Ukraine aktuell: Datenleck sorgt für Unruhe in Washington
10. April 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Aufregung um geheime US-Dokumente zur Ukraine
- Lukaschenko bittet um Schutz aus Russland
- Erneuter Gefangenenaustausch zwischen Ukraine und Russland
- Selenskyj äußert Hoffnung auf Frieden in einem Jahr
- Faeser droht mit Einreiseverbot für russische Sportler
Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente im Internet hat in Washington große Besorgnis ausgelöst. Das Pentagon prüfe zwar noch die Echtheit der Dokumente, doch schienen diese "sensibles und streng geheimes Material zu enthalten", erklärte die stellvertretende Sprecherin des Verteidigungsministeriums, Sabrina Singh, in Washington.
Einblicke auch in geplante Frühjahrsoffensive
Nach Informationen der "New York Times" enthielten sie unter anderem Informationen zu Plänen der USA und der NATO zur Unterstützung einer ukrainischen Militäroffensive im Frühjahr gegen Russland. Das Pentagon und das US-Justizministerium prüften unter Hochdruck mögliche Folgen des Vorfalls für "die nationale Sicherheit", sagte die Sprecherin. Dafür sei eine "behördenübergreifende Arbeitsgruppe" eingerichtet worden. Diese konzentriere sich darauf, die Auswirkungen "auf die nationale Sicherheit der USA sowie auf unsere Verbündeten und Partner zu bewerten".
Die geheimen Regierungsdokumente waren auf Online-Plattformen wie Twitter, Telegram oder Discord und weiteren Plattformen aufgetaucht. Sie sollen laut einem Bericht der "New York Times" Details über Waffenlieferungen, Bataillonsstärken und andere sensible Informationen enthalten. Ein Dokument fasse die Ausbildungspläne von zwölf ukrainischen Kampfbrigaden zusammen.
Der Zeitung zufolge wurden die Dokumente über pro-russische Kanäle verbreitet. US-Medien berichten, sie könnten sich als wertvoll für Moskau erweisen, da sie zeigten, wie weit US-Geheimdienste bereits in Teile des russischen Militärapparats vorgedrungen seien. Das US-Justizministerium erklärte, bei seinen Untersuchungen prüfe es einerseits die Echtheit der Dokumente; zum anderen werde versucht, die Quelle der Lecks ausfindig zu machen.
Belarus will russischen Schutz
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat den großen Nachbarn Russland aufgefordert, Belarus wie "russisches Staatsgebiet" zu schützen. Bei einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Minsk bat Lukaschenko um entsprechende Sicherheitsgarantien, wie die staatliche Nachrichtenagentur Belta berichtete.
Er bedankte sich zudem für die Stationierung tausender Soldaten auf belarussischem Gebiet. Russland hatte kürzlich angekündigt, in Belarus auch Atomwaffen zu stationieren. Das ehemalige Weißrussland grenzt auch an die Ukraine, gegen die Russland seit mehr als einem Jahr mit Hilfe aus Belarus einen Angriffskrieg führt.
Erneuter Gefangenenaustausch
Die beiden Kriegsgegner Ukraine und Russland haben erneut mehr als 200 Gefangene ausgetauscht. "Wir holen 100 unserer Leute zurück - Soldaten, Matrosen, Grenzer und Nationalgardisten", teilte der Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, mit. Darunter seien auch Schwerverletzte. Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass 106 russische Soldaten nach Moskau gebracht worden seien, auch zu medizinischer Behandlung.
Seit dem russischen Überfall auf das Nachbarland im Februar vergangenen Jahres sind mehr als 2000 Ukrainer aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt. Das Thema Gefangenenaustausch ist das einzige Feld, über das beide Kriegsparteien derzeit noch miteinander verhandeln. Regelmäßig werden Gefangene und Verletzte ausgetauscht. Alle anderen Gespräche über eine Lösung des Konflikts liegen auf Eis.
IWF und Weltbank mit rundem Tisch
Belastet von der weiterhin hohen Inflation und den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine beginnen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ihre jährliche Frühjahrstagung. Auf der Agenda der Frühjahrstagung steht auch ein sogenannter Runder Tisch zur Ukraine. Dabei wird voraussichtlich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet sein.
Am Dienstag will der Internationale Währungsfonds seine Prognose zur Entwicklung der Weltwirtschaft vorlegen. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hatte vergangene Woche gewarnt, dass die Wachstumsaussichten infolge des Kriegs in der Ukraine und der Inflation weltweit bei unter 3 Prozent liegen dürften. Der IWF hatte bereits im Januar ein weltweites Wachstum von nur 2,9 Prozent für 2023 und von 3,1 Prozent für kommendes Jahr prognostiziert. Georgiewa betonte nun, dass das Wachstum auch in den kommenden Jahren "historisch schwach" sein dürfte.
Selenskyj hofft auf Frieden in einem Jahr
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Hoffnung geäußert, dass es in einem Jahr in der Ukraine Frieden gibt. In seiner allabendlich verbreiteten Videobotschaft zeigte sich Selenskyj zuversichtlich, dass die Gebete um Frieden gehört würden. Jeder christliche Feiertag lehre sein Land, dass das Böse besiegt werden könne, sagte er mit Blick auf Ostern.
Die Mehrheit der 41 Millionen Einwohner der Ukraine sind orthodoxe Christen, die das Osterfest kommendes Wochenende begehen. Die orthodoxe Kirche feierte an diesem Sonntag Palmsonntag. Selenskyj verurteilte die russischen Luftangriffe an diesem Feiertag. "So begeht also der terroristische Staat den Palmsonntag." Russland isoliere sich damit noch mehr von der Welt.
Laut Ukraine greift Russland Gemeinden in Cherson an
Russische Kampfflugzeuge haben nach ukrainischen Angaben am Sonntagabend zwei Gemeinden in der Region Cherson bombardiert. Entsprechende Angaben machte der Gouverneur der ukrainischen Region, Oleksandr Prokudin. Ob es bei den Angriffen Tote oder Verletzte gab, sagte er nicht. Am Wochenende waren in mehreren Gebieten des Landes Zivilisten bei Angriffen getötet worden.
Kiew wirft Vatikan Gleichsetzung von Ukraine und Russland vor
Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums kritisiert den Vatikan wegen der Kreuzweg-Meditation am Karfreitag am Kolosseum in Rom. "Leider müssen wir feststellen, dass die diesjährige Prozession von dem Versuch überschattet wurde, Opfer und Angreifer gleichzusetzen", schrieb Ministeriumssprecher Oleh Nikolenko auf Facebook. "Die gemeinsame Teilnahme eines Ukrainers und eines Russen verzerrt die Realität, in die Russland die Ukrainer gestürzt hat, indem es einen Völkermord an ihnen verübt."
Bei der zehnten Station des Kreuzwegs am Kolosseum hatten zwei Jugendliche aus der Ukraine und Russland gemeinsam zu Frieden gemahnt. Der ukrainische Junge stammte aus der von Russland besetzten und annektierten ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Die Stadt sei zerstört, sagte er. Der russische Jugendliche berichtete, dass sein großer Bruder im Krieg ums Leben gekommen sei.
Ein solcher Schritt untergrabe die Grundsätze der Gerechtigkeit und der universellen Moral und diskreditiere das Konzept von Frieden und Brüderlichkeit, so Nikolenko. "Wir sind enttäuscht, dass der Heilige Stuhl die Argumente der ukrainischen Seite über den beleidigenden Charakter einer solchen Geste nicht berücksichtigt hat", so der Sprecher. Eine Versöhnung könne es nur nach einem ukrainischen Sieg, Bestrafung aller russischen Verbrecher, Reue für das Leid und einer Bitte um Vergebung geben.
Habeck sieht Sicherheit der Energieversorgung gewährleistet
Wenige Tage vor der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterstrichen, dass die Energieversorgung sicher sei. Die Versorgungssicherheit sei in diesem schwierigen Winter gewährleistet gewesen und werde es auch weiter sein, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Aufgrund der hohen Füllstände der Gasspeicher und der neuen Flüssiggasterminals sowie durch mehr erneuerbare Energien habe man die Lage im Griff.
Habeck betonte, der deutsche Atomausstieg sei endgültig. Die letzten drei Atomkraftwerke, die noch in Betrieb sind, sollen kommenden Samstag abgeschaltet werden. Sie sollten eigentlich schon Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise beschloss die Regierungskoalition jedoch, die Meiler über den Winter weiterlaufen zu lassen.
Faeser droht mit Einreiseverbot für russische Sportler
Bundesinnenministerin Nancy Faeser pocht auf ein Einreiseverbot für russische Sportler, sollten diese vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu Wettbewerben zugelassen werden. "Länder, in denen sportliche Großveranstaltungen stattfinden, sind nicht machtlos. Sie können über die Visaerteilung steuern, ob Russen tatsächlich teilnehmen können", sagt die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn wir in Deutschland internationale Wettbewerbe ausrichten, dann können wir entsprechend handeln. Wir werden hier immer mit klarer Haltung agieren." Eine Öffnung internationaler Wettbewerbe für Sportler aus Russland wäre "ein Schlag ins Gesicht" der ukrainischen Athleten. "Dem Kriegstreiber Putin eine Propaganda-Bühne zu bieten, würde alle Werte des Sports verraten."
qu/fw/haz/fab (dpa, rtr, afp, ap)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.