Ukraine aktuell: NATO-Generalsekretär sichert Kiew Hilfe zu
20. April 2023Das Wichtigste in Kürze:
- NATO-Generalsekretär Stoltenberg besucht Kiew
- Die Ukraine erhält von den USA weitere Militärhilfe
- Dänemark und Niederlande schicken Leopard-Panzer
- EU-Parlament fordert Freilassung von Kara-Mursa
- Staatssekretär Flasbarth im DW-Interview
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist unangekündigt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Bei seinem ersten Besuch seit dem russischen Einmarsch vor knapp 14 Monaten ehrte Stoltenberg die gefallenen ukrainischen Soldaten an der Außenmauer des zentralen St.-Michaels-Klosters. Zudem ließ er sich im Zentrum von Kiew erbeutete russische Panzerfahrzeuge zeigen.
Der NATO-Generalsekretär sicherte Kiew die Hilfe des Militärbündnisses "so lange wie nötig" zu. "Der Ukraine steht ein Platz in der NATO zu", sagte der 64-Jährige auf einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Alle Verbündeten sind sich da einig", fügte er hinzu. Nach Angaben von Stoltenberg haben die Staaten der Allianz seit Kriegsbeginn umgerechnet über 136 Milliarden Euro an Militärhilfe bereitgestellt. Stoltenberg besichtigte auch die Kiewer Vororte Irpin und Butscha, die im Frühjahr 2022 von russischen Truppen besetzt waren und wo später die Leichen Hunderter Zivilisten gefunden worden waren.
Einladung zum NATO-Gipfel in Vilnius
Selenskyj bedankte sich für die von Stoltenberg ausgesprochene Einladung zum NATO-Gipfel in Vilnius im Juli. "Für die Staatsführer ist die Zeit gekommen, die Perspektive eines NATO-Beitritts für die Ukraine zu bestimmen", sagte der 45-Jährige. Die Ukraine benötige auf dem Weg zur Mitgliedschaft auch Sicherheitsgarantien durch die Militärallianz. Eines der Kriegsziele Russlands ist die Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine. Der Präsident bat die Allianz zudem, Kiew dabei zu helfen, den "Widerwillen" einiger Mitgliedsstaaten zu überwinden, bestimmte Waffen an die Ukraine zu liefern. Dabei gehe es um Langstreckenwaffen, moderne Flugzeuge, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge.
Der Norweger gilt seit Beginn des Krieges als unermüdlicher Unterstützer der Ukraine. Bei einem Gipfeltreffen der östlichen Bündnisstaaten in Warschau hatte Stoltenberg sich unlängst dafür ausgesprochen, Moskau seine Grenzen aufzuzeigen. Man müsse den "Kreislauf der russischen Aggression durchbrechen" und dafür sorgen, "dass sich die Geschichte nicht wiederholt".
USA sagen neue Militärhilfen zu
Die USA haben der Ukraine weitere Militärhilfen in Höhe von 325 Millionen Dollar (rund 297 Millionen Euro) zugesagt. Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, soll die Ukraine unter anderem Munition für Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS, Artilleriemunition und Panzerabwehrminen erhalten. Die Waffen kommen laut dem Weißen Haus aus Beständen des US-Militärs.
US-Präsident Joe Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte, die Lieferungen seien Teil der Hilfen, damit die Ukraine sich weiter gegen "den brutalen Einmarsch" Russlands zur Wehr setzen könne. Die USA sind der wichtigste Unterstützer Kiews im russischen Angriffskrieg.
Dänemark und Niederlande schicken Leopard-Panzer
Dänemark und die Niederlande wollen der Ukraine zusammen 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 zur Verfügung stellen. Es handele sich nicht um Panzer aus eigenen Beständen, sondern um solche, die aus dem Vorrat der deutschen Industrie eingekauft, generalüberholt und dann an die Ukraine gespendet würden, teilten die Regierungen beider Länder mit. Geliefert werden könnten sie ab Anfang 2024. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 165 Millionen Euro.
Die Niederlande wollen sich zudem an der Beschaffung von Artilleriemunition beteiligen. Dazu werden zwei Initiativen der EU und Deutschlands mit je 130 Millionen Euro unterstützt. "Die ukrainische und europäische Sicherheit sind untrennbar miteinander verbunden", erklärte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren.
Pressefoto des Jahres wurde in Mariupol aufgenommen
Eine hochschwangere verletzte Frau, die sich auf einer Trage liegend den Bauch hält, während Männer sie an von Raketeneinschlägen zerstörten Gebäuden vorbeitragen: Dieses längst weltberühmte Foto aus den ersten Tagen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist zum Pressefoto des Jahres gekürt worden. Das Bild, das der ukrainische Fotograf Evgeniy Maloletka für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) nach einem Angriff auf eine Geburtsstation im ukrainischen Mariupol aufnahm, fange "die Absurdität und den Schrecken des Krieges ein", erklärte die Jury des World-Press-Photo-Wettbewerbs zur Begründung.
Das Kind der schwangeren Iryna Kalinina wurde nach dem Angriff vom 9. März 2022 tot geboren, sie selbst starb eine halbe Stunde später. Maloletkas Foto stehe für den "Mord an den künftigen Generationen von Ukrainern", erklärte die Jury. Das Bild gebe die Geschehnisse genau wieder und sei ein "Beleg für die von russischen Truppen an ukrainischen Zivilisten verübten Kriegsverbrechen".
EU-Parlament fordert Freilassung von Kara-Mursa
Das EU-Parlament hat die Verurteilung des russischen Oppositionspolitikers Wladimir Kara-Mursa zu 25 Jahren Straflager als "politisch motiviert" verurteilt und seine Freilassung verlangt. Die Abgeordneten forderten mit großer Mehrheit außerdem die Freilassung des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny und drückten ihre Sorge wegen der "raschen Verschlechterung" des Gesundheitszustands der beiden Männer in russischer Haft aus. Die Parlamentarier riefen die Europäische Union auf, strengere Sanktionen gegen russische Richter, Staatsanwälte und andere Amtsträger zu verhängen, welche für willkürliche Inhaftierungen und Folter im Zuge politisch motivierter Strafverfahren verantwortlich sind. Die Abgeordneten appellierten an die EU-Staaten, von politischer Verfolgung bedrohten russischen Dissidenten Visa aus humanitären Gründen auszustellen.
Kara-Mursa war am Montag in Moskau wegen seiner Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu 25 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit "strengen Haftbedingungen" verurteilt worden. Neben den Anklagepunkten Hochverrat und "Verbreitung von Falschinformationen" wurde er der illegalen Arbeit für eine "unerwünschte" Organisation schuldig gesprochen. Der bekannte Aktivist ist ein langjähriger Gegner von Präsident Wladimir Putin und war ein Vertrauter des Oppositionsführers Boris Nemzow, der im Jahr 2015 in Moskau erschossen wurde. Fast alle der bekanntesten politischen Gegner Putins sind entweder aus dem Land geflohen oder sitzen im Gefängnis.
"Landminen sind eines der größten Hindernisse"
Die Landminen in der Ukraine sind nach den Worten des Staatssekretärs im Bundesentwicklungsministeriums, Jochen Flasbarth, eines der größten Hindernisse beim Wiederaufbau. Flasbarth hatte sich zwei Tage lang in der Ukraine umgesehen. Der DW sagte er, die Räumung der Minen habe Priorität für die ukrainische Regierung und auch für die internationale Gemeinschaft.
Zugleich wies Flasbarth auf die Bedeutung der laufenden Bemühungen zum Wiederaufbau von Teilen der Ukraine hin, auch wenn der Krieg noch andauert. "Wo immer die Russen etwas zerstören, wird es repariert - im Energiesektor, im Wohnungsbau, und wir leisten Unterstützung. Auch psychologisch ist es eine klare Botschaft an die Ukraine, aber auch an Russland", sagte er der DW.
Petersburger Dialog mit Russland beendet
Der Petersburger Dialog, ein zivilgesellschaftliches Forum zwischen Deutschland und Russland, wird wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine abgewickelt. Die Mitgliederversammlung entschied, den Verein aufzulösen, wie dessen Geschäftsstelle in Berlin mitteilte. "Der Verein befindet sich damit im Liquidationsjahr und wird im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben abgewickelt." Bereits im November hatte die Mitgliederversammlung beschlossen, sich im ersten Quartal 2023 aufzulösen. "Angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges und der Frontstellung gegen die westlichen Demokratien ist ein Dialog in diesem Format nicht mehr möglich", hieß es zur Begründung. Den Petersburger Dialog hatten im Jahr 2001 Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ins Leben gerufen.
Ukrainische Frontkämpfer bekommen 2500 Euro im Monat extra
Für ihren Einsatz an vorderster Front im Kampf gegen russische Truppen erhalten ukrainische Soldaten monatlich 100.000 Hrywnja (rund 2500 Euro) zusätzlich zu ihrem Wehrsold. Das teilte die ukrainische Militärführung mit. "Ein Soldat, der dem Land dient und es vor dem Aggressor schützt, sein eigenes Leben und seine Gesundheit riskiert und Aufgaben unter extrem schwierigen Bedingungen erfüllt, muss hoch motiviert sein", hieß es in der Erklärung des Generalstabs.
Soldaten, die Aufgaben im Kampfgebiet nachgehen, aber nicht direkt an Gefechten beteiligt seien, ebenso wie Soldaten der Flugabwehr erhielten 30.000 Hrywnja (737 Euro) Zulage. Der Grund-Wehrsold für alle Soldaten sei ab Anfang Februar auf knapp 20.000 Hrywnja (490 Euro) angehoben worden.
Lawrow in Nicaragua
Der russische Außenminister Sergej Lawrow ist im Verlauf seiner Lateinamerikareise in Nicaragua empfangen worden. Lawrow traf sich in der Hauptstadt Managua mit dem autoritär herrschenden Staatschef Daniel Ortega und dessen Frau, der Vizepräsidentin Rosario Murillo. Der Außenminister kam aus Venezuela, wo er unter anderen seinen Kollegen Yvan Gil gesprochen hatte.
Für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Regierung des mittelamerikanischen Landes immer wieder Zustimmung geäußert. Nach Nicaragua will Lawrow noch Kuba besuchen. Angesichts der westlichen Sanktionen und der Isolierung Russlands im Zuge des Angriffskriegs bemüht sich der Kreml um Allianzen in anderen Teilen der Welt.
Luftalarm in Kiew - Spekulation um NASA-Teleskop
Ein ungewöhnlicher Lichtschweif am nächtlichen Horizont über Kiew hat in der ukrainischen Hauptstadt für Luftalarm gesorgt. Kurz darauf teilte die Militärverwaltung der Stadt im Internetdienst Telegram mit, möglicherweise habe ein in die Erdatmosphäre eingetretener, ausgedienter Satellit der NASA für dieses Phänomen gesorgt. "Es wurde ein Luftangriffsalarm ausgerufen, um Opfer durch auf den Boden fallende Trümmer zu vermeiden", hieß es.
Die NASA selbst wies dies jedoch kurz darauf zurück. Sie hatte Anfang der Woche zwar angekündigt, das rund 300 Kilogramm schwere Weltraumteleskop RHESSI werde planmäßig in die Erdatmosphäre eintreten. Von der US-Raumfahrtbehörde hieß es jedoch in einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Erklärung, dies sei zum Zeitpunkt der Beobachtung des Blitzes noch nicht geschehen.
kle/nob/jj/fab/se/mak (dw, afp, rtr, dpa)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.