Südosteuropakonferenz
6. November 2014
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein britischer Amtskollege Philip Hammond schienen sichtlich zufrieden. Ihre gemeinsame Initiative, dem europäischen Integrationsprozess in Südosteuropa neue Impulse zu verleihen, wurde von den Teilnehmern der sechsten Südosteuropa-Konferenz des Aspen Instituts Deutschland (05.11.2014) mit Zuversicht aufgenommen. Hammond und Steinmeier hatten die Außenminister von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro und Serbien nach Berlin eingeladen, um gemeinsam nach dringend benötigten konkreten Möglichkeiten zu suchen, den ins Stocken geratenen EU-Erweiterungsprozess im Anschluss an die Westbalkan-Konferenz vom Juni 2014 wieder in Gang zu bringen.
Die zentrale Botschaft der Konferenz war klar: Die gesamte Region des westlichen Balkans hat eine EU-Perspektive. "Der West-Balkan liegt im Herzen Europas - nicht nur kulturell, sondern auch politisch", sagte Steinmeier gleich zu Beginn der Konferenz. Genauso klar war aber auch für jeden Beteiligten der zeitliche Rahmen der nächsten EU-Erweiterung: Vor 2020 wird kein weiteres Land in die EU aufgenommen.
Bosnien und Herzegowina im Fokus
Jenseits dieser generell akzeptierten Voraussetzungen sind aber die unterschiedlichen ungelösten Probleme in den einzelnen Staaten der Region das größte Hindernis auf dem Weg dieser Länder in die EU. Das soll sich jetzt schnell ändern, wenn es nach dem Willen Steinmeiers und Hammonds geht. Vor allem ein neuer Ansatz in Bosnien-Herzegowina nach den jüngsten Wahlen soll gefunden werden. In ihrer gemeinsamen Initiative fordern die beiden Außenminister, dass sich die politischen Führer in Bosnien und Herzegowina zu einer klaren Reformpolitik in allen Bereichen verpflichten. Es sei höchste Zeit, dass Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, wirtschaftliche und sozialpolitische Reformen - unabhängig von ethnischen Interessen - umgesetzt würden, betonten sie. Für ihren Vorstoß erhoffen sich Steinmeier und Hammond eine breite Unterstützung seitens aller EU-Staaten und der USA.
Die Teilnehmer der Südosteuropa-Konferenz des Aspen Instituts Deutschland waren sich einig: Die Aussicht auf einen EU-Beitritt ist für die Staaten in der Region der Motor für die Durchführung unentbehrlicher Reformen. Nach Jahren der Kriege und Stagnation müssten die Menschen in den Ländern des westlichen Balkans endlich wieder in Frieden, Sicherheit und Wohlstand leben können. Doch ohne ein stärkeres Engagement der EU und der USA bleibt es für die Länder schwierig, die Reformen umzusetzen.
Ukraine-Krise als Warnschuss
Auch Vertreter der Wirtschaft, die an dieser Konferenz teilnahmen, begrüßten die neuen Impulse. Doch müsse man nicht nur Initiativen entwickeln, sondern wolle auch Ergebnisse sehen. Wichtig sei, dass das europäische Regelwerk von den einzelnen Staaten nicht nur adoptiert, sondern auch zügig umgesetzt würde, sagt Anja Quiring vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Nur so könne das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik und das Vertrauen zwischen den einzelnen Staaten gestärkt werden. Trotz des Friedens in der Region gebe es noch immer die gleichen Hindernisse wie schon Anfang 2000: Korruption, organisierte Kriminalität, mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Bürokratie und eine schwache Infrastruktur.
Die Wirtschaftsvertreter machten allerdings auch darauf aufmerksam, dass viele Kapitel im EU-Regelwerk nicht im Einklang stünden mit den unterschiedlichen Entwicklungen in jedem einzelnen Land. Mehr Realismus in der Bewertung der Kriterien sei notwendig, die Staaten bräuchten eine klarere Bestätigung, dass sich ihre Bemühungen gelohnt haben. Vor allem die Krise in der Ukraine mache eine Beschleunigung des Integrationsprozesses notwendig, sagte Joan Hoey, Osteuropaexpertin des Wirtschaftsinstituts EUI aus London. Sollte dieser Prozess weiter verschoben werden, könnte Russland seinen Einfluss in der Region vergrößern, warnte sie. Wie so oft waren es Vertreter der Wirtschaft, die den Finger in die Wunde legten.
Nicht im Wartesaal der EU
Auch die Bewertung der einzelnen südosteuropäischen Staaten fiel seitens der Wirtschaftsvertreter nüchtern aus. Kroatien sei zwar seit einem Jahr EU-Mitglied, aber nach dem Beitritt habe sich nicht viel getan in dem Land. In Bosnien-Herzegowina und Mazedonien sei der Reformprozess ins Stocken geraten. Albanien werde ein gewisser Fortschritt bei der Korruptionsbekämpfung bescheinigt, aber weitere Reformen müssten zügig umgesetzt werden. Das gleiche gelte für Montenegro. Die politische Annäherung zwischen Serbien und Kosovo wurde begrüßt, es sei ein erster Schritt hin zur Normalität. Weitere Schritte müssten folgen.
Die Menschen in Südosteuropa können nicht länger im Wartesaal der EU gehalten werden, sie gehören dazu, so die Außenminister. Diese Botschaft der Konferenz wird in der Region sicherlich gut ankommen. Die nächste Westbalkan-Konferenz mit Beteiligung der Regierungschefs soll 2015 in Wien stattfinden.