Ukraine aktuell: Ramaphosa fordert Kriegsende von Putin
17. Juni 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Afrikanische Vermittler-Delegation: "Dieser Krieg muss enden"
- Selenskyj weist afrikanische Friedensinitiative zurück
- NATO kann sich nicht auf neue Russlandstrategie verständigen
- Putin dementiert ukrainische Erfolge an der Front
- Kremlchef hetzt gegen Selenskyj
Auf ihrer Ukraine-Friedensmission ist eine afrikanische Vermittler-Delegation mit Russlands Staatschef Wladimir Putin zusammengetroffen. "Dieser Krieg muss enden", forderte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa bei dem Treffen in St. Petersburg. "Er muss durch Verhandlungen und mit diplomatischen Mitteln beigelegt werden." Es sei "in unserem gemeinsamen Interesse, dass dieser Krieg endet", fügte Ramaphosa hinzu.
Putin lobt "ausbalancierten Ansatz"
Putin seinerseits lobte den "ausbalancierten Ansatz der afrikanischen Freunde in der Ukraine-Krise". Zugleich zeigte er sich offen für "einen konstruktiven Dialog mit allen, die einen Frieden schaffen wollen, der auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und des Respekts der legitimen Interessen der Parteien beruht".
Die Gruppe afrikanischer Staats- und Regierungschefs hatte am Freitag in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen und dabei beide Seiten zur "Deeskalation" aufgerufen. Zudem forderte Ramaphosa auch in Kiew "Frieden durch Verhandlungen". Selenskyj lehnt Verhandlungen mit Russland zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ab. Solange russische Truppen auf ukrainischem Boden seien, würden Verhandlungen "nur den Krieg, das Leid und den Schmerz zementieren", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der afrikanischen Delegation.
Afrika ist von hohen Getreidepreisen betroffen
Afrikanische Länder sind stark betroffen von den infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine extrem gestiegenen Getreidepreisen und von weiteren Auswirkungen auf den Welthandel. Sowohl die Ukraine als auch Russland sind international wichtige Produzenten von Weizen und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Vorerst keine neue NATO-Russland-Strategie
Die NATO ist vorerst mit dem Versuch gescheitert, sich auf eine neue Russland-Strategie zu verständigen. Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte nach dem zweitägigen Treffen der Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten in Brüssel lediglich, man sei sich näher gekommen. Ein NATO-Diplomat sagte, die Türkei habe eine Einigung blockiert. Ziel der Ressortchefs war es gewesen, erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges einen Verteidigungsplan für den Fall eines Angriffs durch Russland zu entwickeln. Auslöser der strategischen Neuausrichtung ist der Überfall auf die Ukraine.
Stoltenberg: Ukraine bekommt auf NATO-Gipfel keine Beitrittseinladung
Die NATO wird der Ukraine bei ihrem Gipfeltreffen in Litauen im Juli keine Beitrittseinladung aussprechen - anders als von Präsident Selenskyj erhofft. "Wir werden bei dem Gipfel in Vilnius nicht über eine Einladung diskutieren", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Stattdessen soll ein neuer NATO-Ukraine-Rat eingerichtet werden, der in Vilnius mit Selenskyj zum ersten Mal tagen soll.
Die USA und Deutschland sind zum jetzigen Zeitpunkt gegen eine Beitrittseinladung für die Ukraine. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte dazu in Brüssel, die Aufnahme eines Landes im Krieg "verbietet sich". Die 31 NATO-Staaten können die Einladung nur einstimmig aussprechen.
Putin dementiert ukrainische Erfolge an der Front
Die Ukraine meldet seit einigen Tagen kleinere Geländegewinne bei ihrer laufenden Gegenoffensive. Auch internationale Beobachter bescheinigen dem angegriffenen Land erste Erfolge bei der Befreiung besetzter Gebiete. Nach Darstellung der ukrainischen Streitkräfte erleidet Russland bei den aktuellen Kämpfen an der Südfront schwere Verluste. Bezogen auf getötete und verwundete Soldaten entsprächen diese mehr als vier Kompanien, schreibt der Kommandeur der Truppen im südlichen Tawriia-Sektor, Brigadegeneral Oleksandr Tarnawskyj, auf Telegram. Eine Kompanie besteht üblicherweise aus 100 bis 250 Soldaten.
Jeder Meter, den ukrainische Streitkräfte zurückeroberten, sei von größter Bedeutung, sagte Präsident Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache nach einem Treffen mit hochrangigen Militärkommandeuren. "Das Wichtigste ist unser Vormarsch."
Russlands Präsident dementierte Berichte über ukrainische Erfolge an der Front. "An keinem Abschnitt haben sie ihre Ziele erreicht", behauptete Wladimir Putin bei einem Auftritt auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Die Armee der Ukraine sei chancenlos gegen die russische. Die Ukraine werde bald über kein eigenes Kriegsmaterial mehr verfügen. Dann werde das Land komplett von Rüstungsgütern aus dem Westen abhängig sein. Unter diesen Umständen könne es den Krieg nicht lange fortsetzen, sagte Putin. Einmal mehr kritisierte Putin die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Für Aufsehen in kritischen russischen Medien sorgte unterdessen vor allem die Aussage Putins in Sankt Petersburg zu Patriot-Flugabwehrsystemen, die Russlands Armee angeblich zerstört habe. Insgesamt seien fünf Patriots im Gebiet Kiew außer Gefecht gesetzt worden, behauptete Putin - nur: Die Ukraine hat gerade mal zwei solcher Systeme von westlichen Partnern geliefert bekommen, eines davon aus Deutschland. Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 fällt insbesondere die russische Seite immer wieder durch militärische Falschaussagen oder Übertreibungen auf.
London spricht von russischer Überlegenheit im Luftraum
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste hat Russland im Luftraum über dem Süden der Ukraine einen Vorteil erlangt. Das geht aus dem jüngsten Tagesbericht zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor. Insbesondere bei Kampfhubschraubern, die Geschosse mit großer Reichweite gegen Ziele am Boden einsetzen könnten, seien die Russen derzeit im "ständigen Wettbewerb von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen" überlegen.
Auf Bildern sei zu erkennen, dass mehr als 20 zusätzliche Hubschrauber am Flughafen Berdjansk stationiert worden seien, etwa 100 Kilometer hinter der Front. Das Londoner Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Kriegsbeginn täglich einen Bericht zum Kriegsverlauf unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.
Kremlchef hetzt gegen Selenskyj
Auf eine Frage beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg, warum Russland die Führung der Ukraine als "Nazis" bezeichne, obwohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj doch jüdischer Herkunft sei, antwortete Putin mit einer Schimpftirade.
"Ich habe viele jüdische Freunde, seit meiner Kindheit. Sie sagen: 'Selenskyj ist kein Jude. Das ist eine Schande für das jüdische Volk.'" Aus dem Publikum in der Ostsee-Metropole, wo unter anderem viele kremltreue Politiker sowie die Chefs mehrerer völkerrechtswidrig annektierter ukrainischer Gebiete saßen, erntete er für diese Aussage Beifall.
Moskau rechtfertigt seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland immer wieder mit der Propaganda-Behauptung, man müsse die Ukraine von angeblichen "Neonazis" befreien. Solche Aussagen sorgen international auch deshalb für großes Entsetzen, weil Selenskyj jüdischer Abstammung ist.
qu/wa/haz/jj/nob/hf (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.