Schweizer Ukraine-Konferenz: Wenig Hoffnung auf Frieden
14. Juni 2024Er hoffe, mit der Friedenskonferenz für die Ukrainean diesem Wochenende werde "etwas entstehen, das uns einem Frieden näherbringt", sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz während der dritten Ukraine-Wiederaufbaukonferenz diese Woche in Berlin. Neben ihm stand der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Und für den ist schon die Tatsache, dass die von der Schweiz auf sein Bitten hin organisierte Konferenz überhaupt stattfindet, ein Erfolg.
"Es ist sehr schwierig, Verbündete und Partnerländer nicht zu verlieren. Und Länder zu vereinen, die Partner und Nicht-Partner sind, ist an sich schon eine schwierige Aufgabe für die Ukraine", so Selenskyj in Anbetracht von mehr als zwei Jahren russischer Großinvasion in der Ukraine.
Und Bundeskanzler Scholz ergänzt neben Selenskyj am Rednerpult, vielleicht könne in der Schweiz "ein Weg aufgezeigt werden, wie ein Einstieg in einen Prozess gelingen könnte, bei dem eines Tages auch Russland mit am Tisch sitzt. Wenn die Zeit dafür reif ist. Das entscheidet einzig und allein die Ukraine."
Absage aus Peking
Russland hat früh klar gemacht, dass es an der Schweizer Konferenz nicht teilnehmen wird. Lange hat vor allem die deutsche Regierung noch um eine Teilnahme Chinas geworben. Doch Peking schickte der Schweiz eine Absage. Immerhin haben 90 Staaten zugesagt, wie die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd im Vorfeld bekannt gab. Die Hälfte davon aus Europa und Nordamerika, die zweite Hälfte seien Länder des globalen Südens - aus Südamerika, Afrika, Nahost und Asien. Viele Regierungen hätten sich bei der Schweiz für die Ausrichtung der Konferenz bedankt, so Amherd.
Es gehe um einen "breit abgestützten Prozess", sagt auch die Schweizer Bundespräsidentin, um die Voraussetzungen zu schaffen "für einen zukünftigen Friedensgipfel unter Beteiligung Russlands". Für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj wird die Konferenz in der Hotel-Anlage "Bürgenstock" oberhalb des Vierwaldstättersees bei Luzern zum vorläufigen Höhepunkt eines diplomatischen Ukraine-Marathons.
Wiederaufbaukonferenz: EU-Kredite für ukrainische Firmen
Bei der Wiederaufbaukonferenz URC2024 (Ukraine Recovery Conference 2024) in Berlin sagte die EU Kredite zur Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen in der Ukraine zu. Aber auch Mittel für Notreparaturen der ukrainischen Strom- und Wärmeversorgung sollen so finanziert werden. Brüssel nimmt für die Ukraine Kredite auf, die wiederum aus den Zinserlösen eingefrorener russischer Vermögen in Europa bedient werden.
In Berlin sprach Selenskyj auch erstmals in Präsenz im Deutschen Bundestag und besuchte kurz danach ukrainische Soldaten, die von der deutschen Bundeswehr auf einem Truppenübungsplatz nördlich von Berlin am Flugabwehr-System Patriot ausgebildet werden.
Auf die URC2024 folgte das Treffen der sieben größten Industrienationen G7 in Italien, von dem möglichst viele Staats- und Regierungschefs weiter zur Konferenz in die Schweiz reisen sollten.
Russland wollte wohl vor allem Länder des globalen Südens dazu bringen, die Schweizer Konferenz zu boykottieren. Auch deshalb werten die Schweizer Veranstalter die 90 Zusagen als Teilerfolg. Möglich wurde das offenbar auch, weil die zu besprechenden Agenda stark eingekürzt wurde. So soll es in der Abschlusserklärung der Schweizer Konferenz weder um die sofortige Einstellung des russischen Angriffskrieges, noch um den Abzug Russlands aus der Ukraine gehen, wie es der eigentliche Friedensplan der Ukraine vorsieht.
Themen: Atomsicherheit, Getreideexporte, entführte Kinder
Im Kern soll es um die Sicherheit der ukrainischen Atomkraftwerke (AKW) gehen, wobei das größte AKW Europas von russischen Soldaten besetzt ist: Das Kernkraftwerk Saporischschja liegt an der Frontlinie im Süden der Ukraine. Zudem soll über die weitere Sicherung von Getreideexporten aus der Ukraine vor allem in die Länder des globalen Südens gesprochen werden. Und über die Freilassung der ukrainischen Kinder, die von Russland aus den besetzten Gebieten verschleppt wurden.
Um wenigstens alle großen Städte und die wichtigsten Energieanlagen schützen zu könnten bräuchte sein Land insgesamt sieben Patriot-Flugabwehr-Systeme, so der ukrainische Präsident. Deutschland hat vor Wochen ein drittes System zugesagt, doch viele Bitten der deutschen Regierung bei Verbündeten für weiteres Gerät blieben unbeantwortet.
Am Rande der URC2024 sagte der ukrainische Präsident, "Deutschland ist führend bei der Unterstützung der Ukraine, beim Schutz ihres Luftraums mit Patriot-Systemen". US-Medien berichten zudem, US-Präsident Joe Biden wolle eine weitere Patriot-Anlage der US-Streitkräfte an die Ukraine abgeben. Es handelt sich offenbar um eines der Patriot-Systeme, die derzeit den Südosten Polens an der Grenze zur Ukraine schützen.
USA geben Patriot-System von Polen aus in die Ukraine
Dort damit wird der Regionalflughafen Rzeszów geschützt, der sich zum wichtigsten Drehkreuz für die westliche Militärhilfe für die Ukraine entwickelt hat. Auf der Berliner Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz sagte Selenskyj zudem: "Heute gibt es eine neue Luftverteidigungslösung und nicht nur Patriot".
Weitere Details gab der ukrainische Präsident nicht bekannt. Mit jeweils einem weiteren Patriot-System Deutschlands und der USA wären es dann insgesamt fünf in der Ukraine - von erhofften sieben. Immerhin: Selenskyj ist damit einen Schritt weiter gekommen. Zudem sollen noch diesen Sommer die ersten westlichen F-16 Kampfflugzeuge von der ukrainischen Luftwaffe einsetzbar sein.
Mit der für das Überleben des Landes so wichtigen Flugabwehr verhalte es sich wie mit dem Wiederaufbau der Ukraine und schließlich der ersten "hochrangigen Konferenz zum Frieden", wie die Schweizer Gastgeber das Treffen an diesem Wochenende eher vorsichtig nennen: Entscheidend sei für ihn, dass sein Land "nicht die Initiative verliere", so der ukrainische Präsident Selenskyj.
Und entscheidend sei, die Initiative "nicht an irgendjemanden und nicht an Russland zu geben. Denn die russische Initiative, was ihre Vision von der Beendigung des Krieges betrifft, wurde am Tag der Invasion in vollem Umfang demonstriert", so Selenskyj weiter: "Russlands Vision ist die Besetzung unseres Landes". Immerhin: Das ist Putin bislang nur zum Teil gelungen - 28 Monate nach Beginn der Invasion und vor dem ersten Friedensgipfel für die Ukraine.