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PolitikUkraine

Ukraine Aktuell: Selenskyj dankt EU-Bürgern

9. Februar 2023

In Brüssel nennt der ukrainische Staatschef Russland die "größte anti-europäische Kraft der modernen Welt". Ein Großteil der Hilfen kommt weiter aus den USA. Die UN warnen vor einer weiteren Eskalation. Ein Überblick.

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Rede Wolodymyr Selenskyjs im EU-Parlament
Wolodymyr Selenskyj im EU-ParlamentBild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

 

Das Wichtigste im Überblick:

  • Selenskyj hält Rede an die Europäer im EU-Parlament
  • Bereits 112 Milliarden Euro aus der NATO für die Ukraine
  • Britische Panzer sollen schon ab März an der Front kämpfen
  • Vereinte Nationen warnen vor einer weiteren Eskalation
  • Wagner-Gruppe stoppt offenbar Häftlingsrekrutierung

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei einer Rede in Brüssel für die Unterstützung der Europäischen Union bei der Verteidigung gegen Russland bedankt. Er danke den Bürgerinnen und Bürgen der EU für die Lieferung von Waffen und Munition, von Brennstoffen und Energie, von all den Tausenden Dingen, "die wir in diesem brutalen Krieg brauchen". Es gehe darum, die europäisch-ukrainische Lebensweise zu verteidigen. Russland nannte Selenskyj in seiner Rede die "größte anti-europäische Kraft der modernen Welt". Sein Ziel sei es, die Ukraine in die Europäische Union und damit "nach Hause zu führen", betonte Selenskyj.

Das Europaparlament hatte dem ukrainischen Präsidenten einen begeisterten Empfang bereitet. Die Abgeordneten erhoben sich von ihren Sitzen und applaudierten dem Staatschef. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte, die Ukraine kämpfe für die Werte Europas. "Die Zukunft Ihrer Nation ist in der Europäischen Union", sagte Metsola an Selenskyj gewandt.

Standing Ovations für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im EU-Parlament
Standing Ovations für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im EU-ParlamentBild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

Das osteuropäische Land will noch in diesem Jahr mit Verhandlungen über den EU-Beitritt beginnen, darüber müssen jedoch die 27 Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden. Nach der Rede im Parlament war Selenskyj Gast beim Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten. Auch dort betonte er die Bedeutung des Kampfes seines Landes gegen die russische Invasion für Europa. "Ein freies Europa ist ohne eine freie Ukraine nicht denkbar." Er nutze seine Rede beim Gipfel für einen erneuten Appell zu mehr Waffenlieferungen. Die Ukraine brauche "wirklich Munition, moderne Panzer, Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge".

Schon 112 Milliarden aus der NATO

Die NATO-Mitgliedstaaten haben bislang etwa 112 Milliarden Euro für die Ukraine mobilisiert. Dabei handele es sich um militärische, humanitäre und finanzielle Hilfen, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Washington. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor fast einem Jahr unterstützten die insgesamt 30 Bündnispartner die Ukraine in beispielloser Weise.

Als größter Alliierter spielten die USA eine unverzichtbare Rolle, sagte Stoltenberg weiter. Aber die europäischen Verbündeten und Kanada hätten ihre Hilfen verstärkt und leisteten zusammen mittlerweile mehr als die Hälfte der gesamten Unterstützung. Dazu gehörten auch Panzer, moderne Flugabwehrsysteme und andere militärische Ausrüstung.

Die ersten Panzer vom Typ Leopard 2 aus Kanada rollen nach der Landung in Polen aus einem Transportflugzeug
Die ersten Panzer vom Typ Leopard 2 aus Kanada werden in Polen entladenBild: Canada Department of National Defence/via REUTERS

Stoltenberg rief die westliche Allianz zugleich auf, weitere Waffen zu liefern. "Leider sehen wir keine Anzeichen dafür, dass Russland sich auf Frieden vorbereitet. Im Gegenteil: Moskau bereitet sich auf neue militärische Offensiven vor. Deshalb müssen wir der Ukraine auch weiterhin die Waffen zur Verfügung stellen, die sie braucht, um Territorium zurückzuerobern und um als souveräne Nation zu überleben." Ein russischer Sieg wäre ein Tragödie für die Ukraine, aber auch gefährlich für die NATO-Staaten.

Estland will schnellere Waffenproduktion in Europa für Ukraine

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas macht sich für eine schnellere und umfassendere Waffenproduktion zur Unterstützung der Ukraine stark. "Wir sollten der europäischen Rüstungsindustrie ein klares Signal geben, mehr zu produzieren", sagte sie vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Sie schlug vor, einen ähnlichen Mechanismus wie bei der Impfstoffbeschaffung während der Corona-Pandemie anzuwenden. "Das könnte den Prozess beschleunigen, so dass die Ukraine die Militärhilfe in Monaten und nicht in Jahren erhält", betonte sie. Bei der Impfstoffbeschaffung hatten die EU-Länder Geld zur Verfügung gestellt und die EU-Kommission hatte im Namen der Mitgliedstaaten den Impfstoff dann beschafft.

Kallas sprach sich zudem dafür aus, mehr Waffen an die Ukraine zu liefern. Ihr Land habe zwar keine Kampfflugzeuge, sagte die Ministerpräsidentin. Sie machte aber deutlich: "Wenn wir sie hätten, würden wir der Ukraine mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen." Ihr Appell an alle sei, dies genauso zu sehen. Bereits vergangene Woche hatten die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen mehr Tempo bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert.

Medwedew will mehr Panzer bauen lassen

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew kündigt an, dass Russland die Produktion von Panzern erhöhen wird. Dies sei eine Reaktion auf westliche Waffenlieferungen an die Ukraine, sagte Medwedew beim Besuch einer Panzerfabrik in der sibirischen Stadt Omsk. "Wie wir wissen hat unser Feind im Ausland um Flugzeuge, Raketen, Panzer gebettelt." Die Reaktion darauf sei in diesem Fall klar, heißt es in einem Video auf Telegram. "Natürlich werden wir die Produktion verschiedener Rüstungsgüter erhöhen, darunter auch moderner Panzer." Medwedew ist Vize-Vorsitzender des mächtigen Nationalen Sicherheitsrats, an dessen Spitze Staatschef Wladimir Putin steht.

Dmitri Medwedew | ehemaliger russischer Präsident
Der frühere russische Präsident Dmitri MedwedewBild: Ekaterina Shtukina/SNA/IMAGO

"Britische Panzer schon im März im Einsatz"

Die britischen Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 sollen bereits in wenigen Wochen im Krieg gegen Russland eingesetzt werden können. Das kündigte Premierminister Rishi Sunak bei einem gemeinsamen Besuch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf einem Trainingsgelände der Armee in der Grafschaft Dorset an. "Die ukrainischen Crews, die vergangene Woche eingetroffen sind, werden die Challenger-2-Panzer im kommenden Monat einsetzen, um die Souveränität der Ukraine zu verteidigen", sagte Sunak.

Ein britischer Panzer vom Typ Challenger 2 im Wintermanöver
Ein britischer Panzer vom Typ Challenger 2 im WintermanöverBild: LCpl Spencer/Ministry of Defence/Crown/PA/picture alliance

Selenskyj war am Mittwoch überraschend zu einem Besuch in Großbritannien eingetroffen. Nach einem Frühstück mit Sunak im Regierungssitz Downing Street hielt er eine Rede vor dem Parlament und wurde von König Charles III. im Buckingham-Palast empfangen. Mit Nachdruck brachte Selenskyj die Bitte um westliche Kampfjets zum Ausdruck. Am Abend wurde er von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Paris empfangen.

Vereinte Nationen warnen vor einer weiteren Eskalation

Angesichts der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine warnen die Vereinten Nationen vor einer weiteren Eskalation des Krieges. "Der große Zustrom von Waffen in jede Situation eines bewaffneten Konflikts verstärkt die Besorgnis über die Eskalation des Konflikts", sagte die UN-Beauftragte für Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

Zuvor hatte sie auch die Zusagen unter anderem von der deutschen Bundesregierung erwähnt, Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken. Nakamitsu sprach dabei auch von Drohnenlieferungen aus dem Iran nach Russland und - indirekt - von dem Einsatz der privaten russischen Militärfirma Wagner in der Ukraine. Zudem müsse verhindert werden, dass schwere Kriegswaffen in falsche Hände kommen und so die Stabilität der gesamten Region auch nach Ende des Konflikts bedrohen.

Wagner-Gruppe stoppt offenbar Häftlingsrekrutierung

Die russische Söldnergruppe Wagner hat nach eigenen Angaben die Rekrutierung von Häftlingen für den Kampf in der Ukraine gestoppt. Dieses Vorgehen sei ganz eingestellt worden, behauptet jetzt Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin in einer Antwort auf eine in den sozialen Medien veröffentlichte Anfrage eines russischen Medienunternehmens mit.

Jewgeni Prigoschin (24.12.2022)
Wagner-Gründer Prigoschin: 40.000 Häftlinge rekrutiert?Bild: Uncredited/AP/dpa/picture alliance

Die Wagner-Gruppe hatte im Sommer 2022 mit der Rekrutierung von Häftlingen begonnen. Prigoschin, ein Catering-Unternehmer, der in Sowjet-Zeiten neun Jahre im Gefängnis saß, bot ihnen eine Begnadigung für sechs Monate Militärdienst im Kampf in der Ukraine an.

Das private Militärunternehmen, das in den vergangenen Monaten eine zunehmend führende Rolle beim russischen Krieg in der Ukraine übernahm, hat keine Angaben dazu gemacht, wie viele Sträflinge in seinen Reihen aufgenommen wurden. Nach US-Erkenntnissen kämpfen etwa 50.000 Wagner-Söldner in der Ukraine. Darunter sollen 40.000 aus russischen Gefängnissen rekrutierte Häftlinge sein.

Russland belegt weitere US-Amerikaner mit Einreiseverboten

Derweil hat Russland weitere Einreiseverbote gegen US-Amerikaner verhängt. Zu den 77 Betroffenen zählen unter anderen Gouverneure mehrerer US-Bundesstaaten. Es handele sich um eine Reaktion auf vergleichbare Strafmaßnahmen Washingtons gegen russische Staatsangehörige, heißt es aus dem Außenministerium in Moskau. Auf der so genannten Stopp-Liste Russlands stehen damit nun mehr als 1300 US-Bürger.

Wie viele andere Staaten haben auch die USA Sanktionen gegen Russland verhängt. Neben Einreiseverboten zählen dazu etwa auch weitreichende Wirtschaftsbeschränkungen. Moskau stellt diese Strafmaßnahmen immer wieder als Ausdruck einer angeblich anti-russischen Haltung westlicher Staaten dar.

rb/mak/AR/dh/qu (AFP, AP, dpa, KNA, epd, Reuters)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.