1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ukraine: Stellungnahme in Europa

19. April 2007

In den europäischen Institutionen verfolgt man den Machtkampf in der Ukraine mit Sorge. Präsident und Regierungschef nahmen in persönlichen Gesprächen mit EU-Kommission und Europarat Stellung zur innenpolitischen Krise.

https://p.dw.com/p/AGyw
Wiktor Juschtschenko und Jose Manuel Barroso in Brüssel (17.04.2007)Bild: AP

Regierungschef Wiktor Janukowytsch sprach am 17. April vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg, Präsident Wiktor Juschtschenko mit der EU-Kommission in Brüssel. Der eher pro-russische Regierungschef Janukowytsch drohte dem mehr pro-westlichen Präsidenten erneut mit einem Amtsenthebungsverfahren, sollte das Verfassungsgericht der Ukraine die Auflösung des Parlaments als verfassungswidrig einstufen. "Dann muss er die Folgen einer Verletzung der Verfassung tragen", sagte der Regierungschef in Straßburg. Das Gericht hat seine Beratungen darüber jetzt aufgenommen, mit einem Urteil wird nicht vor Monatsende gerechnet.

Präsident Juschtschenko bekräftigte nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Neuwahlen zum Parlament seien unerlässlich, um die politische Krise zu beenden. "Wir sind entschlossen, die parlamentarische Krise in der Ukraine demokratisch zu lösen. Wir haben nicht über den Einsatz von Gewalt gesprochen und wir werden nicht darüber sprechen", so Juschtschenko. Er versicherte der Europäischen Union, er werde sich an das Urteil des Verfassungsgerichts halten.

Gemeinsames Ziel EU

Auch wenn sich der Präsident und sein Widersacher derzeit unversöhnlich gegenüberstehen, ein Ziel eint sie doch: Beide wollen die Ukraine in die Europäische Union führen. "Wir haben die feste Absicht, exzellente und stabile Beziehungen zur EU zu unterhalten, die uns am Ende zum Eintritt in die Union führen", so Janukowytsch. Eine volle Mitgliedschaft der Ukraine lehnt die EU bis auf weiteres jedoch ab. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner setzt auf die so genannte Nachbarschaftspolitik. "Die Nachbarschaftspolitik zielt nicht auf eine Mitgliedschaft, aber diese Haltung ist nicht für alle Zeiten festgelegt", stellte Ferrero-Waldner klar. Die Nachbarschaftspolitik umfasst ein Freihandelsabkommen zur Intensivierung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen, eine enge politische Kooperation sowie Beihilfen.

Nachbarschaftspolitik statt Mitgliedschaft

Immerhin gibt die EU bis 2010 rund eine halbe Milliarde Euro Beihilfen für den Aufbau von demokratischen Strukturen an die Ukraine. Über ein weitreichendes Partnerschaftsabkommen wird seit März mit der Regierung Janukowytsch beraten, so EU-Kommissionspräsident Jose Barroso. "Wir haben vor kurzem die Verhandlungen über ein neues umfassendes Abkommen aufgenommen. Das ist ein Grund mehr, warum Stabilität und Demokratie in der Ukraine notwendig sind", so Barroso. Die derzeitige Krise in der Ukraine werde zwar zu Verzögerungen im Verhandlungsprozess führen, sagte Barroso weiter, aber er glaube, dass beide Kontrahenten, Janukowytsch und Juschtschenko, eine europäische Zukunft für ihr Land wollten.

Kein Beitritt zur NATO

Die große Euphorie, die unmittelbar nach der Orangenen Revolution 2004 in Kiew und Brüssel herrschte, ist erst einmal verflogen. Die Ukraine fühlt sich zurückgesetzt, und die EU will sich nicht überfordern, so Diplomaten in Brüssel. Vom zweiten großen außenpolitischen Ziel, dem Beitritt zur Militärallianz NATO, ist die Ukraine inzwischen abgerückt. "Bis auf weiteres wollen wir nur unsere Kooperation mit der NATO erweitern", sagte Ministerpräsident Wiktor Janukowytsch bei seinem Antrittsbesuch im Brüssler NATO-Hauptquartier mit.

Die NATO wäre fast schon bereit gewesen, die Ukraine zum Beitritt einzuladen, aber im Moment scheint es, als sei man bei der NATO ganz froh, sich vorerst nicht mehr mit der massiven Kritik Russlands am möglichen NATO-Beitritt der Ukraine herumschlagen zu müssen – offiziell hat Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer allerdings erklärt, die Aufnahme der Ukraine sei nicht ausgeschlossen und werde schon gar nicht am Widerstand Russland scheitern. "Ich glaube, es gibt keinen Beleg dafür, dass die Erweiterung der NATO die Stabilität untergraben hätte, im Gegenteil: Sie hätte Stabilität und Sicherheit erhöht", ist sich de Hoop Scheffer sicher.

Bernd Riegert
DW-RADIO, 17.4.2007, Fokus Ost-Südost