Ukraine: Schwerste Krise seit 70 Jahren
30. Dezember 2014Aus Sicht der ukrainischen Regierung ist der große Nachbar für die Finanzkrise des Landes verantwortlich. "Die Probleme sind mit der russischen Militäraggression verknüpft", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk auf einer Pressekonferenz. Nach Angaben der Zentralbank ist die ukrainische Wirtschaft in diesem Jahr um 7,5 Prozent geschrumpft. "So ein schwieriges Jahr hat unser Land mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt", sagte Notenbankchefin Walerija Gontarewa.
Für die Verbraucher bedeutet das vor allem: Die Preise schießen in die Höhe, es gibt immer weniger Ware fürs Geld. Laut Gontarewa betrug die Inflationsrate Ende November im Jahresvergleich 21 Prozent. Für 2015 rechne die Zentralbank mit 17 bis 18 Prozent - zuvor war sie noch von zwölf bis 15 Prozent ausgegangen. Hintergrund seien geplante Preiserhöhungen bei Gas und Strom.
"Russlands Bedeutung sinkt"
Das Handelsvolumen zwischen der Ukraine und Russland ist nach Angaben des Regierungschefs um die Hälfte geschrumpft. Schon "sehr bald" werde das Nachbarland kein bedeutender Handelspartner der Ukraine mehr sein, kündigte Jazenjuk an. Noch allerdings ist Russlands Bedeutung für den Außenhandel der Ukraine immens, wie Gontarewa erläuterte.
Als Zentralbankchefin könne sie sich daher auch nicht über den enormen Wertverlust des russischen Rubels in diesem Jahr freuen - auch wenn sie ihn "als Bürgerin" begrüße. Die Rubelabwertung habe einen negativen Einfluss auf die ukrainische Währung, die Hrywnja, gab Gontarewa zu bedenken: Auch die ukrainische Währung hat seit Jahresbeginn deutlich an Wert verloren. Am Dienstagmorgen mussten für einen Dollar 15,82 Hrywnja bezahlt werden - zu Jahresbeginn waren es 8,24 Hrywnja.
Devisenreserven brechen ein
Die Devisenreserven des Landes sind um mehr als die Hälfte zusammengeschmolzen und betragen erstmals seit fünf Jahren weniger als zehn Milliarden Dollar (8,2 Milliarden Euro). Hintergrund sind die Bemühungen, die ukrainische Währung zu stützen. Die Zentralbank geht hier allerdings von einer Erholung im kommenden Jahr aus.
Um den Staatshaushalt zu stabilisieren, verabschiedete das Parlament in Kiew ein Sparpaket, das unter anderem höhere Importzölle, Kürzungen der Sozialausgaben und eine Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung vorsieht. Die Ausgaben für die Armee sollen allerdings deutlich steigen. Ziel des Sparhaushaltes ist es auch, die Auszahlung weiterer Kredittranchen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu ermöglichen. Experten des IWF werden am 8. Januar in Kiew erwartet.
Milliardenloch trotz internationaler Hilfen
Nach dem Machtwechsel im Februar hatte das Krisenland rund 8,2 Milliarden US-Dollar (6,8 Milliarden Euro) an internationalen Finanzhilfen erhalten. Allein der IWF stellte Kiew zusätzliche 17 Milliarden Dollar in Aussicht. Medien zufolge soll der Bedarf der ausgezehrten Ex-Sowjetrepublik aber darüber hinaus weitere 15 Milliarden Dollar betragen. Der IWF finanziert in der Regel keine Bürgerkriegsstaaten; er knüpft Darlehen an Reformbedingungen und vergibt sie unter der These, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtungen dann erfüllen kann. Bei den Gesprächen in Kiew dürfte es daher auch um die Voraussetzungen für weitere Finanzhilfen gehen.
jj/SC (dpa, afp, rtr)