Ukraine: Gruppe Wagner gibt Waffen ab
12. Juli 2023Das Wichtigste in Kürze:
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Söldnergruppe Wagner hat große Mengen Waffen abgegeben
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Gründungssitzung des NATO-Ukraine-Rats bei Gipfeltreffen in Litauen
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G7-Staaten wollen Luft- und Seestreitkräfte der Ukraine stärken
- Baltenstaaten vereinfachen Zugang für NATO-Verbündete zu Luftraum
Die Privatarmee Wagner des Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin hat nach offiziellen Angaben massenhaft schwere Waffen, Militärgerät und Tausende Tonnen Munition ans russische Verteidigungsministerium übergeben. Darunter seien auch Panzer, Mehrfachraketenwerfer und zahlreiche Artilleriesysteme, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow. Zudem habe Wagner 2500 Tonnen Munition verschiedenen Typs sowie 20.000 Schusswaffen abgegeben.
Die russische Militärführung veröffentlichte ein Video von den schweren Waffen und ihrer Verladung auf Transportfahrzeuge. Die ganze militärische Ausrüstung werde nun gewartet und dann "ihrer Bestimmung" zugeführt, sagte Konaschenkow.
Die Wagner-Armee hatte in Russlands seit mehr als 16 Monaten laufendem Angriffskrieg gegen die Ukraine immer wieder Gebiete erobert, darunter die Stadt Bachmut. Im vergangenen Monat zettelte Prigoschin jedoch einen Aufstand gegen Moskau an, den er 200 Kilometer vor der Hauptstadt nach nicht einmal 24 Stunden abbrach. Im Gegenzug bekam er mit seinen Leuten Straffreiheit zugesichert. Wenige Tage später trafen sich Prigoschin und Dutzende seiner Wagner-Kommandeure mit Präsident Wladimir Putin. Zu den Ergebnissen machte der Kreml keine Angaben. Während des Aufstands hatte Putin noch von "Verrat " gesprochen.
Erste Sitzung des NATO-Ukraine-Rats
Beim NATO-Gipfel in Vilnius ist als Zeichen der Annäherung an die Ukraine an diesem Mittwoch erstmals der neu geschaffene NATO-Ukraine-Rat zusammengekommen. Zur Gründungssitzung wurden die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet. Der neue NATO-Ukraine-Rat solle "auf Augenhöhe" Verhandlungen über die transatlantische Sicherheit ermöglichen, sagte der Generalsekretär des westlichen Verteidigungsbündnisses, Jens Stoltenberg, schon vor Tagen.
Selenskyj übt Druck auf das Militärbündnis aus, den Weg für die Ukraine zu einer NATO-Mitgliedschaft freizumachen. Die NATO-Spitzen knüpfen die erhoffte Beitrittszusage an das von Russland angegriffene Land jedoch an eine Reihe von Bedingungen. Das geht aus einer in Vilnius beschlossenen Erklärung hervor, aus der die Deutsche Presse-Agentur zitiert. "Die Zukunft der Ukraine ist in der NATO", heißt es demnach wörtlich in dem Papier.
Als Beispiel für die zu erfüllenden Vorbedingungen wurden "zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors" genannt. Unklar wird in der Erklärung gelassen, ob ein Beitritt erst dann erfolgen kann, wenn alle von Russland besetzten Gebiete wieder befreit sind oder Gebietskonflikte vertraglich beigelegt worden sind. Das kann als Formulierung gedeutet werden, die einen möglichen NATO-Beitritt auch bei einem dauerhaft eingefrorenen Konflikt nicht ausschließt. Mit den Einschränkungen wird auf die Vorbehalte von Ländern wie Deutschland und den USA eingegangen.
G7 machen der Ukraine Sicherheitszusagen
Die G7-Gruppe großer Industriestaaten haben gegenüber der Ukraine langfristige und umfassende Sicherheitszusagen getroffen. In einer zum Ende des NATO-Gipfels veröffentlichten Erklärung kündigten die G7 an, sie wollen "spezifische, bilaterale und langfristige Sicherheitszusagen und -Regelungen" für die Ukraine erarbeiten. Diese Hilfen sollen zeitlich über den gegenwärtigen Krieg gegen die russischen Invasionstruppen hinausgehen, wie aus der Erklärung hervorgeht.
Die Verhandlungen mit der Ukraine über diese Hilfen sollten der Erklärung zufolge noch an diesem Mittwoch beginnen. Sie sollen bilateral zwischen der Ukraine und den einzelnen Mitgliedstaaten der G7 - USA, Kanada, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan - geführt werden. In Aussicht gestellt werden auch moderne Ausrüstung für Luft- und Seestreitkräfte. Bislang unterstützen die G7-Staaten vor allem die Landstreitkräfte der Ukraine durch Waffenlieferungen.
Der Kreml hat die langfristigen Sicherheitszusagen der G7 als Gefahr für Russlands Sicherheit bezeichnet. "Wir halten dies für einen extremen Fehler und potenziell für sehr gefährlich", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen in Moskau. Wenn die G7-Staaten der Ukraine Zusagen irgendeiner Art gäben, ignorierten sie das internationale Prinzip der "Unteilbarkeit der Sicherheit, meinte Peskow. "Das heißt: Indem sie der Ukraine Sicherheitsgarantien geben, verletzen sie Russlands Sicherheit." Moskau hoffe noch auf "Weisheit" im Westen. Andernfalls machten die Länder Europa "für viele, viele Jahre noch viel gefährlicher".
Baltenstaaten vereinfachen Zugang für NATO-Staaten zu Luftraum
Estland, Lettland und Litauen geben ihren NATO-Verbündeten uneingeschränkten Zugang zu ihrem gemeinsamen Luftraum, um den Himmel über den baltischen Staaten zu schützen. Dies vereinbarten die Verteidigungsminister der drei an Russland und Belarus grenzenden Staaten am Rande des NATO-Gipfels. Damit können alle NATO-Staaten den Luftraum ohne Voranmeldung nutzen.
Estland, Lettland und Litauen besitzen keine eigenen Kampfjets. Die NATO sichert deshalb bereits seit 2004 den baltischen Luftraum. Dazu verlegen die Verbündeten im regelmäßigen Wechsel Kampfflugzeuge samt Personal in die Ostseestaaten im Nordosten Europas. Stationiert sind die Einheiten auf Militärflughäfen in Siauliai (Litauen) und Ämari (Estland). Im kommenden Jahr wird der Luftraum auch aus Lielvarde (Lettland) überwacht.
Russischer Verteidigungsminister Schoigu droht mit Streumunition
Russland sieht sich nach den Worten von Verteidigungsminister Sergej Schoigu gezwungen "ähnliche" Waffen einzusetzen, sollten die USA Streubomben an die Ukraine liefern. Russland besitze Streubomben, die sogar effektiver seien, habe bislang aber davon Abstand genommen, sie einzusetzen, zitieren russische Nachrichtenagenturen Schoigu.
Schoigu wies darauf hin, dass sich weder die USA noch die Ukraine noch Russland dem internationalen Abkommen zur Ächtung von Streumunition angeschlossen hätten. Ihr Einsatz werde den Krieg verlängern, warnte der Minister.
Die über dem Boden explodierenden Bomben verteilen viele kleine Sprengkörper über größere Flächen. Weil oft viele davon nicht sofort explodieren, gelten sie wie Minen als Gefahr für Zivilisten auch in der Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen. Deutschland und 110 andere Staaten haben sie deswegen mit einem internationalen Abkommen geächtet.
Ukraine: Kiew erneut Ziel eines russischen Drohnenangriffs
Die Hauptstadt Kiew ist laut ukrainischen Angaben in der Nacht erneut Ziel eines russischen Drohnenangriffs geworden. Die ukrainischen Luftstreitkräfte konnten nach eigenen Angaben elf von 15 Flugkörpern abschießen. In der südöstlich von Kiew gelegenen Region Tscherkassy wurden nach Behördenangaben zwei Menschen verletzt. Die Ukraine wehrt seit über 16 Monaten mit westlicher Hilfe - darunter auch mit modernen Flugabwehrsystemen - die Attacken ab. Moskau nutzt vor allem Shahed-Drohnen iranischer Bauart für den Beschuss des Nachbarlandes.
Botschafter: Neue Waffenhilfen aus Berlin reichen nicht
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, bewertet das neue Hilfspaket der Bundesregierung für sein Land sehr positiv. Makeiev sagt im "Welt-Talk" des "Welt"-Nachrichtensenders: "Jede Unterstützung hilft uns." Mit solchen Hilfen "werden unsere Soldaten besser geschützt, besser vorbereitet und sie haben bessere Chancen gegen eine verbarrikadierte russische Armee in den besetzten Gebieten." Doch der Botschafter fügte hinzu: "Ob es reicht? Leider nicht!" Mit wenigen Leopard-Panzern verteidige man nicht die Kampflinie über 1500 Kilometer.
Es würden zudem mehr Luftabwehrsysteme benötigt, um Städte und Zivillisten zu schützen, aber auch die Truppen an der Front. Außerdem brauche die Ukraine mehr gepanzerte Fahrzeuge und Panzer.
ust/ehl/sti/kle/qu/fw (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.