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Ukrainer zwischen Empörung und Gelassenheit

Alexander Savitski4. Januar 2006

Wenn Moskau darauf spekuliert hatte, durch den Gasstreit einen Keil zwischen ukrainischer Regierung und Bevölkerung zu treiben, irrte es sich. Ein Stimmungsbild von den Straßen der Hauptstadt Kiew und aus der Provinz.

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Die Gaslieferung soll weitergehenBild: AP

Im Gas-Konflikt mit Moskau konnte die Regierung in Kiew auf die Unterstützung durch die Bevölkerung zählen. Dies hat eine interaktive Befragung von Zuschauern ukrainischer Fernsehkanäle noch einmal verdeutlicht. Mehr als 90 Prozent der Befragten waren danach bereit, für die Unabhängigkeit der Ukraine auch buchstäblich einen höheren Preis zu zahlen. Was nach Lage der Dinge einen erhöhten Gas-Preis einschlösse.

Auch wenn die Menschen auf den Straßen der ukrainischen Hauptstadt den Kurs ihrer Regierung stützten, so waren sie nicht einverstanden mit der von Gasprom zunächst verlangten Preis-Anhebung um fast das fünffache.

"Diese Position muss man verteidigen"

Eine Frau sagte: "Wir schätzen die Russen, aber die Haltung der russischen Regierung ist für uns einfach unverständlich. Dieser Druck und insbesondere die brisante Erklärung nur vier Stunden vor Neujahr - dieser Druck ist für uns sehr unangenehm. Wir sind mit der Haltung unserer Regierung einverstanden. Wir denken auch, dass der von Gasprom diktierte Preis zu hoch ist. Und diese Position muss man verteidigen."

Die Menschen lehnten den Druck ab, den Russland auf die Ukraine ausgeübt hat. Man betrachtete dies als diplomatischen Skandal und gab sich empört: "Ich habe die Hälfte meines Lebens in Russland verbracht. Aber das ist Erpressung. Eindeutig. Meine Haltung zu Russland hat sich schon vor einem Jahr negativ geändert", sagte ein Mann.

Allgegenwärtiges Thema

Der Konflikt ums russische Gas war in den vergangenen Tagen allgegenwärtiges Gesprächsthema. Kaum jemand auf den Hauptstraßen von Kiew war nicht bereit, seine Meinung zu äußern. Kritik an der ukrainischen Führung kam dabei selten. Sie wurde allenfalls von denen geäußert, die aus dem im Osten gelegenen, vorwiegend russisch-sprachigen Donezk-Gebiet kommen - so wie dieser Mann: "Wir sind nicht zufrieden mit der Haltung unseres Präsidenten Juschtschenko zu diesem Problem. Wir müssen diese Frage wohl selber lösen. Wir kommen aus Donezk."

Auf ungewöhnliche Weise wurde die Bevölkerung in der Ukraine zum Protest gegen die russische Politik aufgefordert. Per SMS rief man zum Boykott russischer Produkte auf. Die Menschen sollten sich an die Hungerjahre und den Terror des sowjetischen Geheimdienstes NKWD erinnern, lauteten die Botschaften. "Kauft keine russischen Waren!" - hieß es.

Eher Gelassenheit auf dem Land

Anders in der ukrainischen Provinz. Hier sind in den vergangenen Jahren viele lokale Gasleitungen installiert worden. Die Bauern wissen aber noch, wie es früher war. Der Konflikt mit Russland in den Tagen seit Neujahr regte sie nicht weiter auf. Dieser Mann sagte: "Ich habe einen Ofen zu Hause. Wenn es kein Gas mehr gibt - dann gibt es Holz. Es geht schon irgendwie." Jetzt nach der Einigung vom Mittwoch (4.1.2006) dürfte er aber weiter mit Gas heizen können.