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Politik

Aktuell: Übung strategischer Atomstreitkräfte in Russland

26. Oktober 2022

Der russische Staatschef verfolgt ein Training "strategischer Abschreckungskräfte". Moskau wiederholt Vorwürfe zu "schmutziger Bombe". Steinmeier und Selenskyj sind für Städtepartnerschaften. Ein Überblick.

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Wladimir Putin verfolgt von seinem Büro aus ein Manöver zur "strategischen Abschreckung"
Wladimir Putin verfolgt von seinem Büro aus ein Manöver zur "strategischen Abschreckung" Bild: Alexei Babushkin/Russian President Press Office/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland hält eine Übung der strategischen Atomstreitkräfte ab  
  • Biden warnt Putin abermals vor einem Atomwaffeneinsatz
  • Russland erneuert vor UN-Sicherheitsrat Vorwürfe zu "schmutziger Bombe"
  • Selenskyj und Steinmeier machen sich für Städtepartnerschaften stark
  • Kiew: Dutzende Anhänger des Tschetschenenführers Kadyrow getötet
  • Medien: Beamte in Moskau flüchten vor Mobilmachung

 

Die russischen Atomstreitkräfte haben einen Vergeltungsschlag nach einem Angriff mit atomaren Waffen simuliert. "Unter der Führung des Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Wladimir Putin, haben die strategischen Abschreckungskräfte am Boden, zu Wasser und in der Luft ein Training abgehalten", teilte der Kreml mit. Zu Beginn des mehrtägigen Manövers schossen die Atomstreitkräfte nach russischen Militärangaben Interkontinentalraketen ab. Auch seien zwei Langstreckenbomber im Einsatz gewesen, die nuklear bestückt werden können.

Das Training diene der Vorbereitung auf einen möglichen feindlichen Atomwaffenangriff auf Russland, zitierte die Nachrichtenagentur RIA Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Nach US-Angaben hatte die Regierung in Moskau die USA am Dienstag über die geplanten Manöver informiert. 

Stoltenberg: NATO lässt sich nicht einschüchtern

Die atomaren Drohungen Russlands werden die NATO nach den Worten ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg nicht von einer weiteren Unterstützung der Ukraine abhalten. Das Bündnis lasse sich nicht einschüchtern oder davor abschrecken, das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine solange wie nötig zu unterstützen, sagte der Norweger in einer Pressekonferenz mit Rumäniens Regierungschef Nicolae Ciuca in Brüssel. Die ukrainischen Streitkräfte würden jede Woche stärker und besser ausgestattet.

Als ein Ziel der Unterstützung der Ukraine nannte Stoltenberg, das Land für spätere Verhandlungen mit Russland so gut wie möglich aufzustellen.

Biden warnt Putin abermals vor einem Atomwaffeneinsatz

US-Präsident Joe Biden hat Russland erneut eindringlich davor gewarnt, im Ukraine-Krieg Atomwaffen zu zünden. "Russland würde einen unglaublich schweren Fehler begehen, sollte es eine taktische Atomwaffe einsetzen", sagte Biden zu Journalisten. Er reagierte damit auf eine Frage zu den russischen Behauptungen, die Ukraine plane den Einsatz einer "schmutzigen Bombe".

USA Präsident Biden
US-Präsident Joe BidenBild: Anna Moneymaker/Getty Images

Der Westen befürchtet, Russland könnte selbst eine "schmutzige Bombe" zünden und dann die Ukraine dafür verantwortlich machen. Eine solche Operation unter falscher Flagge könnte Moskau dann als Vorwand nutzen, um Atomwaffen einzusetzen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat wiederholt einen möglichen Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine ins Spiel gebracht. Die USA und ihre westlichen Verbündeten wie Deutschland haben Putin mehrmals vor einem solchen Vorgehen gewarnt.

Russland erneuert vor UN-Sicherheitsrat Vorwürfe zu "schmutziger Bombe"

Der UN-Sicherheitsrat hat auf einer nicht öffentlichen Sitzung über die wiederholten russischen Anschuldigungen beraten, die Ukraine plane den Einsatz einer "schmutzigen Bombe". Russland sagte, es "bezweifle", dass Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) beweisen könnten, dass dies nicht der Fall sei. Die Sitzung fand auf Initiative Russlands statt. Kiew und seine westlichen Verbündeten wiesen die Anschuldigungen erneut nachdrücklich zurück.

"Wir haben bei diesem privaten Treffen weder neue Beweise gesehen noch gehört", sagte der stellvertretende britische UN-Botschafter James Kariuki nach der Sitzung und verurteilte die "Desinformation" Russlands. Die Ukraine habe "nichts zu verbergen", Inspektoren der IAEA seien auf dem Weg, fügte er hinzu.

Der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanskij bekräftigte nach der Sitzung indes den russischen Vorwurf, dass die Verwendung einer "schmutzigen Bombe" eine "sehr ernste Gefahr" sei. Die Ukraine habe "die Fähigkeiten" und "die Gründe dafür, weil das Regime von (Wolodymyr) Selenskyj eine Niederlage vermeiden und die NATO in eine direkte Konfrontation mit Russland verwickeln" wolle. Poljanskij verwies auf zwei Einrichtungen in der Ukraine, die "nicht hoch entwickelte" Bomben herstellen könnten. Bei einer "schmutzigen Bombe" handelt es sich um einen konventionellen Sprengkörper, der bei seiner Explosion radioaktives Material in der Umgebung verteilt. Im Unterschied zu Atombomben gibt es bei solchen Sprengkörpern keine nukleare Explosion.

Indien warnt Moskau vor Einsatz von Nuklearwaffen

Der indische Verteidigungsminister Rajnath Singh hat seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu ermahnt, im Ukraine-Krieg dürfe "keine Seite" Nuklearwaffen einsetzen. Das geht aus einer Mitteilung der Regierung in Neu-Delhi nach einem Telefonat der beiden Minister hervor. "Die Aussicht nuklearer oder radioaktiver Waffen richte sich gegen die Grundsätze der Menschheit", sagte Singh demnach.

Einer Mitteilung seines Ministeriums zufolge telefonierte Schoigu außerdem mit seinem chinesischen Kollegen Wei Fenghe. Demnach wiederholte er erneut die unbelegte Behauptung, die Ukraine plane den Einsatz einer schmutzigen Bombe. Schoigu hat dieses Narrativ in den vergangenen Tagen in zahlreichen Telefonaten gestreut; die Ukraine befürchtet, dass Russland damit den Boden für eine eigene Attacke mit einer derartigen Bombe unter falscher Flagge bereiten könnte.

Russland | Verteidigungsminister Sergej Schoigu
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei einer Sitzung in Moskau im JuliBild: Russian Defence Ministry/REUTERS

Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und der Ukraine      

Partnerschaften zwischen Städten in der Ukraine und in Deutschland trügen "entscheidend dazu bei, unser gemeinsames Europa aufzubauen und zu stärken", heißt es in einem gemeinsamen Appell der beiden Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und Wolodymyr Selenskyj, die sich in Kiew trafen. Solche Verbindungen sollten zudem "zur zukünftigen EU-Mitgliedschaft der Ukraine" beitragen. Das "Teilen von Best Practices der EU" und die Unterstützung bei Anpassungen an EU-Standards könnten "den europäischen Weg der Ukraine stärken".

Kommunale Partnerschaften seien "im Zentrum unserer bilateralen Zusammenarbeit", so Selenskyj und Steinmeier weiter. Die Verbindungen deutscher Städte mit ukrainischen böten zudem "eine Grundlage für gelebte Solidarität im Angesicht des Krieges". Sie sendeten ein klares Signal an Moskau: "Euer Krieg wird uns nicht spalten - er wird uns noch näher zusammenbringen, als Deutsche, Ukrainer und als Europäer."

Steinmeier war am Dienstag überraschend zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen und hatte dort seine Solidarität mit den Menschen im Land bekundet. Ein Luftalarm während seines Besuchs in Korjukiwka zwang den Bundespräsidenten für mehrere Stunden in einen Schutzkeller. Es ist der erste Besuch Steinmeiers in der Ukraine seit Kriegsbeginn.

Steinmeier sichert "zeitnahe" Lieferung weiterer Waffen zu

Während seines Besuchs in der Ukraine hat der Bundespräsident seinem ukrainischen Amtskollegen die zügige Lieferung weiterer deutscher Waffensysteme zur Luftverteidigung zugesagt. Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II und zusätzlich vier Panzerhaubitzen 2000 würden "zeitnah in den nächsten Tagen an die Ukraine übergeben", sagte Steinmeier in Kiew. Deutschland sei heute "einer der führenden Ausrüster für die ukrainische Luftverteidigung". Zuvor hatte Steinmeier der ukrainischen Bevölkerung die unerschütterliche Solidarität Deutschlands zugesichert.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Steinmeier sagte Selenskyj am Abend, beide hätten "sehr detailliert" über den Wiederaufbau der Ukraine gesprochen. Dieser werde "bereits jetzt beginnen", nicht erst am Ende des Krieges, ergänzte er. Der ukrainische Präsident dankte Steinmeier zudem für dessen Ankündigung, die symbolische Schirmherrschaft für Vorhaben zur Entwicklung und zum Wiederaufbau in der nordukrainischen Region Tschernihiw zu übernehmen. Dies werde die deutsch-ukrainischen Beziehungen "weiter vertiefen".

Deutschland | Niederländische Panzerhaubitze 2000 auf der A1
Deutschland und die Niederlande haben der Ukraine zwölf Panzerhaubitzen zugesagt - aus deutschen Beständen sind bislang vier Exemplare angekommenBild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Britische Geheimdienste: Russische Kriegsgegner sabotieren Bahntrassen

Russische Kriegsgegner sollen Sabotageakte an Eisenbahn-Infrastruktur im eigenenen Land durchführen, um Militärtransporte in Richtung Ukraine zu vereiteln. Das britische Verteidigungsministerium teilte Kenntnisse der dortigen Geheimdienste, wonach derartige Aktionen zuletzt zugenommen hätten. Die Beschädigung einer Trasse nahe der russisch-belarussichen Grenze Anfang dieser Woche sei bereits der sechste Akt seit Juni gewesen, zu dem sich eine russische Anti-Kriegs-Gruppe namens "Stop the Wagons" bekannt habe.

Da viele Strecken isoliert durch kaum besiedelte Gegenden führten, sei es schwierig, sie gegen Sabotage abzusichern, hieß es von den Briten. Die russische Führung werde zunehmend besorgt darüber sein, dass selbst eine kleine Gruppe von Bürgern den Krieg so vehement ablehne, dass sie auf physische Sabotage zurückzugreife.

Sunak sichert Selenskyj "unerschütterliche Unterstützung" zu

Wenige Stunden nach seiner Ernennung hat der neue britische Premierminister Rishi Sunak dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach Angaben seines Büros die "unerschütterliche Unterstützung" seines Landes bei der Verteidigung gegen die russischen Angreifer zugesagt. Sunak habe Selenskyj am Telefon versichert, er könne sich der "anhaltenden Solidarität" der britischen Regierung sicher sein, erklärte eine Sprecherin Sunaks.

Großbritannien | Rishi Sunak ist neuer Premierminister
Der neue britische Premier Rishi Sunak hält an der bisherigen Regierungslinie festBild: Hannah McKay/REUTERS

Selenskyj äußerte nach dem Gespräch die Hoffnung auf "noch stärkere" Beziehungen zu Großbritannien. Er lud den britischen Premier zu einem Besuch in die Ukraine ein. Großbritannien ist seit dem Beginn der breit angelegten russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar einer der engsten Verbündeten der Ukraine. London lieferte Kiew unter anderem Waffen, finanzielle Hilfe und Unterstützung bei der Ausbildung der ukrainischen Armee.

Kiew: Dutzende Anhänger des Tschetschenenführers Kadyrow getötet

Im russisch besetzten Gebiet Cherson sind nach ukrainischen Angaben mehr als 100 Soldaten aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien von der Artillerie getroffen worden. "Durch präzise Artillerieschläge der Verteidigungskräfte sind in der Ortschaft Kajiry im Gebiet Cherson 30 Okkupanten vernichtet worden und mehr als 100 feindliche Soldaten unter den Trümmern geblieben", teilte der Generalstab in seinem Lagebericht mit. Mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge sollen Soldaten von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow getroffen worden sein. Unabhängig konnten die Angaben nicht überprüft werden.

So erklärte der ukrainische Militärgouverneur der Region Cherson, Serhij Chlan, dass die tschetschenische Einheit nach ihrem Abzug aus der Stadt Cherson über den Fluss Dnipro in der Schule einer Ortschaft am anderen Flussufer stationiert worden sei. Die Männer hätten ihren Aufenthaltsort durch Fotos in sozialen Netzwerken selbst verraten. "Unsere Streitkräfte mussten nur noch draufhalten", sagte Chlan. Er berichtete von mehr als 40 Toten und 60 Verschütteten. Der oppositionelle tschetschenische Telegram-Kanal 1Adat behauptete, dass der in einer Schule untergebrachte Stab eines Kadyrow-Regiments beschossen worden sei, und bezifferte die Zahl der Todesopfer auf um die 100.

Medien: Beamte in Moskau flüchten vor Mobilmachung

Beamte der Moskauer Stadtverwaltung und föderaler Behörden in der russischen Hauptstadt fliehen einem Medienbericht zufolge vor der Teilmobilmachung im Land. "In einigen Abteilungen (der Moskauer Stadtverwaltung) beläuft sich die Zahl der männlichen Mitarbeiter, die Russland verlassen haben, auf 20 bis 30 Prozent aller Angestellten", berichtete das Internetportal "Wjorstka". Vor allem IT-Spezialisten verließen das Land in Richtung der zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Ursache ist demnach, dass gerade auf unterer Verwaltungsebene viele Beamte keinen Schutz vor der Einberufung als "unabkömmliche" Kader bekämen.

Die Fluchtbewegung hat dem Bericht zufolge dazu geführt, dass die Arbeit in mehreren Abteilungen paralysiert ist. Als Beispiele werden die Wohnungsverwaltung, das Gesundheitsamt und das Bildungsreferat angeführt. Die politische und militärische Führung in Moskau hat mehreren Kategorien russischer Bürger versprochen, sie von der Einberufung auszunehmen. IT-Spezialisten zählen eigentlich dazu, allerdings ist der Nachweis mit bürokratischen Hindernissen verbunden.

IWF: Vorhersehbarkeit von Finanzierungspaketen ist so wichtig wie Finanzhilfe

Die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, hat der Ukraine weitere Hilfe zugesagt. "Wir haben fünf Milliarden Dollar pro Monat bereitgestellt, und die internationale Gemeinschaft hat uns geholfen. Wir haben 35 Milliarden Dollar an Zusagen, von denen ein großer Teil bereits ausgezahlt wurde, auch vom IWF, sagte Georgieva der Deutschen Welle. "Wir haben in zwei Tranchen 2,7 Mrd. US-Dollar als Notfinanzierung bereitgestellt und 2,2 Mrd. US-Dollar auf ein vom Fonds verwaltetes Konto überwiesen", fügte sie hinzu.

Mit Blick auf die Zukunft sei es wichtig, den Bedarf für 2023 für den Wiederaufbau der Ukraine zu skizzieren, sagte Georgieva. "Die Vorhersehbarkeit der Finanzierung für die Ukraine ist ebenso wichtig wie die Höhe der benötigten Mittel", fügte sie hinzu. Sie äußerte sich anlässlich der Berliner Expertenkonferenz zur Erholung der Ukraine.

se/nob/ehl/kle/mak (afp, dpa, rtr, DW)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.