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Ukraine: Impfungen für Geflüchtete

Gudrun Heise
15. März 2022

Viele Geflüchtete aus der Ukraine sind gesundheitlich angeschlagen und haben deshalb ein erhöhtes Risiko, sich mit einer Infektionskrankheit anzustecken. Ein vollständiger Impfschutz ist wichtig - für alle.

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Spritze mit Corona-Impfstoff
In Zeiten von Krisen und Kriegen geraten wichtige Impfungen schnell in Vergessenheit. Dabei sind sie dann besonders wichtig. Bild: Weber/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Knapp drei Millionen Menschen sind bislang aus der Ukraine geflohen, die meisten von ihnen zunächst nach Polen, gefolgt von Ungarn, der Slowakei und Rumänien, einige auch in die Republik Moldau. Viele von ihnen haben in feuchten Kellern oder in kalten U-Bahn-Stationen ausgeharrt, dicht an dicht.

Auf Abstands- oder Infektionsschutzregeln kann unter diesen Umständen niemand achten. Viele der Geflüchteten benötigen dringend medizinische Hilfe und Impfungen.

Dazu kommt: Durch die Coronavirus-Pandemie sind viele Impfungen, die vor bekannten Infektionskrankheiten schützen, nahezu in Vergessenheit geraten. Aber auch diese werden dringend empfohlen. 

Das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) sowie in Deutschland die Ständige Impfkommission (STIKO) und das Robert Koch-Institut (RKI) haben dazu eine Prioritätenliste zusammengefasst:

COVID-19  

Die Impfung gegen COVID-19 hat für alle Personen höchste Priorität. Die meisten Ukrainer wurden mit dem russischen COVID-19-Impfstoff Sputnik V oder dem chinesischen Sinopharm geimpft. Beide haben keine EU-Zulassung. Für die Geflüchteten heißt das, sie gelten in der EU als nicht geimpft. Die Empfehlung der STIKO lautet, dass sie sich mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty von BioNTech/Pfizer oder mit Spikevax von Moderna gegen COVID-19 impfen lassen.

Die Krux: Beide Impfstoffe erfordern zwei Impfungen und einen Booster für einen vollständigen Impfschutz. Da viele Geflüchtete ihren Aufenthaltsort häufiger wechseln müssen, kann das die Folgeimpfungen erschweren. Das ECDC tendiert deshalb zu einem Einmalimpfstoff wie Janssen von Johnson & Johnson. 

Die STIKO empfiehlt allen Kindern und Jugendlichen im Alter von 12-17 Jahren eine COVID-19-Impfung. Doch auch jüngere Kinder können auf besonderen Wunsch hin bzw. in individuellen Fällen eine Impfung bekommen.

Impfen gegen Polio

Polio

Die Impfung gegen Poliomyelitis (kurz: Polio) wird im Alter von zwei Monaten bis fünf Jahren empfohlen. Alle zehn Jahre muss die Polio-Impfung (IPV) aufgefrischt werden.

Polio ist hochansteckend und betrifft vor allem Kinder. Aber auch Erwachsene sind ohne Impfschutz vor einer Ansteckung mit dem Virus nicht gefeit. 

Bis in die 1960er Jahre war Polio weltweit sehr stark verbreitet. Viele Länder aber gelten mittlerweile als frei von Polio. Derzeit gibt es die Erkrankung nur noch in Afghanistan, Pakistan und Nigeria. Allerdings wurde 2021 auch in der Ukraine ein Polio-Fall bei einem Kleinkind bestätigt.

Masern, Mumps und Röteln

Die Impfung gegen Masern steht ebenfalls weit oben auf der Liste, sie sollte allerdings nach der Impfung gegen COVID-19 erfolgen, da das Infektionsrisiko höher ist. Doch auch Masern sind hochansteckend. Gegen Masern, Mumps und Röteln wird ein Kombinationsimpfstoff verabreicht: MMR

Die Impfung erfolgt im Alter von zwei Monaten bis fünf Jahren. Kindern unter fünf Jahren sollte der MMR-Impfstoff allerdings nicht zusammen mit dem gegen Varizellen (Windpocken) gegeben werden. 

Infografik: Weltkarte Masernfälle
Die Masern sind weltweit noch immer nicht ausgerottet

Auslöser der Masern ist das Morbillivirus. Übertragen wird es ausschließlich von Mensch zu Mensch. Mitte Februar 2022 gab es in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) insgesamt elf neue Fälle von Masern: acht in Deutschland, einen in Irland und zwei in Polen.

Diphtherie, Tetanus, Pertussis (Keuchhusten)

Die Impfung erfolgt im Alter von zwei Monaten bis fünf Jahren mit einem Kombinationsimpfstoff, DTaP. Die Tetanus-Impfung muss alle zehn Jahre aufgefrischt werden. 

HiB

Haemophilus influenzae Typ b ist eine eher unbekannte Krankheit, die aber besonders bei Säuglingen und Kleinkindern schwer verlaufen kann. Die Impfung wird ab zwei Monaten bis zum Alter von fünf Jahren empfohlen, sie kann auch als Mehrfachimpfstoff verimpft werden. 

Hepatitis B (HBV)

Die Impfung erfolgt im Alter von zwei Monaten bis fünf Jahren. Sexueller Kontakt ist der häufigste Grund für eine Infektion mit Hepatitis B. Übertragen wird das Virus über Körperflüssigkeiten wie Speichel, Samen und Scheidenflüssigkeit. Aber auch Urin oder Blut können Auslöser für eine Infektion sein. Auch Kinder können sich mit dem Hepatitis-B-Virus anstecken: über die Muttermilch.

Weitere Impfungen, die gegen Infektionskrankheiten empfohlen werden, sind Impfungen gegen Meningokokken, Pneumokokken, Grippe und Tuberkulose. Das RKI hat dazu eine entsprechende Liste in 21 Sprachen veröffentlicht, unter anderem auf Russisch, Polnisch, Rumänisch.

Infografik: Mindestens empfohlene Impfungen

Wenn die Impfdokumente fehlen

Gerade bei Geflüchteten ist oft nicht klar, wer bereits gegen welche Infektionskrankheit geimpft ist und ob Impfschutz besteht. 

Gibt es keinerlei Impfdokumente, sollten Impfungen, die nicht dokumentiert sind, als nicht durchgeführt angesehen werden, so die Empfehlung. "Glaubhafte mündliche Angaben zu bereits erfolgten Impfungen können jedoch berücksichtigt werden", heißt es auf der Webseite des RKI.

Geflüchtete brauchen besonderen Schutz

"Flüchtlinge und Migranten tragen potenziell ein höheres Risiko in Bezug auf Infektionskrankheiten", schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), "da sie während des Migrationsprozesses verstärkt Erregern ausgesetzt sind, nicht oder nur zeitweise Zugang zur Gesundheitsversorgung haben und unter ungünstigen Bedingungen leben müssen." Deshalb sei es notwendig, sie zu schützen und sicherzustellen, dass das an vorderster Linie eingesetzte medizinische Personal sich der Risiken bewusst ist.

Interview mit Berit Lange zur pandemischen Lage in der Ukraine

Um das Infektionsrisiko unter den Flüchtenden einzudämmen, sollte die medizinische Versorgung so unbürokratisch wie möglich sein und mithilfe von Dolmetschern, so Berit Lange, Leiterin der klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. So ließe sich vielleicht auch die Impfquote unter den ankommenden Menschen erhöhen.

Auch in den Aufnahmeländern muss geimpft werden

Impfungen sind die einzige Möglichkeit, wie sich Menschen gegen COVID-19, aber auch vor Masern, Polio und anderen Infektionskrankheiten wirksam schützen können. Die Pandemie hat das besonders deutlich gemacht. 

Die Impfempfehlungen gelten also nicht nur für Geflüchtete. Auch die Menschen in den Ländern, in denen Ukrainer Zuflucht suchen, sollten geimpft werden. Die WHO empfiehlt, "dass die ansässige Bevölkerung vollständig geimpft ist", und dass die Geflüchteten in Massenimpfungen und Routineimpfungen einbezogen werden.