzte massiv Tränengas sowie Blendgranten ein, um die Randalierer zu vertreiben.

Ein Demonstrant geht mit einem langen Stock gegen Polizisten vor (Foto: Reuters)
Zusammenstöße zwischen Polizisten und Demonstranten im RegierungsviertelBild: Reuters

Etwa hundert Polizisten und auch mehr als 20 Demonstranten sollen verletzt worden sein. Oppositionspolitiker verurteilten die Randale Hunderter teils vermummter junger Menschen.

Trotz Verbot Proteste auf dem Maidan

Bei zuvor friedlichen Protesten hatten sich deutlich mehr als 200.000 Menschen in der Hauptstadt versammelt. Beobachter sprachen von der größten Protestveranstaltung in Kiew seit der Orangenen Revolution vor neun Jahren. Ungeachtet eines gerichtlichen Verbots protestierte die Menge auch auf dem symbolisch bedeutenden Unabhängigkeitsplatz - dem Maidan - im Zentrum von Kiew.

"Wir bleiben hier", rief Oleg Tjagnibok, der Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda (Freiheit), seinen Anhängern am Maidan zu. Sie wollten auch Zelte auf dem Unabhängigkeitsplatz aufzustellen - so wie bei der prowestlichen Orangenen Revolution. Im Haus der Gewerkschaften am Maidan schlugen Regierungsgegner nach eigenen Angaben ein vorläufiges "Stabsquartier der Revolution" auf. Anhänger Tjagniboks besetzten auch das Rathaus.

Klitschko: Ziel ist der Regierungswechsel

Auch der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko war unter den Demonstranten. "Unser Ziel heute ist der vollständige Regierungswechsel in der Ukraine", rief er der Menge zu. "Heute ist die ganze Ukraine gegen die Regierung aufgestanden und wir werden bis zum Ende stehen", sagte Klitschko.

Pro-europäische Ukrainer demonstrieren seit Tagen gegen den außenpolitischen Kurs Janukowitschs. Dieser hatte auf dem EU-Gipfel zur östlichen Partnerschaft in Vilnius nach starkem Druck Russlands die Unterschrift unter ein Partnerschaftsabkommen mit der EU verweigert.

Janukowitsch versprach nun in einer Mitteilung, alles für eine schnelle Annäherung der Ex-Sowjetrepublik an die EU zu tun. Es gehe aber darum, wirtschaftliche Verluste zu vermeiden.

Demonstranten auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz, in Kiew (Foto: Reuters)
Generalstreik in der Ukraine: Beobachter sprechen von der größten Demonstration seit 2004Bild: Reuters

Massive internationale Kritik

EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton und Erweiterungskommissar Stefan Füle hatten das "exzessive" Vorgehen der Polizei gegen friedliche Protestteilnehmer am Samstag verurteilt. Auch das US-Außenministerium verlangte einen Verzicht auf jede "Einschüchterung und Gewalt" seitens der ukrainischen Regierung. Der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte Kiew mit Nachdruck auf, "die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und die friedlich Demonstrierenden vor jeder Art der Einschüchterung und Gewalt zu schützen".

Nach der massiven Kritik aus dem Ausland rügte schließlich auch Janukowitsch die Polizeigewalt als "zutiefst empörend". Er kündigte eine Untersuchung an, um die Verantwortlichen zu ermitteln und zu bestrafen. Der Polizei-Chef von Kiew reichte bereits seinen Rücktritt ein.

In der Nacht zum Samstag hatten etwa tausend Menschen auf dem Maidan ausgeharrt. Vor dem Morgengrauen begannen dann mehrere Polizeihundertschaften, mit Knüppeln auf die Demonstranten einzuschlagen und sie von dem zentralen Schauplatz der Orangenen Revolution im Jahr 2004 zu verdrängen. Aktivisten zufolge wurden dutzende Menschen verletzt.

kis/dh (dpa, afp, rtr)